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Maßgebend ist im Ausgangspunkt immer noch, dass Arbeitnehmer ist, "wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags zur Arbeit im Dienst eines anderen verpflichtet ist".[1] Die Definition war weitgehend anerkannt, jedoch unvollkommen. Nunmehr ist in § 611a eine Bestimmung des Arbeitsvertrags aufgenommen worden. Inhaltlich knüpft § 611a an den Vertragstypus, also den Arbeitsvertrag, an und regelt nur mittelbar den Arbeitnehmerbegriff. So konnte die Einführung eines neuen Rechtsbegriffs, etwa der "Arbeitsleistungen"[2], vermieden werden, die Systematik des Besonderen Teils des BGB gewahrt werden und zugleich die von der Rechtsprechung geformte Typologie in Gesetzesform gegossen werden. Der jetzige § 611a gibt größtenteils sauber die bisherige Rechtsprechung wieder. Versteht man § 611a richtig, ändert sich an der bisherigen Rechtslage deshalb nichts. Zunächst übernimmt Abs. 1 Satz 1 vollständig und wortgetreu den Obersatz der Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff.[3] Maßgeblich ist die persönliche Abhängigkeit, die anhand von Hilfsindizien begründet werden muss. Es gibt keine notwendigen und keine hinreichenden Kriterien. Und: Die Sichtung des Einzelfalls ist erforderlich.[4] Schon mit der systematischen Stellung unmittelbar nach der allgemeinen Beschreibung des Arbeitnehmers in Satz 1 hebt der Gesetzgeber die Bedeutung des Weisungsrechts für die Einordnung eines Vertrags hervor. Dies entspricht der Rechtsprechung des BAG, das ebenfalls die Art des Weisungsrechts als wesentliches Kriterium heranzieht.[5]§ 611a Abs. 1 Satz 2 zufolge kann das Weisungsrecht Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Hier ist genauer hinzusehen. Zunächst entspricht diese Formulierung dem vom BAG vor Einführung des § 611a immer wieder zitierten Obersatz.[6] Auffällig ist im Vergleich zu § 106 GewO[7], dass auch die Durchführung als vom Arbeitgeber zu bestimmender Umstand aufgezählt wird. Letztlich dürften zuerst die Erfurter Richter und in der Folge der fleißig zitierende Gesetzgeber in § 611a nur umständlicher ausdrücken, was für den Rechtsanwender ohnehin klar ist: Das Weisungsrecht ist hinsichtlich Art und Umfang inhaltlich, zeitlich und örtlich zu prüfen. Ein weiteres Kriterium wird mit der Durchführung nicht aufgenommen.[8] Mit § 611a Abs. 1 Satz 3 hat der Gesetzgeber an anderer Stelle abgekupfert: § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB wurde einfach umgedreht. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Selbstständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. § 611a Abs. 1 Satz 3 gestaltet nur die Weisungsgebundenheit genauer aus, also ein Kriterium des Arbeitnehmerbegriffs. Die Vorschrift sagt also nicht, dass "Arbeitnehmer ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann", sondern bezieht dies allein auf ein Merkmal des Oberbegriffs Arbeitnehmer. Selbstverständliches enthalten § 611a Abs. 1 Sätze 4 und 5. Dass der Grad der persönlichen Abhängigkeit auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit abhängt, hat das BAG vielfach betont.[9] Auch die Notwendigkeit der Gesamtbetrachtung aller rechtlich relevanten Umstände im Einzelfall stellt sich als Selbstverständlichkeit dar, die nicht nur bei der Statusbestimmung gilt, sondern bei der richterlichen Bewertung eines jeden Falls.[10] Begrüßenswert ist hingegen die Regelung in § 611a Abs. 1 Satz 6: Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Dieser klare Satz dürfte in der Praxis von enormer Bedeutung sein. Wie oft hat der Arbeitsrechtler in der Praxis schon hören dürfen, dass doch "Freie Mitarbeit“ über dem Vertragsdokument stehe und damit die Rechtslage eindeutig sei – es gelte doch Vertragsfreiheit! Dieses Missverständnis wird mit einem raschen Blick ins Gesetz geklärt werden können. Gerade Arbeitnehmern dürfte diese Vereinfachung helfen, eigene Rechte durchzusetzen.[11] Was das Gesetz ausdrücklich sagt, muss häufig nicht erst mühsam erarbeitet und vor Gericht erstritten werden.

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