Gleichstellungsindex: Gleichstellung in EU-Ländern im Vergleich Infografik

Größter Sprung seit Beginn des Index: Der europaweite Wert für die Gleichstellung der Geschlechter liegt bei 70,2 (von insgesamt 100). Das ist ein Anstieg um 1,5 Prozentpunkte zum Vorjahr. Deutschland liegt mit 70,8 Punkten auf Platz 11 – demselben Platz wie im letzten Jahr.

Nach ernüchternden Ergebnissen im Jahr 2022 zeigt der kürzlich veröffentlichte Gleichstellungsindex des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) nun positive Entwicklungen. Die Folgen der Coronakrise hatten die Gleichstellung in Deutschland und Europa teilweise stark zurückgeworfen. Doch in diesem Jahr sehen wir den größten Anstieg der Gesamtpunktzahl in der zehnjährigen Geschichte des Index.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gibt – und auch Deutschland noch einiges an Arbeit vor sich hat.

"In den vergangenen Jahren hat die EU Fortschritte auf dem Weg hin zur Gleichstellung der Geschlechter gemacht. Doch wir sind uns auch bewusst, dass dies nicht reicht und die Errungenschaften noch nicht gefestigt sind. Heute nähert sich nur Schweden mit einem Ergebnis von über 80 Punkten auf dem Index der Gleichstellung der Geschlechter an. Schweden repräsentiert lediglich 2 Prozent der EU-Bevölkerung. Es wird immer eine Ausrede dafür geben, dass der Arbeit für die Gleichstellung der Geschlechter eine niedrigere Priorität beigemessen wird. Das können wir nicht zulassen. Wir müssen jetzt handeln. Gemeinsam – auf allen Ebenen. Und wir müssen die Erfolge feiern. Egal wie klein sie sind. Nur so kommen wir auf unserem Weg weiter", erklärt die Direktorin des EIGE, Carlien Scheele.

EU-Gleichstellungsindex: Schweden, Dänemark und Niederlande an der Spitze

Die Spitzenreiter des Index heißen – wie schon seit 10 Jahren – Schweden, Niederlande und Dänemark. Doch der Schein trügt: Zwar haben sie einen gewissen Vorsprung vor den anderen Ländern, doch entweder stagnieren sie auf einem gewissen Niveau oder sie haben sich in einigen Bereichen sogar verschlechtert. Das zeigt anschaulich, dass bisherige Errungenschaften nicht als selbstverständlich zu betrachten sind.
Bei der Gleichstellung der Geschlechter gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern: Sie reichen von 82,2 Punkten (im Jahr 2022 waren es noch 83,9) in Schweden bis 56,1 Punkten in Rumänien (ein Plus von 2,4 Punkten seit dem Index 2022). Deutschland liegt mit 70,8 Punkten auf Platz 11 – derselben Platzierung wie im Vorjahr. Das liegt daran, dass der Fortschritt sich verlangsamt hat oder teilweise sogar rückläufig ist.

Wo Gleichstellung in Deutschland gelingt – und wo nicht

Die größten Fortschritte hat Deutschland in den vergangenen zehn Jahren bei der Teilhabe von Frauen an gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Macht erzielt. Hier stieg der Indexwert von 38,3 auf 67,6 – ein Plus von 29,3 Punkten. Damit liegt Deutschland auf Platz 8 in Europa und deutlich über dem EU-Durchschnitt von 59,1. Die höchste Punktzahl erreicht Deutschland im Bereich Gesundheit, wo es mit 89,8 Punkten auf Platz 8 unter allen Mitgliedstaaten liegt. Allerdings sind die Fortschritte in diesem Bereich seit 2022 zum Stillstand gekommen (-0,2 Punkte). Am besten schneidet das Land im Teilbereich Zugang zu Gesundheitsdiensten ab, wo es mit 99,8 Punkten auf Platz 1 landet.
Vor allem im Bereich Bildung schneidet Deutschland allerdings schlecht ab. Mit einem Indexwert von 56,1 liegt das Land hier nur auf Platz 24 in der EU und hat im Vergleich zu 2010 neun Plätze verloren. Hier gilt es, einiges aufzuholen.


