Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifkonkurrenz Verbandstarifvertrag. firmenbezogener Verbandstarifvertrag. Gleichstellungsabrede und Tarifwechselklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, die die tarifvertraglichen Regelungen für die Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg in Bezug nimmt, erfasst auch einen von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossenen firmenbezogenen Ergänzungstarifvertrag.

2. Ein solcher firmenbezogener Verbandstarifvertrag verdrängt während seiner Laufzeit in seinem Anwendungsbereich die Flächentarifverträge nach den Regeln der Tarifkonkurrenz.

3. Daran ändert nichts, dass der firmenbezogene Ergänzungstarifvertrag die Tarifverträge eines anderen Tarifbezirks (auch eines anderen Bundeslandes) für anwendbar erklärt. Eine arbeitsvertragliche „Tarifwechselklausel” ist hierfür nicht erforderlich.

 

Normenkette

TVG §§ 1, 3; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 02.06.2004; Aktenzeichen 24 Ca 9723/03)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom02.06.2004 – Az.: 24 Ca 9723/03 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob für das Arbeitsverhältnis weiterhin die Flächentarifverträge für die Beschäftigten der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden Anwendung finden.

Der nicht tarifgebundene Kläger wurde mit Wirkung vom 01.01.1971 als technischer Zeichner bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die – wie auch die Beklagte selbst – mit ihren Betrieben jeweils Mitglied im regionalen Tarifverband der Metall- und Elektroindustrie war, eingestellt. Zuletzt war er als Angebotskalkulator tätig. Bestandteil des Arbeitsvertrages gemäß Einstellungsvereinbarung vom 04.12.1970 sind

„in ihrer jeweils gültigen Fassung:

a) die tarifvertraglichen Regelungen für die Angestellten in Baden-Württemberg der Metallindustrie…”.

Am 11.06.2003 und am 30.09.2003 schlossen unter anderem S. und die I. Bezirksleitung Baden-Württemberg vor dem Hintergrund einer „wirtschaftlich stark angespannten Lage der Beklagten” firmenbezogene Ergänzungstarifverträge, die die Erhöhung der tariflichen Löhne und Gehälter zum 01.06.2003 aussetzte und – dem Grunde nach – ab 01.01.2004 die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hessen für anwendbar erklärten (ABl. 78 ff. d. erstinstanzlichen Akte). Dem Kläger wurde mit Schreiben vom 22.12.2003 mitgeteilt, dass seine Tätigkeit der Tarifgruppe T 502 des Gehaltsrahmentarifvertrags für Angestellte der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes H. in der Fassung vom 01.04.1990 eingruppiert sei (Abl. 109 der erstinstanzlichen Akte).

Der Kläger meint, die Ergänzungstarifverträge seien auf sein Arbeitsverhältnis nicht anwendbar. Der Arbeitsvertrag nehme auf die Flächentarifverträge der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden Bezug. Selbst wenn es sich dabei um eine Gleichstellungsabrede handele, rechtfertige dies nicht einen (räumlichen) Tarifwechsel. Der Kläger beansprucht deshalb – der Höhe nach unstreitig – die ab 01.06.2003 in Baden-Württemberg tarifvertraglich vereinbarten Lohnerhöhungen sowie die ungekürzte Sondervergütung und den Zusatzurlaub ab 25-jähriger Betriebszugehörigkeit. Außerdem wendet er sich gegen die Umgruppierung gemäß Schreiben vom 22.12.2003.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Ergänzungstarifverträge auf das Arbeitsverhältnis für anwendbar erklärt. Nach Sinn und Zweck der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme handele es sich um eine Gleichstellungsabrede. Auch die tarifgebundenen Arbeitnehmer seien an die Ergänzungstarifverträge gebunden. Eine Besserstellung des Klägers gegenüber den organisierten Arbeitnehmern konterkariere aber den Sinn der Bezugnahmeklausel.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 02.06.2004 Bezug genommen. Gegen diese dem Kläger am 22.06.2004 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 21.07.2004 bei Gericht eingegangene und innerhalb der bis 30.09.2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit bei Gericht am 28.09.2004 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.

Er meint unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, eine Gleichstellungsabrede ersetze lediglich die fehlende Tarifbindung des Klägers, entfalte jedoch nur im Geltungsbereich des in Bezug genommenen Tarifvertrages eine rechtliche Funktion. Wolle der Arbeitgeber auch einen Tarifwechsel erreichen, müsse er eine „große dynamische Klausel” vereinbaren. Im Übrigen setze die Annahme einer Gleichstellungsabrede die Tarifeinheit im Unternehmen bei Vertragsschluss voraus. Dies sei bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht der Fall gewesen, weil das in Bezug genommene Tarifwerk erst vom Arbeitgeber im Arbeitsvertragsformular ausgefüllt worden sei. Die Darlegungslast für das Vorliegen einer Gleichstellungsabrede trage jed...

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