Gleichstellungsindex: Gleichstellung in EU-Ländern im Vergleich Infografik

Mit 68,7 von 100 Punkten belegt Deutschland im EU-Gleichstellungsindex den elften Platz. Der europaweite Wert für die Gleichstellung der Geschlechter liegt bei 68,6 und hat sich im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,6 Punkte erhöht. Schuld daran ist auch die Coronakrise.

Der kürzlich veröffentlichte Gleichstellungsindex des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) zeigt, dass trotz der Errungenschaften der letzten Jahrzehnte und der Maßnahmen der EU-Kommission die Gleichstellung nur sehr langsam vorankommt. Erstmals seit seiner Einführung im Jahr 2010 weist der Gleichstellungsindex sogar in mehreren entscheidenden Kategorien sinkende Werte auf.

Coronakrise bedroht Fortschritte in der Gleichstellung

"Besonders beunruhigend ist, dass im diesjährigen Index eine Umkehr zu beobachten ist – in mehreren Bereichen wurden erstmals seit 2010 sinkende Werte verzeichnet. Wir müssen das dringend genau untersuchen, denn unsere Ergebnisse belegen, dass bestimmte Personengruppen, die in Krisenzeiten in der Regel anfälliger sind als andere, immer dann besonders gefährdet sind, wenn geschlechtsspezifische Aspekte massiv zum Tragen kommen. Wir können es uns nicht leisten, die Gleichstellung aus den Augen zu verlieren", erklärt die Direktorin des EIGE, Carlien Scheele.

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EU-Gleichstellungsindex: Schweden und Dänemark an der Spitze

Schweden und Dänemark sind auch 2022 die Spitzenreiter des Index - gefolgt von den Niederlanden und Finnland, das Frankreich überholt hat und den vierten Platz belegt. Luxemburg, Litauen, Belgien und Kroatien haben sich seit der letztjährigen Ausgabe am meisten verbessert. Gegenüber dem Vorjahr verschlechtert haben sich vier Länder: Allen voran Rumänien mit minus 0,8 Punkten, gefolgt von Lettland, Estland und Frankreich.

Bei der Gleichstellung der Geschlechter gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern: Sie reichen von 83,9 Punkten in Schweden bis 53,4 Punkten in Griechenland. Deutschland liegt mit 68,7 Punkten auf Platz 11. Damit hat sich Deutschland gegenüber dem Vorjahr um einen Platz verschlechtert und liegt nur 0,1 Prozentpunkt über dem europäischen Durchschnitt.

Woran die Gleichstellung in Deutschland hapert

Deutschland schneidet vor allem im Bereich Bildung schlecht ab. Mit einem Indexwert von 54,7 liegt Deutschland hier nur auf Platz 24 in der EU und hat im Vergleich zu 2010 neun Plätze und 1,6 Indexpunkte verloren. Vor allem die ungleiche Konzentration von Frauen und Männern in verschiedenen Studienfächern und Berufen stellt für Deutschland nach wie vor eine Herausforderung dar: Etwa 40 Prozent der weiblichen Studierenden gegenüber 17 Prozent der männlichen Studierenden belegen ein Studienfach im Bereich Bildung, Gesundheit und Soziales oder Geisteswissenschaften und Kunst. Trotz der Bemühungen, dieses Problem anzugehen - beispielsweise durch Sonderinitiativen zur Ermutigung von Frauen, Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften oder IKT zu studieren -, hat diese Ungleichverteilung seit 2010 zugenommen.

Die größten Fortschritte hat Deutschland in den vergangenen zehn Jahren bei der Teilhabe von Frauen an gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Macht erzielt. Hier stieg der Indexwert von 38,3 auf 64,8. Damit liegt Deutschland auf Platz 8 in Europa und deutlich über dem EU-Durchschnitt von 57,2. Die höchste Punktzahl erreicht Deutschland im Bereich Gesundheit, wo es mit 90 Punkten auf Platz 8 unter allen Mitgliedstaaten liegt. Am besten schneidet das Land im Teilbereich Zugang zu Gesundheitsdiensten ab, wo es mit 99,9 Punkten auf Platz 2 landet.

Auswirkungen der Coronapandemie auf die Gleichstellung

Der diesjährige Gender Equality Index konzentriert sich auf die sozioökonomischen Folgen der Covid-19-Pandemie. Der thematische Schwerpunkt analysiert die Aspekte Kinderbetreuung, Langzeitpflege, Hausarbeit und flexible Arbeitsgestaltung. Erstmals seit seiner Einführung weist der Gleichstellungsindex in mehreren entscheidenden Indexbereichen rückläufige Werte aus. Der gesunkene Wert der Beteiligung am Erwerbsleben zeigt, dass Frauen tendenziell weniger Jahre ihres Lebens berufstätig sind. Dies beeinträchtigt ihre Karrierechancen und führt dazu, dass sie geringere Rentenansprüche haben.

Einige bestehende Ungleichheiten wurden im laufe der Pandemie noch verstärkt. Dies gilt insbesondere für die zeitintensive Kinderbetreuung: 40 Prozent der Frauen verbrachten an Werktagen in der Regel mindestens vier Stunden mit der Betreuung kleiner Kinder. Der entsprechende Anteil der Männer belief sich auf 21 Prozent. Auch bei der zeitintensiven Hausarbeit verstärkte sich das Geschlechtergefälle während der Pandemie: 20 Prozent der Frauen und nur 12 Prozent der Männer verbrachten täglich mindestens vier Stunden mit Hausarbeit.

Covid-19 hatte nicht nur Auswirkungen auf die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen, sondern auch auf bestimmte Personengruppen. So berichteten beispielsweise ältere Frauen und Männer sowie Frauen und Männer mit Behinderungen häufiger, im Pandemiejahr keine Termine für notwendige ärztliche Untersuchungen erhalten zu haben. Darüber hinaus waren aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mehr junge Frauen arbeitslos, wobei Frauen mit Migrationshintergrund besonders gefährdet waren.


Über den EU-Gleichstellungsindex:

Der EU-Gleichstellungsindex misst in regelmäßigen Abständen die Gleichstellung der Geschlechter in den EU-Mitgliedstaaten und macht Bereiche sichtbar, die verbessert werden müssen. Neben den sechs Kernbereichen (Arbeit, Einkommen, Bildung, Zeit, Macht und Gesundheit) wird auch das Thema Gewalt gegen Frauen untersucht. Dem Gleichstellungsindex 2022 liegen hauptsächlich die Daten aus dem Jahr 2020 zugrunde.


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Schlagworte zum Thema:  Gleichstellung, Diversity, Coronavirus