3.4.6.1 Überblick

Beschäftigte, die kurzzeitige Arbeitsverhinderung in Akutsituationen oder Pflegezeit bzw. Betreuungszeit in Anspruch nehmen, genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber darf das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung, höchstens jedoch 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zur Beendigung

  • der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG oder
  • der Freistellung zur häuslichen Pflege, Freistellung zur Betreuung minderjähriger Pflegebedürftiger bzw. Freistellung zur Sterbebegleitung nach § 3 PflegeZG

nicht kündigen (§ 5 Abs. 1 PflegeZG). Das Kündigungsverbot erfasst sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche und die Änderungskündigung.

Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde kann "in besonderen Fällen" – z. B. bei einer beabsichtigten Betriebsschließung – ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklären (§ 5 Abs. 2 PflegeZG).

Die Regelung zum besonderen Kündigungsschutz entspricht weitgehend dem Kündigungsverbot bei Mutterschutz und Elternzeit.

Die zuständige Behörde ist nach Landesrecht zu bestimmen. Beispielsweise wurde in Baden-Württemberg die Befugnis, nach § 5 Abs. 2 Satz 1 PflegeZG und § 9 Abs. 3 Satz 3 FPfZG die Kündigung ausnahmsweise für zulässig zu erklären, auf den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) übertragen.[55a]

[55a] § 1 der Verordnung des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg über die Zuständigkeiten nach dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz sowie über die Gebühr für die Erklärung der Zulässigkeit einer Kündigung vom 15.12.2008, GBl. 2009, 2 Gliederungs-Nr. 8003, geändert durch Verordnung des Sozialministeriums zur Änderung der Verordnung über die Zuständigkeiten nach dem Pflegezeitgesetz und über die Gebühr für die Erklärung der Zulässigkeit einer Kündigung vom 7.11.2012, GBl. vom 21.11.2012 S. 577.

3.4.6.2 Einsetzen des besonderen Kündigungsschutzes

Rechtslage ab 1.1.2015

Nach der bis 31.12.2014 gültigen Rechtslage setzte der besondere Kündigungsschutz bereits mit der Ankündigung der Pflegezeit ein. Insbesondere in Fällen, in denen ein Beschäftigter eine erhebliche Zeit vor dem geplanten Beginn der häuslichen Pflege die Pflegezeit angekündigt hatte, wurde streitig diskutiert, ob diesbezüglich eine Begrenzung des Kündigungsschutzes ggf. durch die Rechtsprechung vorgenommen werden müsse.

 
Wichtig

Zeitliche Begrenzung des Kündigungsschutzes

Mit Wirkung ab dem 1.1.2015 hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 PflegeZG eine Zeitbegrenzung für das Eintreten des Kündigungsschutzes aufgenommen. Der besondere Kündigungsschutz setzt ein mit der Ankündigung, höchstens jedoch 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn der Pflegezeit bzw. sonstigen Freistellung (Betreuung Minderjähriger, Sterbebegleitung). Mit der ab 1.1.2015 eingeführten zeitlichen Begrenzung des Kündigungsschutzes auf 12 Wochen vor Beginn hat der Gesetzgeber den berechtigten Interessen der Arbeitgeber Rechnung getragen und gleichzeitig die Beschäftigten in angemessenem zeitlichen Rahmen vor einer Kündigung geschützt.[1]

Rechtslage bis 31.12.2014

Bis zum 31.12.2014 setzte der besondere Kündigungsschutz bereits mit der Ankündigung der Pflegezeit ein. Insbesondere in Fällen, in denen ein Beschäftigter eine erhebliche Zeit vor dem geplanten Beginn der häuslichen Pflege die Pflegezeit angekündigt hatte, wurde streitig diskutiert, ob diesbezüglich eine Begrenzung des Kündigungsschutzes ggf. durch die Rechtsprechung vorgenommen werden müsse.[2] Ein Vergleich mit dem besonderen Kündigungsschutz bei Elternzeit wirft Fragen auf:

Die Elternzeit ist grundsätzlich mit einer Frist von 7 Wochen anzukündigen. Nach § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) setzt der besondere Kündigungsschutz bei Elternzeit ein "ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit".

Im Gegensatz hierzu sieht § 5 PflegeZG in der bis 31.12.2014 gültigen Fassung keine Höchstfrist für das Einsetzen des besonderen Kündigungsschutzes vor.

 
Praxis-Beispiel

Im Unternehmen findet im Februar 2014 eine Organisationsuntersuchung statt, in deren Verlauf deutlich wird, dass betriebsbedingte Kündigungen zu erwarten sind. Ein Beschäftigter erklärt, dass er im Oktober des Jahres 2014 seine pflegebedürftige Mutter aus dem Pflegeheim holen und selbst zuhause pflegen wird.

Voraussetzung für eine längerfristige Ankündigung der Pflegezeit ist, dass der nahe Angehörige nach der jetzigen Prognose zum geplanten Zeitpunkt des Beginns der Pflegezeit noch pflegebedürftig sein wird.

 

Eine instrumentalisierte Anwendung der Kündigungsschutzregelungen – z. B. in Krisensituationen eines Unternehmens – durch Ankündigung der Pflegezeit kann nicht ausgeschlossen werden.[3] Zu beachten ist diesbezüglich die weit reichende Definition des "nahen Angehörigen" in § 7 Abs. 3 PflegeZG, die dazu führt, dass nahezu in jeder Familie ein Pflegebedürftiger vorhanden sein dürfte.

Nach dem bis 31.12.2014 maßgeblichen Gesetzeswortlaut genießt die/der Beschäftigte bereits ab der Ankündigung der Pflegezeit den beson...

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