Corona-Tracing-App: Fragen zu Arbeitsrecht und Datenschutz

Der Infektionsschutz macht es erforderlich, dass die Ansteckungsketten bei auftretenden Infektionen in den Unternehmen möglichst lückenlos nachvollzogen werden können. Eine Chance dazu bieten Tracing-Apps oder Corona-Tracker. Wie es hierbei um die arbeits- und datenschutzrechtlichen Aspekte bestellt ist, erläutert Philipp Byers im Interview.

Haufe Online-Redaktion: Derzeit wird diskutiert, ob Arbeitgeber ihre Beschäftigten im Rahmen eines betrieblichen Infektionsschutzkonzeptes verpflichten dürfen, eine Corona-Tracing-App auf ihrem privaten Smartphone zu installieren. Wäre eine solche Anordnung arbeitsrechtlich möglich?

Dr. Philipp Byers: Die Diskussion über die rechtlichen Spielregeln bezüglich der Nutzung einer Corona-Tracing-App ist bereits im vollen Gange, obwohl die App noch nicht einmal existiert. Vieles ist daher noch rechtlich unklar. Klar ist zumindest, dass Unternehmen nicht wirksam von ihren Mitarbeitern verlangen können, die App auf private Smartphones zu installieren. Der Arbeitgeber kann nur wirksam Weisungen gegenüber Arbeitnehmern erteilen, wenn der dienstliche Bereich betroffen ist. Der Privatbereich des Mitarbeiters ist tabu. Nachdem das private Smartphone Eigentum des Arbeitnehmers ist, kann der Arbeitgeber nicht verlangen, welche Apps auf das Smartphone zu laden sind. Dies würde auch das Eigentumsrecht des Mitarbeiters verletzen. Der Arbeitgeber kann daher nur unverbindlich an die Arbeitnehmer appellieren, eine Corona—Tracing-App zum Schutz Dritter auf das private Smartphone zu installieren.

Corona-Tracing-Apps: Rechtliche Probleme in der Praxis

Haufe Online-Redaktion: Wie sähe die Rechtslage bei einem dienstlichen Smartphone aus?

Byers: Die verpflichtende Nutzung der App auf dem Diensthandy ist nicht generell ausgeschlossen. In der Praxis werden sich allerdings einige rechtliche Probleme stellen. Die Entwickler der Corona-App erklären zwar, dass bei der App-Nutzung nur anonymisierte Daten anfallen. Die "Corona-Warnung" soll mittels eines anonymen ID-Schlüssels erfolgen. Dies wäre datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden, da sich der Schutzbereich der DSGVO nur auf personenbezogene Daten erstreckt. Der Arbeitgeber kann demnach verlangen, dass während der Arbeitszeit die App auf dem dienstlichen Smartphone genutzt wird.

Problematisch ist allerdings, dass der Arbeitnehmer regelmäßig auch nach Dienstschluss sein Diensthandy mit sich führt. Die App funkt auch nach Feierabend weiter und kann damit private Kontakte des Mitarbeiters erfassen. Dies stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters dar, der nur durch besondere Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein kann. Ein solches Interesse kann der Gesundheitsschutz gegenüber Dritten sein. Allerdings darf es keine milderen Mittel geben, durch die sich der Gesundheitsschutz ähnlich wirkungsvoll erreichen lässt. Übt der Mitarbeiter zum Beispiel eine Tätigkeit ohne Kundenkontakt in einem Einzelbüro aus, wird sich der Gesundheitsschutz durch die behördlichen Sicherheitsvorgaben wie die Einhaltung des Sicherheitsabstands umsetzen lassen. In solchen Fällen wäre die verpflichtende Nutzung der Corona-Tracing-App unzulässig. Anders kann sich dies in Berufsfeldern darstellen, bei denen der Kontakt mit Dritten unvermeidbar ist, zum Beispiel im Gesundheits- oder Pflegebereich. Hier ist die Kenntnis über eine mögliche Corona-Infektion entscheidend für den Schutz der anvertrauten Patienten. In solchen Fällen wird der Arbeitgeber die Nutzung der App auf dem Diensthandy verpflichtend anordnen können.

Click to tweet

Haufe Online-Redaktion: Müsste dazu eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden?

