Gemäß § 168 SGB IX genießt einen besonderen Kündigungsschutz ein Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung schwerbehindert (§ 2 Abs. 2 SGB IX) oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist (§ 2 Abs. 3 i. V. m. § 151 Abs. 2 SGB IX). Unter den besonderen Kündigungsschutz fallen auch leitende Angestellte, Auszubildende sowie in Heimarbeit Beschäftigte (§ 210 Abs. 2 SGB IX).

Seit dem 30.12.2016 ist die Kündigung eines schwerbehinderten (oder gleichgestellten) Menschen auch dann unwirksam, wenn nicht zuvor nach § 178 Abs. 2 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung beteiligt wurde.

5.5.1 Zeitliche Geltung

Der Sonderkündigungsschutz findet keine Anwendung, soweit eine der in § 173 SGB IX angeführten Ausnahmen greift. Die wichtigste Ausnahme enthält § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX. Eine Kündigung oder sonstige Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der ersten 6 Monate bedarf keiner Zustimmung. Unter Umständen kommt allerdings wie bei § 1 KSchG bei einem engen Zusammenhang eine Zusammenrechnung mit einem früheren Arbeitsverhältnis in Betracht.[1] Eine Kündigung innerhalb der ersten 6 Monate ist aber dem Integrationsamt anzuzeigen (§ 173 Abs. 4 SGB IX). Anzeigepflichtig ist auch eine auf 6 Monate befristete Einstellung eines schwerbehinderten Menschen zur Probe.

Des Weiteren findet der Sonderkündigungsschutz keine Anwendung auf die in § 156 Abs. 2 Nr. 2-5 SGB IX aufgezählten besonderen Arbeitnehmergruppen sowie für die in § 173 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX genannten älteren Arbeitnehmer.

Der Kündigung vorgeschaltet ist die Pflicht zur Prävention nach § 167 SGB IX (vgl. Schwerbehinderte Menschen). Kommt es doch zu einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen oder eines ihm Gleichgestellten, ist die Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig wie umfassend zu informieren und zu hören. Ein Verstoß hiergegen führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Wirksamkeitserfordernis für eine Kündigung ist hingegen die vorherige Zustimmung durch das Integrationsamt, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung länger als sechs Monate bestanden hat.

Die Zustimmungsbedürftigkeit gilt auch für Änderungskündigungen, Massenentlassungen (auch wenn das Landesarbeitsamt sie nach § 18 KSchG genehmigt hat) sowie für die Einführung von Kurzarbeit, wenn damit eine Änderungskündigung verbunden ist.

5.5.2 Schwerbehinderung oder Gleichstellung

Kündigungsschutz besteht, wenn bei Zugang der Kündigung

  • die Schwerbehinderteneigenschaft offenkundig ist[1] oder
  • die Schwerbehinderteneigenschaft bzw. deren Gleichstellung nachgewiesen (§ 173 Abs. 3 SGB IX) ist oder
  • die Schwerbehinderteneigenschaft zwar zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht nachgewiesen ist, jedoch

    • ihre Feststellung spätestens 3 Wochen vor Zugang der Kündigung beantragt und
    • später rückwirkend festgestellt wird (§ 173 Abs. 3 SGB IX) und
    • der Arbeitnehmer dem Versorgungsamt gegenüber seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist und

      • der Arbeitnehmer den Arbeitgeber von der angenommenen Schwerbehinderung innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung unterrichtet.

Bei der ersten Alternative handelt es sich um offenkundige Fälle wie z. B. Blindheit, Querschnittslähmung, Verlust von Armen oder Beinen, Kleinwüchsigkeit mit eingeschränkter Beweglichkeit.

Bei der zweiten Alternative erfolgt ein Nachweis durch Bescheid des Versorgungsamts (§ 152 SGB IX), Feststellung der Behinderung und ihres Grads in einem Rentenbescheid oder in einer Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung (§ 152 Abs. 2 SGB IX). Ausreichend ist, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Nachweis objektiv vorliegt. Nicht erforderlich ist zu diesem Zeitpunkt der Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber.

Der Inhalt der dritten Alternative – die auch bei einem Gleichstellungsverfahren entsprechend zur Anwendung kommt[2] – erschließt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, da dieser völlig verunglückt ist. Das Erfordernis der Antragsfrist ergibt sich mittelbar aus den in Bezug genommenen Fristen für die Entscheidung des Versorgungsamts. Das Versorgungsamt oder die sonst zuständige Behörde hat die Behinderung, wenn ein Gutachten für die Feststellung nicht erforderlich ist, binnen drei Wochen nach Antragseingang festzustellen (entsprechend § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Ist ein Gutachten erforderlich, ist unverzüglich – i. d. R. binnen 3 Wochen – ein geeigneter Sachverständiger zu beauftragen. Das Gutachten ist innerhalb von 2 Wochen nach Auftragserteilung zu erstellen. Innerhalb zweier weiterer Wochen nach Vorliegen des Gutachtens ist die Feststellung der Behinderung zu treffen (entsprechend § 14 Abs. 2 Satz 4 SGB IX). Wird diese Frist wegen fehlender Mitwirkung nicht gewahrt, entfällt der besondere Kündigungsschutz (§ 173 Abs. 3 SGB IX). Mit dieser Regelung soll ausgeschlossen werden, dass ein besonderer Kündigungsschutz auch für den Zeitraum gilt, in dem ein aussichtsloses Anerkennungsverfahren betrieben wird. Unabhängig davon, ob ein Gutachten erforderlich ist, muss der Arbeitnehmer den Antrag also mindestens 3 Wochen vor Z...

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