Entscheidungsstichwort (Thema)

Gratifikation. Weihnachtsgratifikation. Vorbehalt. Freiwilligkeitsvorbehalt. Willenserklärung. Auslegung. Schweigen. betriebliche Übung. Vertrauenstatbestand. Zinsen. Nettobetrag

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Arbeitnehmer, der einen Rechtsanspruch auf eine jährliche Weihnachtsgratifikation erworben hat, vor der Veröffentlichung des BAG-Urteils vom 26. März 1997 – 10 AZR 612/96 – der Einführung eines Freiwilligkeitsvorbehalts bei dieser Gratifikation nicht widersprochen, durfte der Arbeitgeber sein Schweigen nicht als Einverständnis mit dem Vorbehalt werten.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Urteil vom 15.08.1997; Aktenzeichen 1 Ca 410/97)

 

Tenor

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15. August 1997 – 1 Ca 410/97 – wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.071,82 DM brutto zu zahlen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits – beider Instanzen – hat die Beklagte zu tragen.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Gratifikation.

Der Kläger wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 7. März 1988 eingestellt. Er bezog – wie es in dem Betrieb üblich war – trotz fehlender Tarifbindung auf Seiten des Arbeitgebers von 1988 bis 1995 eine Sonderzuwendung nach Maßgabe der tariflichen Regelungen für die Metallindustrie. Die Zahlungen erfolgten bis 1990 ohne einen Vorbehalt, der auf die Freiwilligkeit der Leistung hindeutete.

Im Oktober 1991 verfaßte die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine interne Mitteilung zur Weihnachtsgeldzahlung (Bl. 65 d. A.), in der es hieß:

„wir informieren Sie hiermit über die Termine Ihrer Weihnachtsgeldzahlung. Diese Vergütung wird in freiwilliger Anlehnung an den Tarifvertrag über zu zahlende betriebliche Sonderzahlungen vorgenommen (…).

Wir weisen aus rechtlichen Gründen darauf hin, daß Weihnachtsgeldzuwendungen freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen sind, deren Gewährung einen Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründen.”

Im November 1993 und 1994 gab es zum Weihnachtsgeld Aushänge am schwarzen Brett, in denen davon die Rede war, daß diese Vergütung „in freiwilliger Anlehnung an den Tarifvertrag über zu zahlende betriebliche Sonderzahlungen” gezahlt werde.

Ein Aushang vom 1. November 1995 hatte u. a. folgenden Inhalt:

„wir informieren Sie hiermit über die Termine Ihrer Weihnachtsgeldzahlung 1995. Diese Vergütung wird als freiwillige betriebliche Leistung gewährt und begründet keine Rechtsansprüche für die Zukunft. Wir behalten uns vor, die gezahlte Weihnachtsgratifikation in voller Höhe, bis auf einen Restbetrag von Brutto DM 200,– zurückzufordern, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03.1996 durch Ihre Kündigung beendet werden sollte”.

Für 1992 sind keine Mitteilungen oder Aushänge im Zusammenhang mit dem Weihnachtsgeld vorgelegt oder behauptet worden.

1996 gab die Beklagte ihren Mitarbeitern mit Schreiben vom 26. November 1996 folgendes bekannt:

„Sehr geehrte Mitarbeiter,

mit aller Deutlichkeit möchte ich Ihnen heute nochmals mitteilen, daß, solange die ständig kostenverursachenden Blockierungspolitik des Betriebsrats stets vorangetrieben wird, eine Weihnachtsgeldzahlung in diesem Jahr nicht erfolgen kann.

Eine erneute Überlegung hierzu könnte zum 31.03.1997 erfolgen.

Dann wird die heutige Situation neu durchdacht sein”.

Dem Kläger wurde von der Beklagten zum 31. März 1997 gekündigt. Mit der Gehaltsabrechnung für Mai 1997 zahlte die Beklagte an die noch bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld für 1996 in Höhe von 50 % des Bruttolohnes, berechnet nach dem Lohn 1994. Der Kläger wurde, weil er zum 31. März 1997 ausgeschieden war, von dieser Zahlung ausgenommen.

Er begehrt entsprechend dem mit der IG-Metall u. a. für Schleswig-Holstein vereinbarten Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen vom 30. Oktober 1976, zuletzt geändert am 14. März 1994, für 1996 eine Sonderzahlung in Höhe von 60 % des tariflichen Monatsverdienstes nach dem Stand vom 31. Mai 1994 = 2.071,82 DM brutto.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.071,82 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Februar 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie verweist auf die Entscheidung des BAG vom 26. März 1997 – 10 AZR 612/96 – und sieht im Ausscheiden des Klägers einen triftigen Grund, ihn hinsichtlich der Nachzahlung von 50 % des Bruttolohnes anders zu behandeln als die im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer.

Die Beklagte beantragt,

die Entscheidung des Arbeitsgerichts Flensburg abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, daß den Aushängen der Jahre 1993 und 1994 kein eindeutiger Abkehrwille von der bisherigen betrieblich...

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