Arbeitgeber muss Gehalt von Mitarbeitenden in Corona-Quarantäne zahlen
Wer zahlt im Fall einer Corona-Quarantäne? Diese Frage beschäftigt die Gerichte seit Beginn der Coronapandemie immer wieder. Wenn Arbeitnehmer, die nicht krank sind, behördlich angeordnet in Quarantäne müssen, haben sie gemäß § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfGS) einen Entschädigungsanspruch gegen das Land. Diesen zahlt der Arbeitgeber aus und kann ihn sich gegebenfalls zurückerstatten lassen. Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer keinen Lohnanspruch gemäß § 616 BGB gegen den Arbeitgeber hat. Wie lange der Anspruch bei Anordnung einer behördlichen Quarantäne nach § 616 BGB gegen den Arbeitgeber besteht, ist umstritten. Auch im vorliegenden Fall hat sich das Verwaltungsgericht Koblenz mit dieser Frage beschäftigt.
Keine Erstattungsansprüche des Arbeitgebers für Corona-Quarantäne der Arbeitnehmer?
Konkret beantragte der Arbeitgeber, eine Bäckereikette, beim Land Rheinland-Pfalz die Erstattung von Entschädigungszahlungen sowie Sozialversicherungsbeiträgen für zwei seiner Mitarbeiterinnen. Diese waren im März wegen möglicher Ansteckungsgefahr durch die Behörden für 14 Tage unter Corona-Quarantäne gestellt worden. Für diese Zeit hatte der Arbeitgeber ihnen - aus seiner Sicht - den Verdienstausfall gezahlt.
Das Land gewährte dem Arbeitgeber jedoch erst ab dem sechsten Tag der Quarantäne eine Erstattung. Der Grund: Die Arbeitnehmerinnen hätten ihm gegenüber für die ersten fünf Tage einen Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Alles-oder-Nichts-Prinzip: Arbeitgeber sieht keinen Lohnfortzahlungsanspruch
Der Arbeitgeber forderte die Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz daraufhin vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Er vertrat die Auffassung, dass eine Quarantänedauer von mehr als fünf Tagen keine "verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit" gemäß § 616 BGB sei. Wenn die Verhinderung des Arbeitnehmers aber eine erhebliche Zeit dauere, so entfalle der Lohnfortzahlungsanspruch insgesamt, also auch für den nicht erheblichen Zeitraum ("Alles-oder-Nichts-Prinzip").
VG Koblenz: Arbeitgeber hat bei zwei Wochen Quarantäne Lohnfortzahlungsverpflichtung
Das Verwaltungsgericht Koblenz folgte dieser Auffassung nicht. Der Arbeitgeber könne keine Entschädigungsansprüche wegen Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) geltend machen, solange die betroffenen Arbeitnehmer einen Lohnfortzahlungsanspruch aus § 616 BGB hätten. Dies war vorliegend aus Sicht des Gerichts gegeben: Beide Mitarbeiterinnen hätten für die Dauer der Quarantäne einen Lohnfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 616 BGB gehabt.
Voraussetzungen für nicht erhebliche vorübergehende Verhinderung gegeben
Dieser setzt voraus, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Dies sei hier der Fall. Die behördlichen Quarantäneanordnungen, die den Mitarbeiterinnen aufgrund eines Ansteckungsverdachts erteilt wurden, stellten eine in der Person liegendes Leistungshindernis dar. Die Dauer der Arbeitsverhinderung von sechs bzw. 14 Tagen sei dabei noch eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit.
14-tägige Quarantäne ist keine erhebliche Zeit
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es für die Beurteilung in erster Linie auf das Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses und der Dauer der Arbeitsverhinderung ankomme. Bei einer Beschäftigungsdauer von mindestens einem Jahr sei eine höchstens 14 Tage andauernde Arbeitsverhinderung infolge einer Quarantäneanordnung grundsätzlich noch als eine "nicht erhebliche Zeit" anzusehen.
Risiko für zwei Wochen Arbeitsausfall ist für Arbeitgeber kalkulierbar
Dieses Ergebnis müsse im zu entscheidenden Fall auch nicht aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten korrigiert werden, so das Gericht. Das Risiko, während einer höchstens 14-tägigen Quarantäne des Arbeitnehmers bei einem mindestens ein Jahr andauernden Beschäftigungsverhältnis den Lohn für zwei Wochen weiterzahlen zu müssen, sei für den Arbeitgeber grundsätzlich kalkulierbar. Im konkreten Fall seien die Mitarbeiterinnen beide sogar bereits deutlich länger als ein Jahr bei dem Arbeitgeber beschäftigt.
Gegen beide Entscheidungen hat das Gericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zugelassen.
Hinweis: Verwaltungsgericht Koblenz, Urteile vom 1.5.2021, Az: 3 K 107/21 und 3 K 108/21
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