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Den größten Rückschritt hat Deutschland im Bereich "Zeit" zu verbuchen: Von Platz 12 im Jahr 2020 zu Platz 14 im Jahr 2023. Der Bereich Zeit misst die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Verteilung der Zeit, die für Pflege- und Hausarbeit sowie für soziale Aktivitäten aufgewendet wird. Dieser Rückschritt basiert auf dem Teilbereich "Pflegeaktivitäten", in dem Deutschland im Vergleich zu 2020 um neun Plätze auf Platz 19 zurückgefallen ist. Auch im Teilbereich "soziale Aktivitäten" hat sich Deutschland verschlechtert, und zwar um 2,2 Punkte.

Unbezahlte Pflegearbeit ist nach wie vor ungerecht verteilt

Der europaweite Wert für die Gleichstellung der Geschlechter nimmt zu – das liegt allerdings nicht daran, dass sich Männer zunehmend an der Pflegearbeit beteiligen. Es liegt daran, dass Frauen weniger tun und sich anderweitig Unterstützung holen, zum Beispiel bei Hauslieferdiensten, Pflegekräften und assistiven Technologien. "Doch Technologien können den Wandel nur bis zu einem gewissen Grad vorantreiben, indem sie einen Teil der Pflegearbeit übernehmen. Für die letzten Meter wird ein struktureller Wandel notwendig sein", schreiben die Herausgeber des Index.

Frauen in Führungspositionen – nach wie vor ausbaufähig

Gesetzlich vorgeschriebene Quoten, auch gerne "Frauenquoten" genannt, haben Vor- und Nachteile. Doch zum ersten Mal in zehn Jahren haben die Anzahl von weiblichen Abgeordneten und die von Frauen in Leitungsorganen jeweils 33 Prozent erreicht. Dieser Wandel ist die direkte Folge dieser Quoten. In insgesamt acht Mitgliedsstaaten haben sie dafür gesorgt, dass mehr Frauen in Spitzenpositionen vertreten sind. Das hat laut den Studienmachern zu mehr Innovation, Kreativität und Produktivität in den Führungsriegen von Unternehmen geführt.

Im Bereich "Arbeit" wurden europaweit Fortschritte erzielt, insbesondere im Hinblick auf flexible Arbeitsmöglichkeiten. Allerdings ist der Arbeitsmarkt nach wie vor so nach Geschlecht getrennt wie vor zehn Jahren: Frauen holen zwar schrittweise auf im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT), jedoch ist der Anteil von Männern in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales (BGS) eingefroren. Außerdem mangelt es an der Beteiligung von Frauen, was den Wandel am Arbeitsmarkt angeht. Der Ausbau von Digitalisierung und Sustainability erfordert Umschulungen und Weiterbildungen in beinahe allen Branchen. Frauen sind hier jedoch nicht so stark involviert, wie es möglich wäre. Um diesen Wandel am Arbeitsmarkt erfolgreich vollziehen zu können, sind wir auf alle Arbeitnehmenden angewiesen.


Über den EU-Gleichstellungsindex:

Der EU-Gleichstellungsindex misst in regelmäßigen Abständen die Gleichstellung der Geschlechter in den EU-Mitgliedstaaten und macht Bereiche sichtbar, die verbessert werden müssen. Neben den sechs Kernbereichen (Arbeit, Einkommen, Bildung, Zeit, Macht und Gesundheit) wird auch das Thema Gewalt gegen Frauen untersucht. Dem Gleichstellungsindex 2023 liegen hauptsächlich die Daten aus dem Jahr 2021 zugrunde.


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Schlagworte zum Thema:  Gleichstellung, Diversity, Jahreswechsel