Steuerermäßigte Abfindungen aufgrund von Arbeitsplatzverlust

Abfindungen können nur nach der sog. Füntelregelung besteuert werden, wenn sie in einem Jahr zufließen. Das gilt nach einem aktuellen Urteil auch, wenn eine spätere Teilentschädigung dafür geleistet wird, dass kein befristetes Arbeitsverhältnis bei einer Transfergesellschaft angetreten wird.

Abfindungen sind steuerpflichtig und unterliegen dem Lohnsteuerabzug. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie aber nach der sog. Fünftelregelung besteuert werden (§ 34 Abs. 1 EStG). Dadurch ergeben sich regelmäßig steuerliche (Progressions-)Vorteile.

Voraussetzungen für die Fünftelregelung

Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:

  • Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses sind nur dann ermäßigt zu besteuern, wenn die Voraussetzungen einer Entschädigung erfüllt sind.
    • Das setzt voraus, dass an Stelle der bisher geschuldeten Leistung eine andere tritt, die auf einem eigenständigen Rechtsgrund beruht. Ein solcher Rechtsgrund wird regelmäßig Bestandteil der Auflösungs­vereinbarung sein.
    • Weitere Voraussetzung ist der Verlust von Einnahmen, mit denen der oder die Betroffene rechnen konnte. Eine Zahlung des Arbeitgebers, die bereits vorhandene Ansprüche abgilt, ist keine Entschädigung.
  • Zudem muss eine Zusammenballung von Einkünften vorliegen. Das setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammen­geballt in einem Jahr zufließen. Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungs­zeiträumen ist deshalb grundsätzlich schädlich (Ausnahme: geringfügige Nebenleistungen bis zu 10 Prozent). Genau darum ging es auch im aktuellen Streitfall vor dem Bundesfinanzhof (BFH).

Aktueller Urteilsfall zu Abfindung und Fünftelregelung

Der Kläger war bei seinem Arbeitgeber über 20 Jahre beschäftigt. Infolge von Umstrukturierungs- und Arbeitsplatzabbaumaßnahmen schlossen beide unter Beteiligung einer Transfergesellschaft einen Vertrag. Darin wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgehoben. Gleichzeitig schloss die Transfergesellschaft mit dem Kläger einen befristeten Anstellungsvertrag.

Dem Kläger wurde als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zugesagt. Für den Fall, dass der Kläger die Stelle bei der Transfergesellschaft wegen eines anderen Arbeitsplatzes nicht antreten sollte oder aber das Arbeitsverhältnis dort vorzeitig beendet, war zwischen den Parteien eine gestaffelte Zusatzabfindung vereinbart ("Startprämie"). Sollte der Kläger nach Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses in der Transfergesellschaft eine (weitere) befristete Beschäftigung in einer weiteren Transfergesellschaft ausschlagen, sollte er zudem eine Zusatzabfindung in Höhe von 40.000 Euro ("Zusatzabfindung") erhalten.

Der Kläger fand schnell eine neue Stelle. In 2015 erhielt er eine Abfindung i.H.v. 115.700 Euro brutto sowie einen weiteren Betrag i.H. von 59.250 Euro brutto im Jahr 2016 (19.250 Euro "Startprämie sowie 40.000 Euro "Zusatzabfindung"). Der Kläger begehrte die Anwendung der Fünftelregelung.

Der BFH hat jedoch mit seinem Urteil keine Ausnahme von der Pflicht zur Zusammenballung gewährt. Die drei Entschädigungsleistungen wurden als Ersatz für dasselbe Schadens­ereignis, den Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers, gezahlt. Da diese in zwei Veranlagungs­zeiträumen ausbezahlt wurden, liegt nach Auffassung der Richter keine Zusammenballung von Einkünften vor.

Eine isolierte Betrachtung der verschiedenen Zahlungen würde nach Auffassung des BFH weder ihrer arbeitsrechtlichen noch ihrer wirtschaftlichen Zielsetzung gerecht.

BFH-Urteil vom 06. Dezember 2021 - IX R 10/21

Ergänzende Hinweise:

Außerordentliche Einkünfte liegen zudem nur dann vor, wenn der oder die Betroffene infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschließlich der Entschädigung in dem Jahr insgesamt mehr erhält, als er/sie bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten würde.

Kann ein Arbeitgeber in Abfindungsfällen die erforderlichen Feststellungen für die Vergleichs­berechnung nicht treffen, muss er im Lohnsteuerabzugsverfahren die Besteuerung ohne Tarifermäßigung durchführen, also zunächst die volle Lohnsteuer einbehalten. Die ermäßigte Besteuerung kann dann gegebenenfalls erst bei der Steuererklärung im Veranlagungsverfahren durchgeführt werden.

Zu weiteren Einzelheiten hinsichtlich der Anwendung der Fünftelregelung bei Abfindungen hat die Finanzverwaltung ausführlich Stellung genommen - BMF-Schreiben vom 01.11.2013 (IV C 4 - S 2290/13/10002, BStBl 2013 I S. 1326) mit Änderungen durch Schreiben vom 04.03.2016 (IV C 4 - S 2290/07/10007 :031, BStBl 2016 I S. 277).

Tipp:

Aktuell können Arbeitgeber ihren Beschäftigten bis Ende 2024 inflationsbedingte Sonderzahlungen bis 3.000 EUR steuerfrei in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewähren, vgl. auch unsere ausführliche News dazu). Arbeitgebern steht es frei, anstelle einer üblichen Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes in vorstehendem Umfang steuerfreie Beihilfen zu leisten.


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