Neben der ausdrücklichen Regelung, die in § 102 BetrVG und in § 79 Abs. 2 BPersVG enthalten ist, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im Kündigungsfall auch aus § 242 BGB.[1]

Ein solcher Anspruch ist bedeutsam, wenn die engen Voraussetzungen der § 102 BetrVG, §§ 79 BPersVG nicht gegeben sind. Denkbar ist dies in Fällen

  • außerordentlicher Kündigung,
  • fehlenden Personalrats/Betriebsrats,
  • fehlender Einwendungen des Personalrats,
  • verspäteter oder formal fehlerhafter Einwendungen.

Der Große Senat hat aus der besonderen Interessenlage des Arbeitnehmers auch für diese o. g. Fälle bewusst die Lücke der §§ 102 BetrVG bzw. 79 BPersVG schließen wollen.

Allerdings hat der Große Senat diesen Anspruch dann verneint, wenn im Einzelfall schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gegenüberstehen.

Dabei ist ein Wertungskatalog dargestellt worden, der die möglichen Stadien des Ablaufs konkret berücksichtigt.

15.5.1 Vor einem Urteil der 1. Instanz

Vor einem Urteil der ersten Instanz sieht der Große Senat in der Regel ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers daran, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu müssen.

Ausnahmen hiervon hält der Große Senat für möglich, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist. Dies wird die seltensten Fälle erfassen. Offensichtlich ist nach Ansicht des Großen Senats ein sehr anspruchsvoller Begriff. Letztlich muss sich auch aus dem Verteidigungsvorbringen des Arbeitgebers ohne Beweisaufnahme die Unwirksamkeit geradezu aufdrängen.

 
Praxis-Beispiel

Eine Kündigung, die unstreitig ohne jede Beteiligung des Personalrats erfolgte; eine Kündigung durch einen Pförtner, der ersichtlich ohne Vollmacht gehandelt hat, was aber auch unstreitig sein müsste.

Weiter wäre ein solcher Anspruch gegeben, wenn ein außergewöhnliches Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung zu bejahen sein würde. Dies kann der Fall sein, wenn die Erlangung einer beruflichen Qualifikation ernstlich infrage gestellt würde.[1] So beispielsweise bei einem Auszubildenden.[2] Weitere Beispiele dafür lassen sich kaum finden. Der materielle Anspruch auf Arbeitsentgelt wird über § 615 BGB (Annahmeverzug) hinreichend geschützt.

15.5.2 Nach Abschluss der 1. Instanz

Nach Abschluss der ersten Instanz kommt es auf den Prozessausgang an. Wenn zugunsten des Arbeitnehmers entschieden wurde, verändert sich die Interessenlage zugunsten des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss nun regelmäßig auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden. Es ist Sache des Arbeitgebers, Umstände vorzutragen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung ergibt. Dies ist allerdings je nach Begründung der Kündigung für den Arbeitgeber leichter, als die Interessendarstellung für den Arbeitnehmer während der ersten Instanz.

 
Praxis-Beispiel

Bei Kündigungen, die auf den Verdacht von strafbaren Handlungen gerichtet sind, bei datensensiblen Bereichen sowie in Sicherheitsbereichen wird die Unsicherheit über die Zukunft für den Arbeitgeber ausreichen.

Aber auch das Argument der unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung hilft dem Arbeitgeber.[1] Diese Begründung wird allerdings dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kaum Erfolg bringen.

Zur Geltendmachung und Durchsetzung im gerichtlichen Verfahren gilt das oben Dargestellte.

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