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Durch das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts v. 23.5.2017 wurde in § 17 Abs. 1 Satz 3 die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 auf Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft, angeordnet. Eine auf noch während des Sonderkündigungsschutzes durchgeführte Vorbereitungsmaßnahmen gestützte Kündigung ist nach § 134 BGB nichtig.

Der Gesetzgeber beabsichtigt mit der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 eine Klarstellung i. S. d. Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in Fall "Paquay"[1] liegt bereits dann ein Verstoß gegen das Kündigungsverbot des Art. 10 der Mutterschutzrichtlinie (92/85/EWG) vor, wenn "vor Ablauf dieser Zeit Maßnahmen in Vorbereitung einer solchen Entscheidung wie etwa die Suche und Planung eines endgültigen Ersatzes für die betroffene Angestellte getroffen werden."

Durch den Verweis auf die Sätze 1 und 2 soll deutlich gemacht werden, dass auch in diesen Fällen eine Kündigung nach Ablauf der Schutzfristen unwirksam ist, wenn die Vorbereitungen in den in Satz 1 bezeichneten Zeiträumen getroffen worden sind.

Zur Vorgängerregelung des § 9 Abs. 1 MuSchG a. F. wurde die Auffassung vertreten[2], dass der Arbeitgeber eine Kündigung bereits vor Ablauf der Schutzfristen zur Post geben durfte, sofern der Zugang erst nach Ablauf derselben erfolgt.

Diese Meinung ist nun angesichts des Wortlauts des Abs. 1 Satz 3 nicht mehr haltbar, da dies eine Vorbereitungshandlung im obigen Sinne darstellt. Entsprechendes wird auch für die Einleitung des Anhörungsverfahrens zur beabsichtigten Kündigung gegenüber dem Betriebsrat nach § 102 BetrVG oder dem Personalrat nach § 79 BPersVG[3] sowie für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB IX gelten. Genießt die Frau Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderte oder Gleichgestellte, kann der Arbeitgeber das vor Ausspruch der Kündigung nach §§ 168 ff. SGB IX notwendige Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt erst nach Ablauf des besonderen Kündigungsschutzes des § 17 Abs. 1 einleiten.

Der Arbeitgeber kann aber den Antrag auf Zulassung der Kündigung nach § 17 Abs. 2 bereits während der Schutzfrist stellen.[4]

Hierbei handelt es sich eigentlich auch um eine Vorbereitungshandlung, die Kündigungszulassung ist aber unionsrechtlich durch Art. 10 Nr. 1 RL 92/85/EWG gestattet.

 
Praxis-Beispiel

Beabsichtigt der Arbeitgeber die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin, so darf er das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats erst nach Ablauf der Schutzfristen des § 17 Abs. 1 Satz 1 einleiten, ansonsten wäre die Anhörung als unzulässige Vorbereitungshandlung nach § 17 Abs. 1 Satz 3 unwirksam. Die unzulässigen Vorbereitungshandlungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Unwirksamkeit der sodann gegenüber der Frau ausgesprochenen Kündigung zur Folge haben. Die der Frau nach Ablauf des Kündigungsschutzes zugehende (und damit eigentlich nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 unwirksame) Kündigung wird infolge der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 unwirksam.

Der Arbeitgeber muss die Kündigung wiederholen und dabei eine erneute Anhörung des Betriebsrats nach Ablauf der Schutzfristen durchführen.

Fraglich ist aber, wie weit der Begriff der Vorbereitungsmaßnahmen i. S. d. Vorschrift auszulegen ist. Der Gesetzgeber führt in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Mutterschaftsrechts ausdrücklich die Entscheidung des EuGH im Fall "Paquay" an. Dies spricht für eine Auslegung i. S. d. Rechtsprechung des EuGH, sodass dem Arbeitgeber bereits Maßnahmen zur Suche von Ersatzkräften für die zu kündigende Frau während der Schutzfristen untersagt wären. Auch die Durchführung einer innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Stellenausschreibung bezüglich der von der geschützten Frau bekleideten Stelle innerhalb der Schutzfristen führt mithin zur Unwirksamkeit der Kündigung. Allerdings ist der Anwendungsbereich der Vorschrift auf solche Vorbereitungshandlungen zu beschränken, die zielgerichtet auf das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin bezogen sind.[5] Der Arbeitgeber muss unternehmerische Entscheidungen, die den gesamten Betrieb oder einzelne Betriebsabteilungen betreffen, auch dann vorbereiten können, wenn hiervon auch schwangere Arbeitnehmerinnen betroffen sind, sofern die Maßnahme nicht gezielt die geschützte Frau betrifft. Daher können trotz § 17 Abs. 1 Satz 3 unternehmerische Entscheidungen getroffen werden, die eine Umstrukturierung des Unternehmens, des Betriebes oder einzelner Abteilungen zur Folge haben, selbst wenn durch diese Maßnahme im Ergebnis auch besonders geschützte Frauen betroffen werden. Dies beinhaltet auch Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs oder Sozialplans mit dem Betriebsrat im Vorfeld von Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG, in den auch schwangere Arbeitnehmerinnen einbezogen werden können. Aufgrund der unmittelbaren Betroffenheit wird ...

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