BAG-Urteil zu Betriebsvereinbarungen unter Bedingung

Betriebsvereinbarungen gelten zwingend und unmittelbar. Sie können nicht von der Zustimmung der Belegschaft abhängig gemacht werden. Eine Betriebsvereinbarung, die nur unter der Bedingung, dass 80 Prozent der Arbeitnehmer ihr zustimmen, in Kraft treten sollte, erklärte das BAG für unwirksam.

Mit einer Betriebsvereinbarung regeln Arbeitgeber und Betriebsrat betriebliche Angelegenheiten. Die genauen Voraussetzungen regelt § 77 BetrVG. Die schriftliche Vereinbarung kann beispielsweise Regelungen zu variabler Vergütung, Kurzarbeit oder flexiblem Arbeiten beinhalten. Für den einzelnen Arbeitnehmer begründen die Bestimmungen unmittelbar Rechte und Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Ist eine Betriebsvereinbarung, die davon abhängig gemacht wird, dass ihr genügend Arbeitnehmer zustimmen, wirksam? Dürfen Arbeitgeber und Betriebsrat eine solche Bedingung vereinbaren? Diese Fragen hatte das BAG vorliegend zu entscheiden.

Betriebsvereinbarung unter Bedingung

Der Arbeitgeber, ein nicht tarifgebundenes Unternehmen, das Logistikarbeiten für die Elektroindustrie erbringt, schloss im Jahr 2007 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. In dieser wurden Regelungen zu variablen Vergütungsbestandteilen der im Lager beschäftigten Arbeitnehmer getroffen.

Die Betriebsvereinbarung sollte allerdings nur unter einer Bedingung in Kraft treten: Ihr müssten 80 Prozent der von den neuen Regelungen betroffenen Arbeitnehmer auch zustimmen. Dazu sollten diese Mitarbeiter bis zum Ablauf einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Frist, "einzelvertraglich" schriftlich zustimmen.

Betriebsrat: Betriebsvereinbarung unwirksam?

Falls weniger Arbeitnehmer zustimmen würden, wurde die Möglichkeit vereinbart, dass der Arbeitgeber die Zustimmung dennoch für ausreichend erklären könne. Der Betriebsrat machte geltend, dass die Betriebsvereinbarung unwirksam sei. Er habe nur zugestimmt, weil ihm zugesichert worden sei, dass sich das Gehalt der Lagermitarbeiter durch die Betriebsvereinbarung nicht verschlechtere, was teilweise aber eingetreten sei.

Betriebsvereinbarung nicht von Zustimmung der Belegschaft abhängig 

Der Betriebsrat hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gab ihm jedoch Recht. Nach Auffassung der Richter kann die normative Wirkung einer Betriebsvereinbarung nicht von einem Zustimmungsquorum der Belegschaft abhängig gemacht werden. Eine solche Regelung widerspricht aus Sicht des Gerichts den Strukturprinzipien der Betriebsverfassung. Das BAG wies in seiner Begründung darauf hin, dass der gewählte Betriebsrat der gesetzliche Repräsentant der Belegschaft ist. Als Betriebsverfassungsorgan werde er nicht als Vertreter, sondern kraft Amtes im eigenen Namen tätig. Damit sei er weder an Weisungen der Arbeitnehmer gebunden, noch benötige er für sein Handeln die Zustimmung der Belegschaft.

BAG: Betriebsvereinbarung gilt kraft Gesetzes

Zur Geltung von Betriebsvereinbarungen machte der Senat deutlich, dass Betriebsvereinbarungen, die der Betriebsrat abschließt, kraft Gesetzes unmittelbar und zwingend gelten. Unabhängig vom Willen oder der Kenntnis der Parteien eines Arbeitsvertrags gestalte eine Betriebsvereinbarung damit das Arbeitsverhältnis und erfasse auch Arbeitnehmer, die erst später in den Betrieb kommen.

Im Ergebnis sei damit ausgeschlossen, die Geltung einer Betriebsvereinbarung davon abhängig zu machen, dass eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern dem Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung mit einzelvertraglichen Vereinbarungen bestätigen muss.


Hinweis: BAG, Beschluss vom 28. Juli 2020, Az: 1 ABR 4/19; Vorinstanz: LAG München, Beschluss vom 15. Juni 2018, Az: 3 TaBV 6/18


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