Entscheidungsstichwort (Thema)

Passivrauchen am Arbeitsplatz - Nichtraucherschutz aufgrund einstweiliger Verfügung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Anspruch des Nichtrauchers gegen seinen Arbeitgeber auf Schutz vor dem Tabakrauch seiner im gleichen Arbeitsraum tätigen Arbeitskollegen ist unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes gemäß § 618 BGB im Grundsatz jedenfalls dann zu bejahen, wenn das Passivrauchen aufgrund einer ungünstigen gesundheitlichen Disposition (Atemwegserkrankung, spezielle Allergie) zu einer laufenden gesundheitlichen Beeinträchtigung des betroffenen Nichtrauchers führt, die sich nachteilig auf seine Arbeitsleistung auswirkt oder eine Verschlechterung des ohnehin angegriffenen Gesundheitszustandes bewirken kann.

2. Der Anspruch auf Gesundheitsschutz ist nicht absolut. Er besteht nur soweit, "als die Natur der Dienstleistung es gestattet" (§ 618 Abs 1 BGB). Entscheidend ist, was nach dem Stand der Technik und den betrieblichen Verhältnissen an Schutzmaßnahmen möglich ist und dem Arbeitgeber zumutbar ist.

In Betracht kommen ein Rauchverbot (soweit es beim Betriebsrat durchsetzbar ist), eine Verbesserung der Raumbelüftung oder eine Versetzung in einen tabakrauchfreien/-armen Arbeitsraum.

3. Maßnahmen zum Gesundheitsschutz sind gerichtlich einklagbar.

4. Ist eine aktuelle besondere Gesundheitsgefährdung glaubhaft gemacht, kann im Wege der einstweiligen Verfügung als vorübergehende Maßnahme eine teilweise Arbeitsfreistellung in Frage kommen.

5. Ob ein Anspruch des Nichtrauchers gegen den Arbeitgeber auf Schutzmaßnahmen vor Tabakrauch bei bloßer Belästigung oder bei nur langfristig befürchteten Gesundheitsschäden besteht, bleibt dahingestellt. Jedenfalls rechtfertigen derartige Beeinträchtigungen nicht den Erlaß einer einstweiligen Verfügung.

 

Normenkette

BGB § 618; ZPO §§ 935, 940, 938 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 29.12.1989; Aktenzeichen 33 Ga 197/89)

 

Tenor

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.12.1989 – 33 Ga 197/89 – wird – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen – abgeändert.

2. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller unter Fortzahlung des Gehalts von der Arbeit im Arbeitsraum MUC SE Nr. 302 freizustellen, soweit sie pro Arbeitstag über 4 Stunden hinausgeht,

a) bis zur Rechtskraft eines Urteils erster Instanz bzw. bis zur Verkündung eines Urteils des Berufungsgerichts im Hauptsacheverfahren (22 Ca 13047/89),

b) längstens jedoch bis

aa) im Arbeitsraum MUC SE Nr. 302 durch ein Rauchverbot oder durch technische oder organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, daß in der Raumluft an dem vom Antragsteller einzunehmenden Arbeitsplatz der Gehalt an Kohlenmonoxid aus Tabakrauch 1,5 ppm nicht überschritten wird, was durch ein technisches Sachverständigengutachten nachzuweisen ist, oder

bb) dem Antragsteller von der Antragsgegnerin ein seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechender Arbeitsplatz im Flughafen M. mit Zustimmung des Betriebsrats angeboten wird, an dem der Antragsteller keinen Tabakrauch über 1,1 ppm Kohlenmonoxidgehalt in der Raumluft ausgesetzt ist, wobei der Antragsteller verpflichtet wird, einen derartigen Arbeitsplatz für die Dauer des Hauptsacheverfahrens (22 Ca 13047/89) unter Vorbehalt anzunehmen.

3. Von den Kosten des Verfahrens – beider Rechtszüge – trägt der Antragsteller 1/3, die Antragsgegnerin 2/3.

 

Tatbestand

Der Antragsteller beantragt, daß das Gericht seiner Arbeitgeberin durch einstweilige Verfügung aufgibt, Maßnahmen zum Schutz seiner Gesundheit vor dem Tabakrauch seiner im gleichen Arbeitsraum tätigen Arbeitskollegen zu ergreifen.

Der 46 Jahre alte Antragsteller steht seit 1.8.1972 zur Antragsgegnerin, einer Fluggesellschaft, als Angestellter im Arbeitsverhältnis. Er war zunächst in der Flugabfertigung tätig. Dann erlitt er eine Schwerbehinderung, die ihn an den Rollstuhl bindet. Seit 1.7.1987 ist er als Disponent in der Einsatzplanung (Verkehrsleitung) der Antragsgegnerin im Flughafen M. … tätig.

Die Arbeit findet in einem ca. 65 qm großen Raum bei gleichzeitiger Anwesenheit von regelmäßig 6 Arbeitnehmern statt, die an einem U-förmigen Tisch sitzen. Der Raum ist mit einer Klimaanlage ausgestattet. Der Arbeitseinsatz erfolgt im Wechselschichtdienst von 32 Arbeitnehmern in der Zeit zwischen 5.15 Uhr und 24.00 Uhr.

Der Antragsteller, der Nichtraucher ist, fühlt sich durch den Tabakrauch, den seine Arbeitskollegen durch Zigarettenrauchen in dem Arbeitsraum erzeugen, in seiner Gesundheit beeinträchtigt. Da außergerichtliche Bemühungen erfolglos blieben, hat der Antragsteller seine Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht München darauf verklagt, ihm einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Nach dem Scheitern der Güteverhandlung am 18.12.1989 wurde der nächste Termin zur mündlichen Verhandlung in dieser Hauptsacheklage auf den 14.3.1990 bestimmt.

Mit seinem am 18.12.1989 eingereichten Antrag hat der Antragsteller im vorliegenden Verfahren geltend gemacht, daß das Passivrauchen zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens, der L...

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