16.1 Überblick

Im Zusammenhang mit der Kündigung und dem Kündigungsschutzprozess kommt es häufig zur Freistellung.

Die Freistellung in diesem Sinne ist nicht tarifvertraglich oder sonst gesetzlich geregelt.

Es handelt sich um eine einseitige Handlung des Arbeitgebers, der dadurch auf die Dienstleistung des Arbeitnehmers verzichtet. Dies steht aber nicht im freien Belieben des Arbeitgebers, da dem Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist grundsätzlich ein Anspruch auf Beschäftigung zusteht (vgl. Punkt 15 Weiterbeschäftigungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist während des Kündigungsschutzprozesses).

Die einseitige Freistellung – in besonders krassen Ausnahmefällen gar ohne Lohnausgleich – ist nur bei Vorliegen eines besonderen rechtlichen Interesses ausnahmsweise zulässig.[1] Eine Freistellung ohne Lohnausgleich ist z. B. denkbar, wenn der Arbeitgeber ernsthaft mit einer Gefährdung seiner betrieblichen Interessen durch Sabotage oder Spionage rechnen muss.

Im Fall der ordentlichen Kündigung wird üblicherweise der Grund der Kündigung nicht schwer genug wiegen, eine sofortige Freistellung ohne Lohnausgleich zu rechtfertigen. Wenn so schwerwiegende Gründe gegeben sind, dann würde hier typischerweise eine fristlose Kündigung gewählt worden sein. In diesen Fällen der fristlosen Kündigung aber scheidet begrifflich die Freistellung aus, da das Arbeitsverhältnis sofort beendet ist.

Ist eine einseitige Freistellung ausnahmsweise zulässig, kann sich der Arbeitgeber durch die Freistellung nicht von der Verpflichtung zur Lohnfortzahlung befreien, da er durch diese einseitige Maßnahme in Annahmeverzug gerät.[2] Der Arbeitnehmer behält seinen Lohnanspruch wegen der Bestimmung des § 615 BGB.

Durch diese einseitige Maßnahme wird zwar der Arbeitnehmer von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei, aber die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung, also der Lohnzahlung bleibt hiervon unberührt.

16.2 Vereinbarung über Freistellung

Im Regelfall ist eine einseitige Freistellung nur zulässig, wenn diese Möglichkeit im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Eine derartige Klausel könnte etwa lauten:

"Ist das Arbeitsverhältnis gekündigt, so ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer vom Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an von der Arbeitsleistung freizustellen. Der Freistellungszeitraum gilt zunächst als Ausgleich für Überstunden und Freizeitausgleichsansprüche und dann als Erfüllung des Urlaubsanspruchs. Eine Anrechnung findet nicht statt, wenn und solange im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht."

Die Freistellung kann auch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachträglich vereinbart werden. Dann aber ist diese Freistellung Teil eines Aufhebungvertrags und die Lohnfortzahlungspflicht besteht fort.

16.3 Gerichtlicher Vergleich

Der gerichtliche Vergleich hat regelmäßig den gleichen Hintergrund wie die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Freistellung.

16.4 Anrechnung anderweitig erzielten Einkommens

§ 615 BGB bestimmt ausdrücklich, dass sich der Arbeitnehmer das anrechnen lassen muss, was er während des Annahmeverzugs durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Diese Vorschrift ist auf die Fälle anzuwenden, in denen der Arbeitgeber nach § 615 BGB durch eine einseitige Freistellung in Annahmeverzug gekommen ist.

Beginnt der Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit, ist das dort erzielte Entgelt bei der Zahlung des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber kann, wenn er hierzu einen konkreten Verdacht hat, Auskunft verlangen.

 
Praxis-Tipp

Da die Beschäftigten eine Steueridentifikationsnummer besitzen, fällt das Bestehen eines weiteren Beschäftigungsverhältnisses erst im Zusammenhang mit der Anmeldung des Arbeitnehmers zur Abrechnung der Lohnsteuer auf. Der 2. Arbeitgeber wird – wenn er nichts vom weiteren Beschäftigungsverhältnis weiß – nach den Angaben des Beschäftigten die Steuerklasse vorgeben. Erst wenn die Anmeldung mit der Steuer-ID läuft, kommt der Hinweis des Finanzamts, dass die Klasse nicht zur Verfügung steht. Der bisherige Arbeitgeber wird aber nicht automatisch unterrichtet.

Eine Minderung der Entgeltansprüche könnte auch dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer eine ihm angebotene zumutbare Tätigkeit nicht annimmt. Hier wird es aber erhebliche Beweisprobleme für den Arbeitgeber geben.

Nicht ohne Weiteres anwendbar ist diese Vorschrift bei einer nachträglichen einvernehmlichen Freistellung, z. B. in einem Aufhebungsvertrag oder Vergleich, da es dann am Annahmeverzug fehlt.

Das LAG Köln[1] hat entschieden, dass eine Anrechnung anderweitigen Erwerbs im Fall der Freistellung durch Prozessvergleich nicht erfolgen solle. Für einen gegenteiligen Vertragswillen trage der Arbeitgeber die Beweislast.

Diese Entscheidung ist vertretbar, wenn man durch die vereinbarte Freistellung die Anwendung des § 615 BGB für beendet ansieht und an dessen Stelle im Prozessvergleich die Grundlage für Arbeitslohn ohne Arbeitspflicht sieht.

 
Praxis-Tipp

Daher auch im Fall eines Aufh...

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