Byers: Besteht ein Betriebsrat, sind bei der geplanten Nutzung einer Corona-Tracing-App die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Eine Verpflichtung zur App-Nutzung auf dem Diensthandy betrifft das Verhalten des Arbeitnehmers und die Ordnung des Betriebs, sodass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eingeräumt wird. Sofern der Arbeitgeber die technische Möglichkeit hat, festzustellen, ob der Mitarbeiter die App auf dem dienstlichen Smartphone installiert hat, liegt eine technische Überwachung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vor. Zu beachten ist allerdings, dass die Betriebsparteien nach § 75 Abs. 2 BetrVG die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter zu wahren haben. Unverhältnismäßige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht können auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung legitimiert werden. Dies bedeutet, dass auch durch eine Betriebsvereinbarung eine Corona-App wohl nur für Arbeitnehmergruppen angeordnet werden kann, die im ständigen Kontakt zu Dritten wie Kunden stehen oder an Arbeitsplätzen arbeiten, bei denen die strikte Einhaltung des Mindestabstands schwierig ist, zum Beispiel in Großraumbüros oder Produktionshallen.

Corona-Tracer vermeiden Eingriff in den Privatbereich der Mitarbeiter

Haufe Online-Redaktion: Es gibt Corona-Tracer in Form kleiner tragbarer Geräte, die keine Installation einer App auf einem Smartphone erforderlich machen. Wäre das nicht arbeitsrechtlich leichter durchsetzbar?

Byers: Einen Corona-Tracer, den der Mitarbeiter wie einen Mitarbeiterausweis mit sich führt, kann der Arbeitgeber tatsächlich leichter durchsetzen. Insbesondere lässt sich dabei sicherstellen, dass nur die Kontakte des Mitarbeiters während der Arbeitszeit erfasst werden. Die Corona-Tracer enthalten auch Bewegungssensoren. Es sind daher kleine Bewegungen des Arbeitnehmers notwendig, damit ein Corona-Tracer aufzeichnet. Wird das Gerät circa fünf Minuten nicht bewegt, führt dies zu einer Deaktivierung des Tracers. Der Mitarbeiter kann daher den Corona-Tracer problemlos nach Feierabend ablegen, sodass keine Erfassung von privaten Kontakten erfolgt. Ein Eingriff in den Privatbereich des Arbeitnehmers wird dadurch vermieden.

Über jeden Warnhinweis des Corona-Tracers werden allenfalls Arbeitnehmer in gefahrgeneigten Tätigkeitsbereichen unterrichten müssen.


Haufe Online-Redaktion: Welche Probleme hinsichtlich des Beschäftigtendatenschutzes sehen Sie bei solchen Tracern?

Byers: Der Arbeitgeber wird nur eingeschränkt Informationen von den Arbeitnehmern abfragen dürfen. So wird der Mitarbeiter nicht verpflichtet sein, den Arbeitgeber über jeden Warnhinweis des Corona-Tracers zu unterrichten. Es muss vielmehr eine konkrete Gefährdungslage vorliegen. Der Arbeitnehmer hat zum Beispiel den Arbeitgeber unaufgefordert über eine Infektion mit dem Coronavirus zu informieren. Weitere Details zum Krankheitsverlauf muss der Mitarbeiter nicht herausgeben. Über jeden Warnhinweis des Corona-Tracers werden allenfalls Arbeitnehmer in gefahrgeneigten Tätigkeitsbereichen unterrichten müssen. Dies kann zum Beispiel bei Ärzten und Pflegepersonal der Fall sein. Der Arbeitgeber darf die ihm anvertrauten Daten nur zum Zweck des Infektionsschutzes nutzen. Darunter fällt die Identifikation möglicher Kontaktpersonen eines Infizierten sowie die Einleitung notwendiger Quarantänemaßnahmen. Danach sind die Daten durch den Arbeitgeber zu löschen.


Zum Interviewpartner: Dr. Philipp Byers ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Kanzlei Watson Farley & Williams LLP am Standort München. Er berät vornehmlich Unternehmen in allen Bereichen des Arbeitsrechts. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilden der Beschäftigtendatenschutz sowie Fragen der arbeitsrechtlichen Compliance.


Das könnte Sie auch interessieren:

Betriebsrat darf bei Videoüberwachung von Corona-Schutzvorschriften mitbestimmen

Was bei der Mitarbeiterüberwachung am Arbeitsplatz erlaubt ist

"Infektionsschutz ist Personaleinsatzplanung unter neuen Bedingungen"