BAG, Urteil vom 16.3.2023, 6 AZR 130/22

Leitsatz (amtlich)

Ein Dienstplan ist i. S. d. § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA bereits dann "aufgestellt", wenn der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts die anfallenden Dienste geplant und den Dienstplan bekannt gemacht hat. Nicht erforderlich ist, dass der Betriebs- bzw. Personalrat dem Dienstplan zustimmt oder die Einigung durch die Einigungsstelle ersetzt wird.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Zahlung von Zuschlägen zu (Ruf-)Bereitschaftsdiensten wegen der verspäteten Aufstellung von Dienstplänen. Der Kläger ist bei der Beklagten, die ein Universitätsklinikum betreibt, als Oberarzt tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-Ärzte/VKA Anwendung. Der Kläger ist verpflichtet, nach Maßgabe des § 10 TV-Ärzte/VKA Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft zu leisten. Gemäß den zum 1. Januar 2020 neu in den Tarifvertrag eingefügten § 10 Abs. 10 bis 12 TV-Ärzte/VKA muss die Lage der Dienste der Ärztinnen und Ärzte in einem Dienstplan geregelt werden, der spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraumes aufgestellt wird. Wird die vorstehende Frist nicht eingehalten, so erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes für jeden Dienst des zu planenden Folgemonats um 10 (ab 1. Januar 2023 17,5) Prozentpunkte bzw. wird zusätzlich zum Rufbereitschaftsentgelt ein Zuschlag von 10 (ab 1. Januar 2023 17,5) Prozent des Entgelts gezahlt. Ergeben sich nach der Aufstellung des Dienstplanes Gründe für eine Änderung des Dienstplanes, die in der Person einer Ärztin / eines Arztes begründet sind oder die auf nicht vorhersehbaren Umständen beruhen, kann der Dienstplan – unter Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte – nach Aufstellung geändert werden.

Für die Monate Februar bis September 2020 gab die Beklagte den Beschäftigten die Dienstpläne unter Wahrung der Monatsfrist des § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA bekannt, ohne dass der Betriebsrat diesen Plänen zuvor zugestimmt hatte oder sie genehmigte. Seine Verweigerung begründete er mit von ihm angenommenen Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz. Die Beklagte leitete kein Einigungsstellenverfahren ein.

Der Kläger leistete 16 von ihm im Einzelnen benannte Bereitschafts- bzw. Rufbereitschaftsdienste entsprechend den für Februar bis September 2020 bekannt gegebenen Dienstplänen. Er klagte nun auf Zahlung der Zuschläge gemäß § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA für diese Dienste.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das BAG entschied, dass die Beklagte die Dienstpläne rechtzeitig i. S. d. § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA "aufgestellt" hatte. Dabei könne es dahinstehen, ob die aufgestellten Dienstpläne tatsächlich gegen das Arbeitszeitgesetz verstießen. Auch sei es unerheblich, dass der Betriebsrat den Dienstplänen nicht zugestimmt habe; denn ein Dienstplan ist i. S. d. § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA sei nach Auffassung des BAG bereits dann "aufgestellt", wenn der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts gemäß § 106 GewO die im Planungszeitraum anfallenden Dienste geplant und den Dienstplan den von ihm betroffenen Beschäftigten bekannt gemacht habe. Dies ergebe die Auslegung des Tarifvertrags.

Zunächst spreche bereits der Tarifwortlaut dafür, dass ein Dienstplan schon "aufgestellt" sei, wenn ihn der Arbeitgeber erarbeitet und gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern entsprechend der betrieblichen Gepflogenheiten (z. B. durch Aushang oder Einstellen im Intranet) bekannt gegeben habe, der Dienstplan somit "in der Welt" sei; denn unter dem "Aufstellen" eines Plans werde grds. seine Ausarbeitung bzw. sein Niederschreiben verstanden, ohne dass bereits darauf abgestellt werde, ob der Plan bestimmten (Wirksamkeits-)Voraussetzungen genüge.

Dieser Auslegung stünden auch weder rechts- noch tarifsystematische Gesichtspunkte entgegen; denn dafür, dass § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA darüber hinaus die rechtswirksame Ausübung des Direktionsrechts voraussetze, bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte. Dies betreffe zum einen die Frage, ob der Dienstplan den durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz (wie z. B. das ArbZG) gezogenen Grenzen bzw. billigem Ermessen entspreche, aber auch die Frage der mitbestimmungsrechtlichen Zulässigkeit des Dienstplans; denn der Betriebsrat habe bei der Aufstellung des Dienstplans gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen, so dass der Arbeitgeber im Verhältnis zum Betriebsrat gegen diese betriebsverfassungsrechtliche Norm verstoße, soweit der Betriebsrat den Dienstplänen nicht zuvor zugestimmt und auch die Einigungsstelle die Einigung der Betriebsparteien nicht ersetzt hatte. Allerding knüpfe die Regelung in § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA hieran nicht an, sondern sei betriebsverfassungs- bzw. personalvertretungsrechtlich "neutral" und betreffe, so das BAG, ausschließlich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diesem Verständnis stehe auch nicht § 10 Abs. 11 Satz 4 TV-Ärzte/VKA, wonach die Mitbestimmung nach der Aufstellung des Dienstplans un...

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