Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Urteil vom 25.06.1997; Aktenzeichen 3 Ca 3325/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 25.06.1997 – 3 Ca 3325/96 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung der Beklagten und die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der am 13.11.1952 geborene, verheiratete Kläger, der einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, ist seit dem 13.05.1976 bei der Beklagten tätig. Er war zuletzt als Maschinensteiger unter Tage auf dem Bergwerk W. zu einer monatlichen Vergütung von 7.700,– DM brutto eingesetzt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

Am 02.04.1995 wurde der Kläger Augenzeuge eines tödlichen Betriebsunfalls. Ein Mitarbeiter, den er auf Geheiß des Vorgesetzten S. zur Leistung von Überstunden herangezogen hatte, geriet nur einen Meter von ihm entfernt unter eine Schürfwalze. Der Kläger konnte nur noch den Tod des Mitarbeiters feststellen, dessen Unterkörper und Beine fast abgetrennt waren.

Am 13.10.1996 suchte der Kläger gegen 17.50 Uhr seinen Vorgesetzten S. in dessen Wohnung auf. Sie verabredeten sich an einem nahegelegenen Bahngelände. Als der Vorgesetzte kurze Zeit später dort erschien, konnte er den Kläger zunächst nicht sehen. Nach mehrmaligem Rufen kam der Kläger schließlich in schnellen Schritten auf ihn zu. Als beide sich gegenüberstanden, begann der Kläger, den Vorgesetzten zu beschimpfen. Er rief unter anderem „Wer meinen Hund, meine Frau und meine Kinder fertigmachen will, der will auch mich fertigmachen” und bedrohte den Vorgesetzten mit den Worten „Ich niete dich um”. Ob der Kläger eine Schußwaffe bei sich führte, damit in die Luft schoß und die Waffe auf den Vorgesetzten richtete, ist zwischen den Parteien streitig. Der Vorgesetzte S. entfernte sich langsam rückwärts und rannte schließlich davon. Er verständigte die Polizei, die den Kläger anschließend in seiner Wohnung vorläufig festnahm. Eine beim Kläger um 21.10 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,19 Promille; eine um 21.43 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 2,14 Promille.

Am nächsten Tag suchte der Kläger seinen Hausarzt auf, am übernächsten Tag einen Arzt für Neurologie und Psychiatrie. In der Zeit vom 21.10.1996 bis zum 06.11.1996 unterzog er sich wegen einer Alkoholerkrankung einer stationären psychiatrischen Behandlung in der Fachklinik St. Camillus. Er besucht seitdem mit regelmäßigen Kontakten die Suchtberatungsstelle und eine Selbsthilfegruppe.

Mit Schreiben vom 14.10.1996 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30.06.1997.

Mit seiner am 16.10.1996 beim Arbeitsgericht Duisburg eingegangenen und der Beklagten am 22.10.1996 zugestellten Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung begehrt.

Er hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung bestritten und die Auffassung vertreten, der Vorfall vom 13.10.1996 rechtfertige nicht die Auflösung seines langjährigen Arbeitsverhältnisses. Insoweit hat er ausgeführt, durch den Betriebsunfall im April 1995 habe er einen tiefen Schock erlitten. Er sei seitdem in Depressionen verfallen und habe zunehmend dem Alkohol zugesprochen. Dies habe zur Alkoholabhängigkeit geführt. Das Verhältnis zu seinem Vorgesetzten S. sei zuletzt sehr gespannt gewesen, da er ihn für mitverantwortlich an dem Unfall gehalten habe.

Am 13.10.1996 habe er anläßlich des Geburtstages seiner Ehefrau reichlich Alkohol konsumiert. Aufgrund der nach 21.00 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration sei davon auszugehen, daß er zum Zeitpunkt des Vorfalls ca. 2,99 Promille gehabt habe. Damit sei er nur vermindert schuldfähig, wenn nicht sogar schuldunfähig gewesen. An die Einzelheiten der Auseinandersetzung mit dem Vorgesetzten könne er sich alkoholbedingt nicht mehr erinnern. Jedenfalls habe er ihn nicht mit einer Schußwaffe bedroht. Zwar besitze er als Jäger Schußwaffen, er habe aber am fraglichen Tag keine Waffe bei sich geführt. Zu dem Durchbruch aggressiver Momente sei es nur unter dem Einfluß des hohen Alkoholspiegels gekommen. Er habe sein Fehlverhalten sofort eingesehen und sich in ärztliche Behandlung begeben, um die möglichen Risikofaktoren, die durch einen erhöhten Alkoholgenuß über längere Zeit bestanden hätten, auszuräumen. Wie den von ihm vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen zu entnehmen sei, bestehe eine Wiederholungsgefahr nach dem einmaligen Affektdurchbruch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch das Kündigungsschreiben vom 14.10.1996, zugestellt am 15.10.1996, weder fristlos noch fristgemäß zum 30.06.1997 aufgelöst wird,
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziff. 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen als Maschinensteiger un...

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