Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahl. Wahlanfechtung. Praktikant. Arbeitnehmer. Praktikant als Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Praktikanten sind als wahlberechtigte Arbeitnehmer bei der Wahl eines Betriebsrats zu berücksichtigen, wenn ihnen auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages berufliche Kenntisse, Fertigkeiten und Erfahrungen vermittelt werden sollen. Das ist nicht der Fall, wenn nur ein allgemeiner Einblick in das Arbeitsleben vermittelt werden soll, z.B. im Rahmen eines schulischen Betriebspraktikums.

Ein privatrechtlicher Vertrag ist auch zu bejahen, wenn der Praktikant in einem überbetrieblichen Ausbildungszentrum ausgebildet wird und die berufspraktische Ausbildung als Praktikum in einem Betrieb geleistet wird.

Wird der berufspraktischen Ausbildung eine „Schnupperphase” vorgeschaltet, die dazu dient, sich einen Eindruck darüber zu verschaffen, ob Betrieb und Praktikant sich für längere Zeit (hier: ein Jahr) aneinander binden wollen, liegt eine Probezeit im Rahmen des Praktikums vor. Auch in dieser Zeit soll der Praktikant die tägliche Arbeit kennen lernen und an ihr mitwirken.

Erhält der Praktikant seine Ausbildungsvergütung nicht vom Betrieb, steht dies der Einordnung als Arbeitnehmer nicht entgegen.

 

Normenkette

BetrVG § 9 Abs. 1, § 7 S. 1, § 5 Abs. 1, § 19

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Beschluss vom 31.10.2002; Aktenzeichen 5 BV 39 d/02)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 31. Oktober 2002 – 5 BV 39 d/02 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl eines Betriebsrates in der Betriebsstätte B. des Antragstellers und in diesem Zusammenhang über dessen Größe.

Der Antragsteller ist ein gemeinnütziger Verein, der in Schleswig-Holstein die sozialen Interessen von mehr als 70.000 Mitgliedern wahrnimmt. In B. betreibt er ein Erholungszentrum. Am 15.4.2002 war dort ein Betriebsobmann gewählt worden, der auf Anfechtung des Arbeitgebers zurücktrat. Der zur Durchführung der Neuwahlen bestellte Wahlvorstand erhielt mit Datum vom 27.5.2002 ein Wählerverzeichnis (Bl. 11 d.A.), das 22 Mitarbeiter aufwies. Der Wahlvorstand setzte danach die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder mit 3 fest. Mit Schreiben vom 21.06.2002 (Bl. 12 d. A.) beanstandete der Antragsteller die Wählerliste. Daraufhin strich der Wahlvorstand in der Wählerliste die unter Ziffer 9 aufgeführte Mitarbeiterin I. K., die wegen Erkrankung einen Auflösungsvertrag abgeschlossen hatte. Zugleich setzte er die Praktikantin N. L. neu hinzu. Später strich er die Praktikantin A. Z. von der Liste (Blatt 13. d. A.), so dass die Liste 21 Namen enthielt.

Frau L. war Auszubildende des Vereins A. M. e.V. und wurde im Ausbildungsberuf „Hauswirtschaftshelferin„ bei der Überbetrieblichen Ausbildungsstätte (ÜAS) M. ausgebildet. Vom 05.06.2002 bis zum 30.06.2002 absolvierte sie in der Betriebsstätte des Antragstellers ein vierwöchiges Praktikum, in Form einer sogenannten „Schnupperphase„. Eine derartige „Schnupperphase„ hatte der Antragsteller bereits im Jahr 2001 mit einer Praktikantin der ÜAS M. durchgeführt. Im Falle gegenseitiger Bewährung war ein einjähriges Praktikum im Betrieb B. für die Zeit ab 01.08.2002 vorgesehen. Frau L. nahm am 1.8.2002 ihr Praktikum auf. Während des Praktikums besuchte sie an einem Tag in der Woche die Berufsschule und an einem weiteren das ÜAZ M., so dass sie drei Tage in der Woche im Betrieb des Antragstellers tätig war.

Am 26.06.2002 wurde in der Betriebsstätte B. ein dreiköpfiger Betriebsrat gewählt. Das Wahlergebnis wurde am selben Tag per Aushang bekannt gemacht. (Bl. 8 d. A.). Diese Wahl hat der Antragsteller am 09.07.2002 per Telefax und am 10.07.2002 per Post beim Arbeitsgericht angefochten.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, in seiner B.er Betriebsstätte habe nur ein einköpfiger Betriebsrat gewählt werden dürfen. Frau L. sei als Praktikantin in der Schnupperphase nicht Mitarbeiterin des Betriebs im Sinne des BetrVG, sondern sei betriebsverfassungsrechtlich dem Ausbildungsträger, dem Verein Ausbildungsförderung e.V. M., zuzuordnen. Aus diesem Grund sei die Betriebsratswahl nichtig, jedenfalls aber unwirksam, da gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden sei.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass die Betriebsratswahl der Betriebsstätte „Erholungszentrum B.„ vom 26.06.2002 nichtig ist,

hilfsweise festzustellen, dass die Betriebsratswahl in der Betriebsstätte „Erholungszentrum B.„ vom 26.06.2002 unwirksam ist.

Der Beschwerdegegner hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Betriebsratsvorsitzende Herr W. habe vom Heimleiter des Erholungszentrums, Herrn Ma. H., eine Mitarbeiterliste erhalten, die die Namen von 22 Personen aufgewiesen habe. Die Betriebsratswahl sei weder nichtig noch unwirksam.

Mit Beschluss vom 31.10.2002, auf den hinsichtlich der Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Feststellungsanträge...

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