Rz. 49

Der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast kommt im Prozess erhebliche und häufig fallentscheidende Bedeutung zu. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt grds. beim Arbeitnehmer. Die Regel des § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, wonach der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, gilt außerhalb des KSchG nicht.[1]

 

Rz. 50

Außerhalb des KSchG hat der Arbeitnehmer die behaupteten Unwirksamkeitsgründe darzulegen und zu beweisen[2]; allerdings ist nach der Rechtsprechung von BVerfG und BAG der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Arbeitnehmers dadurch zu gewährleisten, dass insoweit die Grundsätze einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast Anwendung finden.[3] Danach gilt Folgendes (s. auch Rz. 36 ff.):

Im ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, der die zur Kündigung führenden Überlegungen regelmäßig nicht kennen wird, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Ergibt sich aus seinem Vorbringen ein Treueverstoß des Arbeitgebers, muss dieser nach § 138 Abs. 2 ZPO sich qualifiziert auf das Vorbringen des Arbeitnehmers einlassen, um es ggf. zu entkräften. Kommt der Arbeitgeber dieser sekundären Behauptungslast nicht nach, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Andernfalls hat der Arbeitnehmer die Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, zu beweisen.

Besteht allerdings eine Benachteiligungsvermutung, trägt der Kündigende die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Bei einer wegen des Alters vermuteten Benachteiligung ist die Darlegung und ggf. der Beweis von Tatsachen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben, und dass in dem Motivbündel das Alter keine Rolle gespielt hat.[4]

[2] BAG, Urteil v. 28.10.2010, 2 AZR 293/08, DB 2011, 118, Rz. 40.
[3] BVerfG, Beschluss v. 27.1.1998, 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169 ff., AP KSchG 1969 § 23 Nr. 17, unter B I 3 b cc der Gründe; BAG, Urteil v. 21.2.2001, 2 AZR 15/00, AP BGB § 242 Kündigung Nr. 12, DB 2001, 1677 ff.; BAG, Urteil v. 25.4.2001, 5 AZR 360/99, AP BGB § 242 Kündigung Nr. 14; BAG, Urteil v. 22.5.2003, 2 AZR 426/02, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18; BAG, Urteil v. 20.10.2010, 2 AZRR 392/08, DB 2011, 118, Rz. 40; Lettl, NZA-RR 2004, 57, 64 f.
[4] BAG, Urteil v. 23.7.2015, 6 AZR 457/14, NZA 2015, 1380-1340; krit. hierzu Bauer/von Medem, NJW 2016, 201-213; Domke/Nikolaus, DB 2016, 297 f.

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