Betreff: Erholungsurlaubsanspruch für Tarifbeschäftigte des Bundes bei unbezahltem Sonderurlaub nach § 28 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
hier: Hinweise zu den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19. März 2019 – 9 AZR 315/17 sowie 9 AZR 406/17 – und vom 21. Mai 2019 – 9 AZR 259/18
AZ: D5-31001/30#2

A. Einleitung

Der Urlaubssenat des BAG gibt mit seinem zu §§ 26, 28 TVöD ergangenen Urteil vom 19. März 2019 - 9 AZR 315/17 sowie den beiden zu den insoweit inhaltsgleichen §§ 26, 28 TV-L ergangenen Entscheidungen vom 19. März 2019 - 9 AZR 406/17 und vom 21. Mai 2019 - 9 AZR 259/18 seine bisherige Rechtsprechung auf. An der bisherigen Annahme, wonach die Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses bei unbezahltem Sonderurlaub keine Auswirkungen auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch habe und der auf Zeiträume eines unbezahlten Sonderurlaubs entfallende Urlaubsanspruch nach Maßgabe der ausgesetzten Arbeitszeit zu berechnen sei (siehe Urteil vom 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12), hält der Urlaubssenat nicht fest. Das BAG verneint nunmehr grundsätzlich einen Erholungsurlaubsanspruch für Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs (BAG vom 19. März 2019 – 9 AZR 406/17, LS 2).

B. Entscheidungsgründe der Rechtsprechungsänderung im Einzelnen

Die Entscheidungsgründe der neuen Senatsrechtsprechung enthalten in weiten Teilen Ausführungen zum unionsrechtlich nach Art. 7 [EU-Arbeitszeit-] Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. So hält das BAG an seiner Aussage, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch aus § 1 BUrlG allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetze, grundsätzlich fest. Ergänzend zu seiner früheren Rechtsprechung führt der Urlaubssenat aber weiter aus, dass der Urlaubsanspruch nur dem Grunde nach allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetze (BAG vom 19. März 2019 – 9 AZR 315/17 – Rn. 15 und vom 19. März 2019 – 9 AZR 406/17 – Rn. 21). Sobald es im Weiteren um den Umfang des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs nach § 3 BUrlG geht, hat das BAG nunmehr anders entschieden: Der unbezahlte Sonderurlaub ist bei der Berechnung der Arbeitstage, für die der/die Arbeitnehmer/in im Wege der Urlaubsgewährung von der Arbeitspflicht freizustellen ist, mindernd zu berücksichtigen (BAG vom 19. März 2019 – 9 AZR 315/17 – Rn. 17, 29 f.). Die Abhängigkeit der Anzahl der Urlaubstage von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht wird entscheidend aus dem Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs abgeleitet. Diese Auslegung steht auch mit Unionsrecht im Einklang, nach dem Beschäftigte ebenfalls einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gemäß Art. 7 Abs. 1 der [EU-Arbeitszeit-] Richtlinie 2003/88/EG nur für Zeiträume erwerben, in denen sie tatsächlich gearbeitet haben (EuGH vom 13. Dezember 2018 – C-385/17 – [Hein] Rn. 27, 29).

Die Ausführungen des BAG in den jeweiligen Entscheidungsgründen haben allgemeingültigen Charakter und sind daher für den tariflichen Mehrurlaub gleichermaßen von Bedeutung. Für die Anwendung auf das tarifliche Urlaubsrecht nach §§ 26, 28 TVöD bedeutet dies Folgendes:

  • Der Urlaubsanspruch ist nicht nach der zum Zeitpunkt der Urlaubsgewährung geltenden Arbeitszeitregelung zu bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, so noch BAG vom 14. März 2017 – 9 AZR 7/16 – Rn. 17), sondern die Berechnung erfolgt grundsätzlich bezogen auf das gesamte Urlaubsjahr – d. h. das Kalenderjahr seiner Entstehung – anhand der arbeitsvertraglichen Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage (BAG vom 19. März 2019 – 9 AZR 315/17 – Rn. 17).
  • Dabei ist der Umfang des den Tarifbeschäftigten nach § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 TVöD zustehenden Jahresurlaubs grundsätzlich proportional zu der Anzahl der Tage zu berechnen, an denen sie ihre Arbeitsleistung zu erbringen haben. Ist die Arbeitszeit nicht über das gesamte Kalenderjahr gleichmäßig auf weniger oder mehr als fünf Tage in der Woche verteilt, ist für die Umrechnung der Zeitabschnitt heranzuziehen, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erreicht wird (BAG vom 21. Mai 2019 – 9 AZR 259/18 – Rn. 13).
  • Der Berechnung der Höhe des Urlaubsanspruchs muss somit die Klärung vorausgehen, an wie vielen Tagen der Woche eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung besteht. Bei einem unterjährigen Wechsel der Anzahl der Arbeitstage ist der Gesamturlaubsanspruch für das betreffende Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage mit Arbeitspflicht um-zurechnen (BAG vom 19. März 2019 – 9 AZR 315/17 – Rn. 22).
  • Der Urlaubsanspruch ist unter Berücksichtigung des für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitszeitregimes in Arbeitstage umzurechnen (BAG vom 21. Mai 2019 - 9 AZR 259/18 - Rn. 11). Die Umrechnung des Jahresurlaubsanspruchs von 30 Arbeitstagen nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD in der Fünftagewoche ist grundsätzlich auch dann vorzunehmen, wenn die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflich...

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