Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsfreie Erhöhung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Erhöhung der Wochenarbeitszeit einzelner Beschäftigter ist grundsätzlich als Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG zu werten, auch wenn dies dem umgangssprachlichen Wortsinn nicht in jeder Hinsicht entspricht.

2. Bei Erhöhung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit liegt ein mitbestimmungspflichtiger Sachverhalt erst dann vor, wenn die Arbeitszeit um 10 Stunden pro Woche erhöht wird; das gilt unabhängig von der bisherigen Arbeitszeit der betroffenen Beschäftigten.

3. Vereinbart die Arbeitgeberin mit mehreren Beschäftigten eine Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit und beteiligt sie den Betriebsrat nur, wenn die Erhöhung für die Dauer von mehr als einem Monat vorgesehen ist und mindestens 10 Stunden pro Woche beträgt, wird dem Betriebsrat bei der Arbeitszeiterhöhung ("Stundenhochstufung") kein Mitbestimmungsrecht entzogen.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 12.02.2015; Aktenzeichen 3 BV 22/14)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 12. Februar 2015, Az. 3 BV 22/14, wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht bei der Erhöhung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) betreibt in der Bundesrepublik Deutschland 79 Modegeschäfte. Der Beteiligte zu 1) ist der für die Filiale A. im Dezember 2013 neu gegründete Betriebsrat. In der Filiale werden 36 Arbeitnehmer beschäftigt; darunter 28 in Teilzeit.

Die Arbeitgeberin vereinbarte mit mehreren Arbeitnehmern eine Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Sie beteiligte den Betriebsrat nur, wenn die Erhöhung für die Dauer von mehr als einem Monat vorgesehen war und mindestens 10 Stunden pro Woche betrug. Mit Schriftsatz vom 24.06.2014 leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren ein. Er macht geltend, die Arbeitgeberin entziehe ihm bei der Arbeitszeiterhöhung ("Stundenhochstufung") jegliches Mitbestimmungsrecht.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

  1. der Arbeitgeberin aufzugeben, seine Mitbestimmungsrechte gem. § 99 BetrVG zukünftig auch bei Einstellungen in Form von Stundenhochstufungen von 5 Stunden und mehr zu beachten,
  2. auf jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1 der Arbeitgeberin - bezogen auf jeden Einzelfall - ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen,
  3. hilfsweise, festzustellen, dass er im vorliegenden Fall auch bei Stundenhochstufungen zwischen 5 und 10 Stunden pro Woche, die für einen Zeitraum von mehr als einem Monat vorgesehen sind, ein Mitbestimmungsrecht gem. § 99 BetrVG hat.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 12.02.2015 die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Der Hauptantrag sei bereits unzulässig, jedenfalls seien sämtliche Anträge unbegründet. Soweit der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Stundenhochstufungen auch unter 10 Wochenstunden festgestellt haben wolle, stehe dem die Rechtsprechung des BAG klar entgegen: Das BAG habe im Beschluss vom 09.12.2008 (1 ABR 74/07) unmissverständlich klargestellt, dass eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung bei einer Erhöhung der Arbeitszeit erst dann vorliege, wenn diese für die Dauer von mehr als einem Monat vorgesehen sei und mindestens 10 Stunden pro Woche betrage. An diese Rechtsprechung halte sich die Arbeitgeberin unstreitig. Anhaltspunkte für eine bewusste Umgehung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien weder vortragen noch sonst ersichtlich.

Gegen diesen Beschluss, der ihm am 06.03.2015 zugestellt worden ist, hat der Betriebsrat mit am 26.03.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 05.05.2015 begründet.

Der Betriebsrat macht geltend, er habe im ersten Jahr seiner Tätigkeit feststellen müssen, dass die Arbeitgeberin offensichtlich versuche, jegliches Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG bereits dem Grunde nach zu vermeiden. Zu diesem Zweck nehme sie bei den jeweiligen Arbeitnehmern grundsätzlich nur Arbeitszeiterhöhungen von bis zu 10 Stunden pro Woche vor. Die Arbeitgeberin habe im Jahr 2014 (bis zum 26.11.2014) insgesamt 27 Stundenhochstufungen vorgenommen. Hierüber habe sie ihn lediglich informiert. Das Arbeitsgericht habe die von ihm vorgelegte Auflistung nicht überprüft. Ansonsten wäre aufgefallen, dass allein bei 20 aufgelisteten Änderungsdaten drei Arbeitnehmerinnen (L., Th. und T.) betroffen gewesen seien, die jeweils drei Veränderungen ihrer Arbeitszeit erfahren hätten. Letztlich ergebe sich aus dem weitgehend unstreitigen Sachverhalt, dass die Arbeitgeberin im Anschluss an die Entscheidung des BAG vom 09.12.2008 (1 ABR 74/07) ihre Personaldisposition so umgestellt habe, dass seine Mitbestimmungsrechte umgangen ...

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