Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Betriebsstilllegung. Sozialauswahl

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kündigt ein Arbeitgeber unter Hinweis auf eine zum nächst möglichen Zeitpunkt nach Abarbeitung der Aufträge beabsichtigte Betriebsstilllegung, die bereits greifbare Formen angenommen hat (und tatsächlich spätestens bis zum Ablauf der längsten Kündigungsfrist Ende Oktober des Jahres vollzogen wird), im März des Jahres einheitlich sämtliche Arbeitnehmer zu den im einzelnen geltenden Kündigungsfristen, dann bedarf es zur Begründung jeder einzelnen Kündigung im Regelfall keines konkreten Sachvortrags, warum gerade für den einzelnen Arbeitnehmer zum Ablauf der Kündigungsfrist keine – zeitlich ohnehin nur noch befristete – Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht.

2. In einer solchen Konstellation ist eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG nicht notwendig.

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweis der Geschäftsstelle

Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in 7facher Ausfertigung bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 24.08.2000; Aktenzeichen 12 Ca 10185/00)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 07.03.2002; Aktenzeichen 2 AZR 147/01)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 24.08.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 12 Ca 10185/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die die Beklagte dem Kläger unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe am 20. März 2000 zum 30. Juni 2000 ausgesprochen hat.

Der Kläger war seit dem 24. September 1985 mit Unterbrechungen im Tief- und Rohrleitungsbaubetrieb der Beklagten als Bauarbeiter mit einem Bruttolohn von zuletzt 4.396,56 DM im Monat beschäftigt.

Am 16. März 2000 fasste der alleinige Gesellschafter der Beklagten einen schriftlich niedergelegten Beschluss, in dem es u. a. heißt:

„…

Es wird beschlossen, dass der operative Geschäftsbetrieb der (Beklagten) zum nächstmöglichen Zeitpunkt wegen Unrentabilität eingestellt wird. Zur Umsetzung dieser Maßnahme ist gegenüber allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung unter Einhaltung der jeweiligen individuellen Kündigungsfrist auszusprechen.

Die vorhandenen Aufträge für die derzeit noch laufenden Bauvorhaben sind mit den innerhalb ihrer Kündigungsfrist noch zur Verfügung stehenden gewerblichen Mitarbeitern abzuarbeiten. Die Akquisetätigkeit ist einzustellen. Neue Aufträge sollen nicht mehr hereingenommen werden. Allenfalls solche Aufträge, die von den vorhandenen Mitarbeitern innerhalb ihrer Kündigungsfrist abgearbeitet werden können, können ausnahmsweise auf direkte Nachfrage des Bauherren, z. B. im Falle von Nachträgen hereingenommen werden. Diese sind jedoch in jedem Einzelfall mit der Geschäftsführung detailliert abzustimmen.

Sämtliche Betriebsmittel sind zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu verkaufen. Insbesondere die bereits jetzt nicht mehr benötigten großen Rohrvortriebsanlagen sollen schnellstmöglich verkauft werden. Die übrigen Betriebsmittel sind in Abstimmung mit den Baustellen zu deren jeweiligen Endterminen auf dem freien Markt anzubieten.

Hinsichtlich der Firmengrundstücke sind die Verkaufsverhandlungen bezüglich des Grundstücks in L. schnellstmöglich zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Gleiches gilt für die Vermietungsbemühungen des Firmengrundstückes in der Säntisstraße.”

Die Beklagte kündigte sodann sämtlichen Arbeitnehmern unter dem 17. März 2000, wobei sie die jeweils einzuhaltenden Kündigungsfristen beachtete.

Mit Bescheid vom 19.05.2000 genehmigte das Arbeitsamt Berlin Süd die angezeigten Entlassungen von 16 Arbeitnehmern zum 31.05., acht Arbeitnehmern zum 30.06. und 12 Arbeitnehmern zum 31.05. innerhalb der Freifrist vom 13.05. bis 10.08.2000. Die ebenfalls von der Beklagten angezeigten Entlassungen von zwei Arbeitnehmern zum 15.04. und vier Arbeitnehmern zum 30.04. sah es gemäß § 17 Abs. 1 KSchG nicht als anzeigepflichtig an. Für die weiter angezeigten Entlassungen von sieben Arbeitnehmern zum 31.08., acht Arbeitnehmern zum 30.09. und acht Arbeitnehmern zum 31.10.2000 verlangte es eine neue Entlassungsanzeige mit Eingang spätestens einen Monat vor dem Entlassungstag.

Mit der am 05. April 2000 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die soziale Rechtfertigung der Kündigung vom 17.03.2000 gewandt. Er hat die von der Beklagten behaupteten Beschäftigungsmöglichkeiten bzw. deren Wegfall bestritten und die Sozialauswahl gerügt, insbesondere weil zahlreiche Arbeitnehmer nach Ablauf ihrer Kündigungsfrist noch weiterbeschäftigt worden seien durch Verlängerung ihrer Verträge.

Dem ist die Beklagte mit Vortrag zur Umsetzung ihrer unternehmerischen Entscheidung über die Betriebsstilllegung entgegengetreten. Sie habe eine ihrer großen Vortriebsanlagen bereits verkaufen können. Bezüglich des übrigen Anlagevermögens, bestehend ...

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