Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10.10.1991; Aktenzeichen L 7 V 83/89)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1991 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger im Wintersemester 1990/91 in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS) versicherungspflichtig war.

Der 1967 geborene Kläger stammt aus Guinea. Er studierte schon in seiner Heimat Geographie und besaß die fachliche Qualifikation für diesen Studiengang an einer deutschen Universität. Jedoch verfügte er nicht über die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache. Von der Universität B… wurde er zum Studium des Studiengangs Geographie-Diplom für das Wintersemester 1991/92 und gleichzeitig zur Teilnahme am Intensivsprachkurs zur Vorbereitung auf die Prüfung zum Nachweis deutscher Sprachkenntnisse für das Wintersemester 1990/91 zugelassen. Der entsprechende Bescheid enthielt unter anderem den Zusatz, daß die Zulassung unwirksam werde, wenn der Kläger nicht zum Intensivsprachkurs erscheine oder er nach dessen Absolvierung die Prüfung nicht bestehe. Der Kläger ließ sich im September 1990 mit der Anmeldung zu dem am 1. Oktober 1990 beginnenden Sprachkurs an der Universität einschreiben und erhielt für das Wintersemester 1990/91 einen Studentenausweis, in dem als angestrebter Abschluß “Sprachprüfung”, als Studienfach “Deutschkurs” und als Semester “01” angegeben war. Der Kläger hat nach seinem Vorbringen den Sprachkurs mit Erfolg absolviert und im Wintersemester 1991/92 das Fachstudium aufgenommen.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 25. September 1990 und Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1990 fest, daß der Kläger im Wintersemester 1990/91 nicht als Student versicherungspflichtig sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Aufhebung des Bescheides und Feststellung der Versicherungspflicht in der KVdS mit Urteil vom 14. Januar 1991 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers mit Urteil vom 10. Oktober 1991 zurückgewiesen. Personen wie der Kläger, die ein Fachstudium erst aufnehmen könnten, wenn sie ausreichende deutsche Sprachkenntnisse erworben hätten, seien nicht als eingeschriebene Studenten versicherungspflichtig.

Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 9 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) rügt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 10. Oktober 1991, das Urteil des SG vom 14. Januar 1991 und den Bescheid der Beklagten vom 25. September 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1990 aufzuheben sowie festzustellen,

daß er im Wintersemester 1990/91 in der KVdS versicherungspflichtig war.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Der Kläger gehörte im Wintersemester 1990/91 nicht zu den Studenten, die nach § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 1 SGB V an staatlichen Hochschulen eingeschrieben und damit versicherungspflichtig waren. Denn zu den Studenten iS dieser Vorschrift gehören – ungeachtet einer Einschreibung an der Universität und einer gewissen Gleichstellung mit Studenten – nicht Personen, die einen studienvorbereitenden Sprachkurs besuchen, um die für die Zulassung zu einem Fachstudium erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache zu erwerben.

Mit dem Inkrafttreten des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V am 1. Januar 1989 ist in der KVdS hinsichtlich des versicherungspflichtigen Personenkreises der “eingeschriebenen Studenten” an den Hochschulen gegenüber der früheren Regelung in § 165 Abs 1 Nr 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) keine sachliche Änderung eingetreten. Auch unter der Geltung dieser früheren Vorschrift gehörten die Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen nicht zu den versicherungspflichtigen Studenten. Dieses ergibt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536).

