Keine Verwirkung von bAV-Ansprüchen aus Betriebsvereinbarung

Die Ablöse einer früheren Versorgungszusage muss überprüfbar bleiben. Der Arbeitgeber kann den Einwand der Verwirkung nicht erheben - jedenfalls wenn die betriebliche Altersversorgung in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Wenn dem Arbeitnehmer Rechte durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt werden, kann der Arbeitgeber nicht den Einwand der Verwirkung gemäß § 242 BGB erheben. Das legt das Betriebsverfassungsgesetz in § 77 Abs. 4 S.3 BetrVG fest. Doch gilt das auch für Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung? 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass der Einwand der Verwirkung jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn es sich um bAV-Zusagen und deren Ablösungen in Form von Betriebsvereinbarungen handelt. In dem aktuellen Fall machte ein Betriebsrentner seine Ansprüche erstmals 13 Jahre nach seinem Renteneintritt geltend. 

Spätere Ablöse der bAV-Zusage durch Betriebsvereinbarung

Der Arbeitnehmer war in der Zeit von 1955 bis 2003 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten war dort seit 1979 durch eine Betriebsvereinbarung (BV 1979) geregelt. Diese BV 1979 wurde zum 1. Januar 1988 durch eine neue Betriebsvereinbarung (BV 1988) geändert. Danach wurde jedes Dienstjahr der ununterbrochenen Tätigkeit mit 0,2 Prozent - statt wie zuvor nach der BV 1979 mit 0,4 Prozent - des Arbeitseinkommens bewertet. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31. Dezember 2003. Der ehemalige Arbeitnehmer bezieht seit dem 1. Januar 2004 eine Betriebsrente von zuletzt 1.598,11 Euro. Diese Rente passte der Arbeitgeber zum 1. Januar 2010 und 1. Januar 2013 an, nicht jedoch zum 1. Januar 2016.

Arbeitnehmer fordert Neuberechnung der Betriebsrente

Der ehemalige Mitarbeiter verlangt vom Arbeitgeber die Zahlung einer höheren Betriebsrente. Dies begründete er damit, dass der Arbeitgeber bei der Berechnung der Ausgangsrente von einem falschen ruhegeldfähigen Arbeitseinkommen ausgegangen sei. Nach seiner Auffassung war die Ablöse der BV 1979 durch die BV 1988 und die damit verbundene Halbierung der künftigen Steigerungsbeträge, mangels sachlich-proportionaler Gründe, unzulässig. Außerdem macht der Rentner die fehlende Rentenanpassung zum Stichtag 1. Januar 2016 geltend.

Arbeitgeber erhebt Einrede der Verwirkung

Der Arbeitgeber verwies dagegen auf die wirtschaftliche Lage. Zudem sei der Anspruch auf Neuberechnung beziehungsweise auf eine höhere Ausgangsrente laut seiner Ansicht nach § 242 BGB verwirkt, da der Betriebsrentner diesen erstmals 13 Jahre nach seinem Renteneintritt geltend gemacht habe.

BAG: Keine Verwirkung bei Ansprüchen der bAV aus Betriebsvereinbarungen

Die vom Bundesarbeitsgericht - eingeschränkt auf eine um 119,12 Euro brutto höhere Ausgangsrente - zugelassene Revision hatte Erfolg. Anders als die Vorinstanzen hat das BAG den Einwand der Verwirkung nicht gelten lassen. Aus Sicht der Erfurter Richter gilt § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG, der eine Verwirkung von Rechten aus einer Betriebsvereinbarung ausschließt, auch für Ansprüche der betrieblichen Altersversorgung, die durch Betriebsvereinbarung geregelt sind.  

Anspruch auf Neuberechnung ist Recht aus Betriebsvereinbarung

Der Anspruch des ehemaligen Arbeitnehmers auf richtige Berechnung seiner Ausgangsrente und damit verbunden die Überprüfung der Wirksamkeit der Ablösung der Betriebsvereinbarung 1979 durch die Betriebsvereinbarung 1988, war nicht wegen dem Grundsatz der Verwirkung nach § 242 BGB ausgeschlossen, urteilte das BAG. Der Rentner verfolge damit ein Recht, dass ihm durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt wurde. Der Einwand der Verwirkung sei daher durch § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG schon von Gesetzes wegen ausgeschlossen.

BAG verweist zurück an Vorinstanz

Ob die Klage begründet ist, muss nun LAG Saarland entscheiden. Das Bundesarbeitsgericht konnte dies auf Grundlage der Feststellungen der Vorinstanz nicht entscheiden und hat die Sache zurückverwiesen.


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2020, Az: 3 AZR 246/20; 
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil vom 13. November 2020, Az: 1 Sa 1/19 


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