Neuer Referentenentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz

Deutschland hat es bislang versäumt, die EU-Whistleblower-Richtlinie mit einem Hinweisgeberschutzgesetz umzusetzen. Ein erster, im vergangenen Jahr von der alten Bundesregierung unternommener Versuch, ein Gesetz zu verabschieden, ist gescheitert. Die EU-Kommission hat darufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Nun liegt ein neuer Referentenentwurf vor. Wie dieser Entwurf zu bewerten ist, erläutert Professor Dr. Gregor Thüsing.

Neues Spiel, neues Glück: Der neue Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes liegt vor. Es wurde auch Zeit. Die europäische Richtlinie hätte man eigentlich bis zum 17. Dezember 2021 umsetzen müssen. Nun strebt man ein Inkrafttreten nach der Sommerpause an.

Es ist zunächst einmal gut, dass der Gesetzgeber erkannt hat, wie wichtig der Schutz von Hinweisgebern ist. Er handelt jetzt freilich nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil europarechtliche Vorgaben ihn dazu drängen. Der nun vorliegende Entwurf geht teilweise über das hinaus, was europarechtlich verlangt wird und auch über das, was sinnvoll ist. Auf der anderen Seite greift er aber nicht weit genug.

Hinweisgeberschutzgesetz mit eingeschränktem Anwendungsbereich

Ob die beabsichtigte, zügig Umsetzung gelingt, hängt davon ab, wie schnell das parlamentarische Verfahren durchgezogen wird. Hier sollte Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen. Man muss dem Entwurf zugutehalten: Hier wurden einige grobe Schnitzer eines Entwurfs der vergangenen Legislaturperiode, der dann doch nicht mehr realisiert wurde, bereinigt. Das ist gut so.

Rechtspolitisch entschieden wurde eine Einschränkung des Anwendungsbereichs: Waren es im alten Entwurf "alle Verstöße, die straf- oder bußgeldbewehrt sind", sind es nun – abgesehen von einer Liste weiterer, enumerativ aufgezählten und schwerpunktmäßig im Europarecht begründeten steuerrechtlichen Regelungen – zwar immer noch "alle Verstöße, die strafbewehrt sind", aber nur noch "Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient".

Neu sollen Hinweise an das Bundesamt für Justiz gehen

Die externe Meldestelle, an die Hinweise über ein Fehlverhalten gemeldet werden können, war im ehemaligen Entwurf der Bundesdatenschutzbeauftragte. Für diesen wäre das eine gänzlich neue Zuständigkeit gewesen, bei der Synergien mit der bisherigen Tätigkeit nicht ersichtlich sind. Die Behörde muss entscheiden, ob der Verstoß geringfügig ist, ermitteln, ob das gemeldete Verhalten bereits Gegenstand eines Verfahrens war, Auskünfte einholen und Akteneinsicht nehmen. Und die Gegenstände können vom Wasserwirtschaftsrecht bis zu Arbeitsrechtsverstößen alles sein. Da war der Bundesdatenschutzbeauftragte die falsche Adresse. Nun soll es laut neuem Referentenentwurf das Bundesamt für Justiz sein. Das ist klüger.

Ebenso ist die missverständliche Haftungsregelung nicht korrigiert worden: Der gescheiterte Vorläuferentwurf sah vor, dass der Hinweisgeber, der fahrlässig unrichtige Informationen verbreitet, nicht demjenigen gegenüber schadensersatzpflichtig sein soll, dessen Ruf gegebenenfalls ruiniert wird – egal wie groß der Schaden ist und selbst dann, wenn die Information gezielt erfolgte, um den Betroffenen zu schädigen. Das birgt Risiken und Gefahren. Auch die Begründung des aktuellen Entwurfs führt dazu aus, das müsse so sein, weil das Europarecht dies vorschreibt. Das ist falsch. Dem Europarecht geht es um den Schutz vor Repression, nicht um Privilegierung im Irrtum.

