Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen vieler Einzelverstöße

 

Leitsatz (amtlich)

Bei vielen Einzel-Pflichtverletzungen, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen können, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte. Die Dokumentationsfunktion der Abmahnung hat gerade zum Gegenstand, dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1; BGB § 314

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 08.08.2017; Aktenzeichen 5 Ca 4157/16)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.08.2017 - 5 Ca 4157/16 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.11.2016 nicht beendet worden ist.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 30.08.2016 wegen fehlender Nebentätigkeitsgenehmigung ersatzlos aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
    3. Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, in einem zeitlichen Umfang von 2- 3 Wochenstunden als Geschäftsführer der S + C . Z I GmbH tätig zu werden.
    4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    5. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

  • III.

    Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

  • IV.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat zu 1/3 der Kläger und zu 2/3 die Beklagte zu tragen.

  • V.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung, um Weiterbeschäftigung, um die Entfernung zweier Abmahnungen, um die Genehmigung einer Nebentätigkeit und um einen Auflösungsantrag.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 08.08.2017 Bezug genommen und im Folgenden nur noch kursorisch zusammengefasst (vgl. Schwab in Schwab/Weth ArbGG § 69 Rn. 27 und BAG v. 24.03.2011 - 2 AZR 170/10). Diese Verkürzung geschieht insbesondere mit Blick auf den inzwischen mit Schriftsatz vom 04.10.2018 erklärten Rechtsmittelverzicht der Beklagten und nur soweit nicht die Anschlussberufung des Klägers betroffen ist.

Der Kläger war bei Klageerhebung 52 Jahre alt, verheiratet und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.06.2011 ist er bei der Beklagten beschäftigt. Hier war er zunächst als Referent in der Abteilung fachliches IT Management tätig und nach einer Versetzung am 24.04.2014 als Referent in der Abteilung Konzernservice. Die Beklagte ist ein Servicedienstleistungsunternehmen und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Nach den Regelungen des Arbeitsvertrages sind Nebentätigkeiten verboten. Es existieren kollektive Regelungen für die Arbeitszeit und - bei Entgelten von über 60.000,00 EUR im Jahr - über Vertrauensarbeitszeit. Zuletzt erzielte der Kläger ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 7.332,57 EUR also weit mehr als 60.000,00 EUR pro Jahr.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 18.05.2016 errichtete der Kläger eine GmbH, deren Gegenstand die Immobilienberatung, die Immobilienvermittlung, die Verwaltung von Immobilien sowie die Entwicklung von Immobilienprojekten im In- und Ausland sein soll. Am 26.05.2016 wurde diese Gesellschaft im Handelsregister eingetragen. Am 02.06.2016 zeigte der Kläger der Beklagten auf einem Formularvordruck eine Nebentätigkeit in dem besagten Gewerbe an und teilte dabei mit, die Nebentätigkeit erfordere einen Zeitaufwand von 2 bis 3 Stunden wöchentlich. Mit Schreiben vom 09.06.2016 erteilte die Beklagte ihre Zustimmung. Mit Blick auf eine der beiden Abmahnungen vom 30.08.2016 ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger seine Nebentätigkeit rechtzeitig angezeigt hat und ob nicht schon vorher eine Nebentätigkeit entfaltet worden war.

Mit Email vom 03.08.2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, er sei bis zum Ende der Woche arbeitsunfähig. Am Montag, dem 08.08.2016, erschien der Kläger zur Arbeit und nahm unter anderem an einer Teamsitzung teil. Am Abend des 08.08.2016 um 18:08 Uhr teilte die Teamleiterin dem Kläger mit, "dass man sich morgen früh um 9:00 Uhr im Büro sehe". Am nächsten Morgen, dem 09.08.2016, schrieb der Kläger um 8:59 Uhr, also eine Minute vor Beginn des avisierten Meetings an die Teamleiterin, er sei "heute leider krank". Mit Email der Teamleiterin vom gleichen Tag wurde der Kläger aufgefordert, ab jetzt ab dem ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.

In einem Gespräch zwischen dem Kläger und seiner Teamleiterin sowie dem weiteren Vorgesetzten E am 10.08.2016 wurde der Kläger angewiesen, ab jetzt im Bereich Druck/Versand/Logistik (DVL) zu arbeiten. Mit Email vom 11.08.2016 teilte der Kläger mit, dass die ihm dort zugewiesene Tätigkeit nicht die Tätigkeit eines Referenten sei. Nachdem am 30.08.20...

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