1 Einführung

Die Rechtsentwicklung im deutschen Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsrecht nimmt bei Art. 3 GG ihren Ausgang. Der in Art. 3 verankerte Gleichheitssatz des Grundgesetzes gilt als "allgemeines Strukturprinzip der durch das Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung"[1] und als selbstverständlicher ungeschriebener Verfassungsgrundsatz für alle Bereiche und für alle Personengemeinschaften. Andererseits sind genauso selbstverständlich die Arbeitsvertragsparteien nicht Grundrechtsadressaten und gilt Art. 3 GG nicht unmittelbar auf dem Gebiet des Arbeitsrechts.[2] Die Institutionen und Personen, die im Arbeitsverhältnis Regeln bilden, sind freilich dennoch positivrechtlich an Gleichbehandlungsgrundsätze gebunden, weil die Gleichbehandlungsgebote der Verfassung letztlich stets als fundamentale Handlungsanleitungen an jeden Normgeber[3] angesehen wurden: So ist den Betriebsparteien durch § 75 Abs. 1 BetrVG einfachgesetzlich Gleichbehandlung vorgeschrieben und für die Tarifvertragsparteien gilt nach ständiger Rechtsprechung des BAG Bindung an einen dem Art. 3 GG entsprechenden Gleichheitssatz.[4]

Bereits Art. 3 GG hat drei verschiedene Absätze, die teilweise miteinander und erst recht mit anderen Gleichheitsnormen in einem komplexen Konkurrenzverhältnis stehen.[5] Neben bzw. vor dem "allgemeinen Gleichheitssatz" des Abs. 1 stehen die "speziellen Gleichheitssätze" des Abs. 3, die in einem Teilbereich wiederum durch den Gleichberechtigungssatz des Abs. 2 überformt werden.[6] Hinzukommen auf Verfassungsebene spezielle Gleichheitsnormen, wie etwa Art. 33 Abs. 2 und 3 GG (gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern). Im Bereich des materiellen Arbeitsrechts kennt man neben dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz - der den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes bzw. im Bereich der Entgeltbedingungen Art. 141 EG konkretisiert (BAG, Urt. v. 13.02.2002 - 5 AZR 713/00, näher unter 3) – spezielle Vorschriften, die eine Differenzierung aufgrund bestimmter Merkmale, wie insbesondere des Geschlechts verbieten. Zu nennen sind außer § 75 Abs. 1 BetrVG vor allem die Vorschriften zur Gleichbehandlung der Geschlechter wie (derzeit noch) §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 BGB, die im Wesentlichen auf EU-Recht zurückgehen, sowie § 4 TzBfG.

Entscheidende Impulse setzte und setzt nach wie vor das internationale Recht. Im supra- und internationalen Recht (s. etwa Art. 14 EMRK; Art. 14, 26 f. IPBürgR) wie auch im europäischen Gemeinschaftsrecht sind Gleichheitssätze als gesicherter Bestandteil anerkannt (Art. 20 ff. Grundrechtscharta der EU). Aus dem Gemeinschaftsrecht sind die Art. 39 Abs. 2 und 3[7] sowie Art. 12 Abs. 1 EGV zu nennen, die den gleichen, diskriminierungsfreien Zugang zu Beschäftigung garantieren. In Bezug auf die Gleichbehandlung bzw. Gleichstellung der Geschlechter ist die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 141 EG (früher Art.119 EGV) für die deutsche Rechtsentwicklung prägend geworden. Neue Herausforderungen birgt nicht zuletzt das Antidiskriminierungsrecht in der Folge der EU-Richtlinien 2000/43 EG , 2000/78/EG[8] und 2002/73/EG.[9]

Die Darstellung von Gleichheitssätzen, Gleichstellungsgeboten und Antidiskriminierungsregeln in Bezug auf das Geschlecht wird an der deutschen Entwicklung anknüpfend ihren Ausgangspunkt bei Art. 3 Grundgesetz zu nehmen haben (siehe Punkt Art. 3 Grundgesetz). Dieser Grundrechtsartikel strukturiert die weiteren Ausführungen: Zu bearbeiten sind im Anschluss an Art. 3 GG die Spezialnormen des einfachgesetzlichen privaten Arbeitsrechts zur Geschlechterfrage (derzeit noch §§ 611 a ff. BGB, siehe Die Diskrimierungsverbote des Bürgerlichen Rechts) sowie der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (siehe Geschlechterdifferenzierung und der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz), die jeweils die in Art. 3 Abs. 1 und 3 GG enthaltenen Diskriminierungsverbote konkretisieren. Die Gleichstellungsgebote des Art. 3 Abs. 2 GG finden sich einfachgesetzlich für den öffentlichen Dienst in verschiedenen Frauenförder- und Gleichstellungsgesetzen (zum Gleichstellungsgesetz des Bundes siehe Das Bundesgesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern). All diese einfachgesetzlichen Ausprägungen des Art. 3 GG haben grob vereinfacht in Gesetze gegossen, was die EuGH-Rechtsprechung zu Art. 141 EG (früher Art. 119 EWGV, gleiches Entgelt für Männer und Frauen, siehe Gleiches Entgelt für Männer und Frauen) und EU-Richtlinien (Antidiskriminierung) vorgegeben hatten bzw. haben.

[1] P. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, HbStR V, § 124 Rn. 46 ff., 150 ff.
[2] ErfKo/Dieterich, 5. Aufl. 2005, GG Art. 3 Rn 32.
[4] BAG, Urt. v. 27.05.2004 – 6 AZR 129/03 gegen die neuere Rechtsprechung des Vierten Senats (unter II.1.c.d.Gr.), der eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien annimmt. Einzelheiten unter 1.2.1.
[5] ErfKo/Dietrich, a.a.O. (Fn. 2), Rn. 5 f.
[6] Nach Kocher, RdA 2002, 167, 168.
[7] Dazu s. ErfKo/Wißmann, 5. ...

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