Keine Priorisierung der internen Meldestelle im neuen Gesetzentwurf

Andere Monita aber verbleiben und können dem Ziel, einen angemessenen und effektiven Hinweisgeberschutz zu schaffen, entgegenstehen.  Der Gesetzentwurf geht weiterhin von der vollständigen Gleichwertigkeit der internen und externen Meldewege aus. Ein Arbeitnehmer oder wer auch immer eine Meldung vornehmen will, hat also die freie Wahl, ob er sich zunächst an das Unternehmen und die dortigen Compliance-Kanäle hält oder ob er sich an eine externe Behörde wendet. Das ist europarechtlich sicherlich zulässig und man wird dem Arbeitnehmer auch diese freie Wahl letztlich nicht verbieten können. Der Gesetzgeber hätte jedoch gut daran getan, Anreize zu setzen, zunächst die interne Meldestelle zu nutzen. Das entspräche der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Auch die EU-Richtlinie fordert die Mitgliedsstaaten ausdrücklich auf, sich dafür einzusetzen, dass die Meldung über interne Meldekanäle gegenüber den Meldungen über externe Meldekanäle in den Fällen bevorzugt wird, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien befürchtet. Dieses Bemühen fehlt gänzlich. Das ist ein großer Fehler und zentral zum Schutze aller Beteiligten. Denn ein geäußerter Verdacht ist eben zunächst nur ein Verdacht und der Hinweisgeber wird ja ermutigt, auch dann Hinweise zu geben, wenn er nicht sicheres Wissen hat. Dann aber ist eine valide Klärung der Vorwürfe notwendig in einem Stadium, in welchem der Vorwurf noch keine weiteren Kreise gezogen hat. Denn was berichtet wird, das muss nach der Vorstellung des Gesetzesentwurfs gar nicht wahr sein, solange der Berichtende gutgläubig ist. Und mehr noch: Der Sachverhalt muss auch nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, solange der Berichtende hinreichende Gründe für die Annahme hat, dass dem doch der Fall ist. Er ist selbst dann geschützt, wenn er schuldhaft irrt, solange das nicht grob fahrlässig ist.

Das alles ist sehr, sehr weit gefasst und oftmals zu weit, um Rechtssicherheit im Unternehmen und auch demjenigen zu geben, dessen Verhalten Gegenstand der Meldung ist.

Hinweisgeberschutzgesetz: Effektive Ausgestaltung der Meldekanäle wäre wichtig

Gemeldet werden kann zudem weiterhin nahezu jede beliebige Ordnungswidrigkeit – vom Umweltrecht bis zum Arbeitsschutz - die Liste ist lang. Keine Behörde hat hier die Kompetenz, das alles sachkundig auch nur in anfänglicher Einschätzung abzuklopfen. Auch ist nicht ersichtlich, welche Konsequenzen eine solche Meldung haben soll, wenn eben nicht nur rechtswidriges Verhalten, sondern bloß missbräuchliches Verhalten gemeldet werden darf, was aber eben legal ist. Was legal ist, kann nicht untersagt werden. Hat eine entsprechende Meldung dann irgendeinen Sinn?

Auf der anderen Seite müsste man mehr tun. Es ist wichtig, Meldekanäle effektiv zu gestalten und hier könnte man fragen, ob Arbeitnehmer eines Unternehmens gesetzlich verpflichtet werden könnten, bei hinreichend schwerwiegendem Verdacht eine interne Meldung vorzunehmen. Denn wie weit eine solche Verpflichtung zur Meldung geht, ist aktuell hoch umstritten, und diese in den Arbeitsverträgen zu implementieren ist rechtlich nicht einfach. Hier könnte der Gesetzgeber nachhelfen und Hinweise geben, wie schwerwiegend der Verdacht sein muss, damit man melden muss, welcher Art der Verstoß sein muss und welcher Arbeitnehmer dazu überhaupt verpflichtet werden kann. Durch solche unterstützenden Regeln könnte Rechtssicherheit geschaffen werden, die den Beteiligten dient und dem durchaus richtigen Zweck des geplanten Gesetzes Nachdruck verleihen kann.

Gesetzentwurf sollte noch nachgebessert werden

Es ist zu hoffen, dass die Parteien voranschreiten und aus dem Referentenentwurf einen Regierungsentwurf machen. Der sollte handwerklich aber dann noch einmal überarbeitet werden. Zudem sollte kritisch gefragt werden, ob diese Regelungen nicht verbessert werden können, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Hier sollte ein möglichst breiter Dialog mit allen Beteiligten angestrebt und der Sachverstand insbesondere auch der Unternehmen und deren Compliance-Beauftragten genutzt werden. Sie wissen am besten, was funktioniert und was nicht funktioniert und wo die Risiken von Meldungen liegen, die es zu vermeiden gilt.


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