3.1 Überblick über die Regelungen

Das PflegeZG basiert auf 2 Säulen:

  • Bei einer akut aufgetretenen Pflegesituation haben Beschäftigte das Recht, bis zu 10 Arbeitstage (COVID-19-pandemiebedingt bis zu 20 Arbeitstage) der Arbeit fernzubleiben, um für einen nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder die sofortige pflegerische Versorgung des betroffenen Angehörigen sicherzustellen (kurzzeitige Arbeitsverhinderung). Die Freistellung bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitgebers. Seit dem 1.1.2015 besteht nach § 44a SGB XI während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung ein Anspruch auf eine aus der Pflegeversicherung finanzierte Entgeltersatzleistung (Pflegeunterstützungsgeld), sofern kein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung besteht.
  • Zu einer längeren Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung können Berufstätige in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten bis zu 6 Monate Pflegezeit in Anspruch nehmen. Hierbei können Beschäftigte zwischen einer vollständigen und einer teilweisen Freistellung von der Arbeit wählen.[1] Auch für die Pflegezeit ist eine Zustimmung des Arbeitgebers nicht erforderlich.
  • Zur "Betreuung" eines minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen besteht seit 1.1.2015 – alternativ zur Pflegezeit – Anspruch auf eine bis zu 6-monatige Freistellung. Diese Freistellung kann auch zur Betreuung in außerhäuslicher Umgebung in Anspruch genommen werden.
  • Zur Sterbebegleitung können Beschäftigte seit 1.1.2015 eine bis zu 3-monatige Auszeit beanspruchen. Auch diese Auszeit setzt keine häusliche Pflege voraus, sondern ermöglicht auch die Sterbebegleitung im Hospiz.

Das PflegeZG enthält eigenständige Regelungen zu zahlreichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen (z. B. zu Voll- bzw. Teilfreistellung, Verminderung des Urlaubs, Kündigungsschutz, Befristungsregelungen, Schwellenwerten), die im Folgenden detailliert dargestellt werden.

Abweichende Regelungen unzulässig

Die Vorschriften des PflegeZG sind unabdingbar (§ 8 PflegeZG). Die Ansprüche können damit weder durch Tarifvertrag, Betriebs-/Dienstvereinbarung noch durch Arbeitsvertrag ausgeschlossen oder zum Nachteil der Beschäftigten verändert werden.

[1] Begründung des Referentenentwurfs, B. Besonderer Teil, zu Artikel 2. Information des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, http://www.bmas.de/coremedia/generator/21602/pflegezeitgesetz.html. Einzelheiten siehe unten, Ziffer 3.4.

3.2 Begriffsbestimmungen

3.2.1 Beschäftigte i. S. d. PflegeZG

Das PflegeZG enthält eine eigenständige, vom tariflichen Verständnis des Beschäftigtenbegriffs abweichende Definition der "Beschäftigten" i. S. d. PflegeZG. Anspruchsberechtigte Beschäftigte sind nach § 7 Abs. 1

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
  • die zur Berufsausbildung Beschäftigten sowie
  • arbeitnehmerähnliche Personen (näher Pkt. 3.4.6.4) und in Heimarbeit Beschäftigte.

Das PflegeZG erfasst nicht die Beamtinnen/Beamten. Diesbezüglich sind jedoch die beamtenrechtlichen Vorschriften mit entsprechender Zwecksetzung zu beachten. So ist hinsichtlich der Beamten nach § 44b BRRG durch Gesetz zu regeln, dass einem Beamten mit Dienstbezügen auf Antrag Urlaub ohne Dienstbezüge zu gewähren ist, wenn er mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder einen pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt, vorausgesetzt, dass zwingende dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Die Dauer des Urlaubs darf insgesamt 12 Jahre nicht überschreiten. So finden sich beispielsweise in § 74 Landesbeamtengesetz (LBG) Baden-Württemberg vom 9.11.2010 für die Beamtinnen und Beamten entsprechende Freistellungsregelungen zum Zwecke der Pflege (Fernbleiben vom Dienst bis zu 10 Arbeitstage, davon 9 Arbeitstage unter Belassung der Dienst- oder Anwärterbezüge, in einer akut aufgetretenen Pflegesituation; Urlaub ohne Dienstbezüge oder Teilzeitbeschäftigung zum Zwecke der Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung). Für die Bundesbeamten enthalten die §§ 92, 92a Bundesbeamtengesetz die Regelungen zur Pflegezeit und Familienpflegezeit.

3.2.2 Nahe Angehörige

Als "nahe Angehörige" definiert § 7 Abs. 3 PflegeZG in der seit 1.1.2015 gültigen Fassung

  • Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern,
  • Ehegatten, Lebenspartner einer nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eingetragenen Partnerschaft, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner,
  • Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder sowie Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten/Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.

Auch für die Pflege des Partners einer "eheähnlichen" oder "lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft" kann die kurzzeitige Arbeitsbefreiung und die Pflegezeit in Anspruch genommen werden.

Unter einer Lebensgemeinschaft wird das gemeinsame Leben, Wohnen und Wirtschaften zweier nicht miteinander verheirateter oder nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft stehenden Personen auf unbestimmte Zeit verstanden. Vorausgesetzt wird eine häusliche Gemeinschaft, die auf dem überein...

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