Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Betriebsrats. Erhöhung des vertraglich vereinbarten Arbeitszeitvolumens. Einstellung i. S. v. § 99 BetrVG. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Erhöhung der Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Erhöhung des einzelvertraglich vereinbarten Arbeitszeitvolumens kann eine Einstellung i.S.v. § 99 BetrVG darstellen, wenn sie nach Umfang und Zeitdauer als nicht unerheblich anzusehen ist. Als dem Umfang nach nicht unerheblich anzusehen ist eine Erhöhung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers um mehr als 10 Stunden wöchentlich.

 

Normenkette

BetrVG § 99; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Beschluss vom 12.05.2006; Aktenzeichen 1 BV 7/06)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 09.12.2008; Aktenzeichen 1 ABR 74/07)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeits-gerichts Flensburg vom 12.05.2006 – 1 BV 7/06 – teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2. den Antragsteller nach § 99 BetrVG zu beteiligen hat, bevor sie die Arbeitszeit der Arbeitnehmer, die als Stundenlöhner und/oder Teilzeitkraft beschäftigt werden, von 20 Stun-den pro Woche auf 37,5 Stunden pro Woche arbeitsvertraglich erhöht bzw. tatsächlich mit der erhöhten Arbeitszeit beschäftigt, sofern die Dauer der Arbeitszeiterhöhung einen Monat übersteigt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei Erhöhung der vertraglich geschuldeten Ar-beitszeit von Teilzeitkräften ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG besteht.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin (Arbeitgeberin) betreibt Bekleidungsgeschäfte. An-tragsteller ist der für die Niederlassung F… gewählte Betriebsrat (Betriebsrat). In der F… Filiale sind etwa 38 Arbeitnehmer beschäftigt.

Diese arbeiten auf der Grundlage unterschiedlicher Arbeitsverträge. So gibt es Ar-beitsverträge für Vollzeitarbeitnehmer, Teilzeitarbeitnehmer, und Jahreszeitarbeit-nehmer. In der Niederlassung sind auch geringfügig Beschäftigte und so genannte Stundenlöhner tätig. Verträge werden sowohl befristet als auch unbefristet geschlos-sen. Die wöchentliche Mindeststundenzahl beträgt derzeit 8 Stunden.

Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 06.08.2003 (Anlage AST 1 = Bl. 6 d.A.) der Arbeitgeberin Folgendes mitgeteilt:

„Liebe M…,

Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 05.08.03 gemäß § 93 BetrVG be-schlossen, dass Arbeitsplätze, die in unserer Filiale neu zu besetzen sind vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebes ausgeschrieben werden sollen.

Wir wollen damit erreichen, dass unsere eigenen Mitarbeiter so verstärkt auf mögliche Chancen der Veränderung und Alternativen aufmerksam gemacht werden und diese dadurch noch besser für sich nutzen können”.

Mit Antrag vom 28.12.2005 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur befristeten Einstellung von Frau Stefanie P… als Teilzeitkraft mit 20 Stunden/Woche und dem Zusatz „SDL” (Anlage AST 2 = Bl. 7 f.). Der Betriebsrat stimmte der Einstel-lung zu.

Nachdem Frau P… zwei Wochen tätig war, stockte die Arbeitgeberin die wöchentli-che Arbeitszeit für einen Zeitraum von zwei Monaten von 20 auf 37,5 Stunden auf. Dies teilte sie dem Betriebsrat lediglich mit, ohne ein Verfahren gemäß § 99 BetrVG einzuleiten. Hintergrund der Maßnahme war ein personeller Engpass, der durch ein gegenüber der Filialassistentin ausgesprochenes Beschäftigungsverbot entstanden war.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass er in Fällen, in denen die wöchent-liche Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten um mindestens 8 Stunden erhöht wird, gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen sei, wenn die Arbeitszeiterhöhung einen Monat übersteigt. Zur Begründung hat er sich insbesondere auf die Entscheidung des 1. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 25.01.2005 (1 ABR 59/03) berufen und bean-tragt:

  1. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller nach § 99 BetrVG zu beteiligen hat, bevor sie die Arbeitszeit der Arbeitneh-mer, die als „Stundenlöhner” und/oder Teilzeitkraft beschäftigt werden, um 8 Stunden je Woche arbeitsvertraglich erhöht bzw. tatsächlich mit der erhöhten Arbeitszeit beschäftigt, sofern die Dauer der Arbeitszeiter-höhung einen Monat übersteigt. Hilfsweise
  2. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller nach § 99 BetrVG zu beteiligen hat, bevor sie die Arbeitszeit der Arbeitneh-mer, die als „Stundenlöhner” oder/und Teilzeitkraft beschäftigt werden, um 8 Stunden je Woche arbeitsvertraglich erhöht bzw. tatsächlich mit der erhöhten Arbeitszeit beschäftigt, sofern die Dauer der Arbeitszeiterhö-hung einen Monat übersteigt und die Antragsgegnerin die dadurch be-setzte Stelle zuvor nach § 93 BetrVG ausgeschrieben hat oder der An-tragsteller eine Ausschreibung nach § 93 BetrVG verlangt hat.

Die Arbeitgeberin hat zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Ansicht ver-treten, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG bestehe in die-sen Fällen nicht. Die Entscheidung des 1. Senats...

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