BAG, Urteil v. 6.9.2017, 5 AZR 382/16

Leitsätze (amtlich)

Eine auffällige Dienstkleidung liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund ihrer Ausgestaltung in der Öffentlichkeit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche zugeordnet werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Krankenpfleger beschäftigt. Kraft eines Haustarifvertrags finden die Regelungen des TVöD-BT-K Anwendung.

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 5.7.1995 eine "Dienstvereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung im Kreiskrankenhaus", die u. a. bestimmt, dass die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Dienst- und Schutzkleidung in seinem Eigentum bleibt und der/dem Beschäftigten für die Zeit der dienstlichen Verpflichtung zur Verfügung gestellt wird. Jede/r Beschäftigte ist zudem verpflichtet, während des Dienstes die entsprechende Dienstkleidung zu tragen. Der Arbeitgeber stellt hierfür Umkleideräume und abschließbare Schränke für jede/n Beschäftigte/n zur Verfügung.

Die Dienstkleidung weist keine Beschriftung oder ähnliche Kennzeichnung auf.

Zudem gilt bei der Beklagten eine "Arbeitsanweisung Händehygiene", die eine hygienische Händedesinfektion von 30 Sekunden nach einer Standard-Einreibemethode vorsieht.

Der Kläger machte nun Überstundenvergütung wegen Umkleide- und dadurch veranlasster innerbetrieblicher Wegezeiten für die Zeit von Februar 2013 bis April 2014 geltend. An 100 Arbeitstagen habe er durchschnittlich 12 Minuten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung und für die Wegezeiten vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle und zurück benötigt. Darin enthalten seien jeweils 30 Sekunden für die Händedesinfektion. Zudem begründete er seinen Anspruch damit, dass die Dienstvereinbarung nur den Schluss zuließe, dass die Dienstkleidung nicht zu Hause angezogen und auf dem Weg zur Arbeit getragen werden dürfe.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem BAG Erfolg. Allerdings konnte das Gericht nicht abschließend über die Höhe des Anspruchs entscheiden, sodass die Sache an das LAG zurückzuverweisen war.

Das BAG entschied, dass es sich bei den streitgegenständlichen Umkleide- und Wegezeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelte.

Das Gericht führte in seiner Entscheidung aus, dass die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste anknüpfe. Zu den "versprochenen Diensten" i. S. d. § 611 BGB zähle nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhänge.

In Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung urteilte das BAG, dass es sich bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung um vergütungspflichtige Arbeit handele, insbesondere da ein Arbeitnehmer an der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse habe. Da das An- und Ablegen der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers, wie auch das Aufsuchen der Umkleideräume, auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit beruhe, schulde dieser Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit. "Das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung ist nur dann nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen."

Im vorliegenden Fall war der Kläger zum Tragen der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidung verpflichtet. Nach Auffassung des BAG handele es sich – entgegen der Meinung des LAG – bei den zu tragenden Kleidungsstücken des Pflegepersonals auch um besonders auffällige Dienstkleidung. Das LAG, welches seine Entscheidung damit begründete, dass die Dienstkleidung keine Zuordnung zu einem bestimmten Berufsbild oder einem bestimmten Arbeitgeber erlaube, da sie weder eine besondere farbliche Gestaltung aufweise noch an ihr Namenszüge angebracht seien, habe – so das BAG- die Anforderungen an eine besonders auffällige Dienstkleidung verkannt. Auch wenn ein Arbeitnehmer bei einer ausschließlich in weißer Farbe gehaltenen Kleidung nicht ohne Weiteres einem bestimmten Arbeitgeber zugeordnet werden könne, sei es möglich, ihn aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche (hier durch die Farbe weiß eine Zuordnung zu einem Heil- oder hierzu gehörenden Hilfsberuf) in Verbindung zu bringen. Hieran habe ein Arbeitnehmer regelmäßig kein eigenes Interesse.

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