Rz. 636

Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Qualifizierung kann sich auch auf Sprachkenntnisse erstrecken, um Entwicklungen neuer Techniken und Arbeitsinhalten folgen zu können. Bei Zertifizierungen im Rahmen von Qualitätsmanagementverfahren können ausreichende Sprach- und Lesefertigkeiten verlangt werden.[1] Allerdings ist zu fragen, ob sprachliche Anforderungen nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung nach § 7 Abs. 1 AGG, Art. 3 Abs. 3 GG führen, da fehlende Sprachkenntnisse häufiger bei Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund vorkommen werden. Die Diskriminierungsverbote des AGG sind trotz der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG als Konkretisierungen des Begriffs der Sozialwidrigkeit bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des KSchG zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 6.11.2008, 2 AZR 523/07[2]). Es stellt jedoch keine nach § 3 Abs. 2 AGG missbilligte mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber eine Kenntnis der deutschen Schriftsprache verlangt, die für die vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit unabdingbar erforderlich ist (BAG, Urteil v. 28.1.2010, 2 AZR 764/08[3]).

 

Rz. 637

Fehlende oder mangelnde Sprachkenntnisse können aber nur dann eine Kündigung personenbedingt rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die Sprache in zumutbarer Zeit ausreichend zu erlernen, und ihre Beherrschung notwendig ist, um die Arbeitsleistung zu erbringen. Dem Arbeitnehmer ist Gelegenheit zu geben, die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten zu erwerben. Weigert er sich, kommt nach vorheriger Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.[4]

 
Hinweis

Bei Einführung eines neuen Qualitätsmanagement-Systems können sich die Anforderungen an die sprachlichen Fähigkeiten zum Verstehen und Lesen deutschsprachiger Arbeitsanweisungen steigern. Bessere Deutschkenntnisse kann der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts aber nur dann fordern, wenn er sich dies entsprechend vorbehalten hat; ansonsten wird eine personenbedingte Änderungskündigung erforderlich. Die Kosten für einen Deutschkurs wird der Arbeitgeber zu tragen haben, denn die gesteigerten Anforderungen stammen aus der Sphäre des Arbeitgebers. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Fortbildungsmaßnahmen nach § 97 Abs. 2 BetrVG sind zu beachten.

[1] Dazu auch LAG Hessen, Urteil v. 19.7.1999, 16 Sa 1898/98, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 55 sowie Hunold, DB 2009 S. 846 ff.
[2] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182.
[3] NZA 2010, 625.
[4] Hierzu Herbert/Oberrath, DB 2010 S. 391, 393.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge