"Flinke Frauenhände": Entschädigung für diskriminierende Jobabsage

Fingerfertigkeit und Geschick sollte der Bewerber laut Stellenanzeige mitbringen. Während die Anzeige - wie mittlerweile üblich - für männliche, weibliche und diverse Mitarbeitende diskriminierungsfrei ausgeschrieben war, fehlte das Gespür bei der Absage einem männlichen Bewerber gegenüber: Die Tätigkeit sei doch eher was für flinke Frauenhände, hieß es. Den Rechtsstreit wegen Diskriminierung entschied der Mann für sich. Das LAG Nürnberg sprach ihm eine Entschädigung in Höhe von 2.500 Euro zu.
Der Fall: "Flinke Frauenhände" Diskriminierende Formulierung in Absage auf Bewerbung
Der Arbeitgeber produziert und vertreibt Miniatur-Automodelle. Er suchte laut Stellenanzeige einen "Mitarbeiter (m/w/d)" als Bestücker für Digitaldruckmaschinen. In der Tätigkeitsbeschreibung forderte er Fingerfertigkeit/Geschick, Deutschkenntnisse in Wort und Schrift, zuverlässiges, sorgfältiges und konzentriertes Arbeiten, Teamorientierung, Belastbarkeit und ausgeprägte Motivation. Ein gelernter Einzelhandelskaufmann bewarb sich ohne Erfolg auf die Stelle. In der Absage auf seine Bewerbung hieß es: Unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Sie für diese Stelle nicht in Frage kommen.
Anspruch auf Entschädigung wegen diskriminierender Jobabsage?
Der abgelehnte Bewerber machte geltend, er sei benachteiligt worden, weil er ein Mann ist. Dafür forderte er angemessene Entschädigung. Per E-Mail lud der Arbeitgeber ihn daraufhin zum Probearbeiten ein, wozu es aus verschiedenen Gründen nicht kam. Kurze Zeit später unterschrieb er einen Arbeitsvertrag bei einem anderen Arbeitgeber.
Vor Gericht vertrat der Arbeitgeber die Überzeugung, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechtes nicht gegeben sei. Bei der Formulierung "flinke Frauenhände" für die "kleinen, filigranen Teile" sei es schlicht um die Größe der Hände gegangen. Für die Arbeit als Bestücker der Digitaldruckmaschinen seien kleine Hände und feingliedrige Finger maßgebliche Eigenschaften. Die Hände des Bewerbers seien zu groß gewesen, behauptete der Arbeitgeber - dies habe er bei einer Recherche über den Bewerber anhand von Bildern im Internet festgestellt.
LAG Nürnberg: Entschädigung wegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren
Das LAG Nürnberg bestätigte das Urteil der Vorinstanz zum größten Teil. Es entschied, dass der Bewerber einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG hat. Aus Sicht des Gerichts wurde der gelernte Einzelhandelskaufmann im Bewerbungsverfahren unmittelbar diskriminiert. Der Arbeitgeber habe aufgrund der Bilder im Internet von seinen Händen nicht auf mangelnde Fingerfertigkeit schließen dürfen. Allein aus dem Grund, dass er ein Mann ist, habe er keine Gelegenheit bekommen, bei einer Probearbeit nachzuweisen, dass er zu der kleinteiligen Arbeit fähig ist. Die spätere Einladung zur Probearbeit sei nur auf Druck entstanden. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Bewerbers konnte das LAG Nürnberg vorliegend nicht erkennen. Die Höhe der Entschädigung setzte es jedoch von zwei auf 1,5 Bruttomonatsgehälter herab. Als angemessene Entschädigung legte es 2.500 Euro fest.
Hinweis: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 13. Dezember 2022, Az: 7 Sa 168/22; Vorinstanz: Arbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 10. Januar 2022, Az: 3 Ca 2832/21
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