Die Fassung des Gesetzes geht insofern auf den Bericht des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 7/3640) zurück. Ihm lagen der vom Bundesrat eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten (KVSt, BT-Drucks 7/2519) und der von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachte Entwurf eines KVSG (BT-Drucks 7/2993) vor. Den letztgenannten Entwurf machte der Ausschuß zur Grundlage seiner Beratung und Beschlußfassung. In der Begründung zu diesem Entwurf hatte es geheißen (BT-Drucks 7/2993 S 8 unter II. § 1 zu Nr 1 – § 165 RVO – Buchst a): Die Beschreibung des versicherten Personenkreises folge dem im Hochschulrecht üblichen Sprachgebrauch. Durch den Begriff “eingeschriebene Studenten” sei gewährleistet, daß die in § 39 des Entwurfs eines Hochschulrahmengesetzes (HRG) – BT-Drucks 7/1328 – genannten Studenten von der Einschreibung an während der Dauer des gesamten Studiums versichert würden. Studenten an privaten, nicht staatlich anerkannten Einrichtungen würden nicht von der Versicherungspflicht erfaßt. Ebenso fielen Gasthörer an Hochschulen sowie Schüler allgemeinbildender Schulen nicht unter den versicherungspflichtigen Personenkreis. – In dem erwähnten § 39 des Entwurfs eines HRG waren als Mitglieder der Hochschule auch die eingeschriebenen Studenten bezeichnet. In der Begründung dazu hatte gestanden (BT-Drucks 7/1328 S 62 zu § 39): Die an der Hochschule eingeschriebenen Studenten seien deren Mitglieder, auch solange sie im Rahmen eines Fernstudiums nicht am Hochschulort studierten. Die im Rahmen eines Aufbaustudiums (§ 11 Abs 5) oder eines weiterbildenden Studiums (§ 22) Eingeschriebenen seien ebenfalls Hochschulmitglieder. – Aus diesem Entwurf eines HRG selbst läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen wenigstens hochschulrechtlich zu den Studenten zählen sollten, wenn auch seine sonstige Begründung eher dagegen spricht. Sie läßt erkennen, daß die Zulassung zum Studium davon abhing, daß die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt waren und zwischen Studenten und Studienbewerbern unterschieden wurde. Im übrigen ist fraglich, ob einer hochschulrechtlichen Zurechnung von Personen zum Kreis der Studenten oder einer Anknüpfung allein an die Einschreibung für die Sozialversicherung ausnahmslos zu folgen wäre.

Entscheidend gegen die Behandlung der Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen als eingeschriebene Studenten und ihre Versicherungspflicht spricht die durch § 1 Nr 6 Buchst a) KVSG eingeführte Regelung des § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO. Danach konnten Personen, die an studienvorbereitenden Sprachkursen oder Studienkollegs teilnahmen, der Versicherung lediglich freiwillig beitreten. Diese Regelung war während der Beratungen des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in den Gesetzentwurf eingefügt worden. Mit ihr sollte nach dem Ausschußbericht (BT-Drucks 7/3640, S 6 zu Nr 6 Buchst a) dieses Beitrittsrecht solchen Personen den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung eröffnen, die zur Vorbereitung auf ihr Studium Studienkollegs besuchten oder an Sprachkursen teilnahmen, durch die sie die für ihr Studium notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache erwarben; das Beitrittsrecht stehe auch Ausländern zu, die an derartigen Veranstaltungen teilnähmen. – Damit hat sich der Ausschuß erkennbar eine in der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Bildung und Wissenschaft enthaltene Anregung zu eigen gemacht, nach der beitrittsberechtigt ua Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen werden sollten, ferner Ausländer, wenn sie Studienkollegs besuchten oder sich als Studienbewerber zur Vorbereitung der Sprachprüfung an den Universitäten der Bundesrepublik Deutschland aufhielten (BT-Drucks 7/3640, S 3, rechte Spalte Mitte).

Hiernach gehörten ausländische Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen auch dann, wenn diese an der Universität durchgeführt wurden, nicht zu den nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO versicherungspflichtigen eingeschriebenen Studenten. Aus diesem Grund war ihnen gerade das Beitrittsrecht (zur freiwilligen Versicherung) nach § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO eingeräumt worden. Diese Entscheidung hatte der Gesetzgeber für die gesetzliche Krankenversicherung selbst getroffen und sie nicht dem Hochschulrecht und seiner Entwicklung überlassen. Wenn daher Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen hochschulrechtlich ähnlich wie Studenten behandelt wurden, die ein Fachstudium absolvierten, so war das auf ihre krankenversicherungsrechtliche Einordnung ohne Einfluß. Die Regelungen in § 165 Abs 1 Nr 5 RVO und § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO lassen nicht erkennen, daß der Gesetzgeber iS einer dynamischen Verweisung bei der krankenversicherungsrechtlichen Einordnung der Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen der Entwicklung des Hochschulrechts hat folgen sowie eine Erweiterung des Kreises der versicherungspflichtigen Studenten (§ 165 Abs 1 Nr 5 RVO) unter entsprechender Auszehrung des Kreises der lediglich Beitrittsberechtigten (§ 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO) hat zulassen wollen.

Mit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) ist das bisher in § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO geregelte Beitrittsrecht ersatzlos entfallen. Da dieses für die meisten anderen Beitrittsrechte des § 176 RVO ebenfalls galt und eine Einschränkung des Zugangs zur Versicherung beabsichtigt war (vgl den Entwurf des GRG BR-Drucks 200/88 = BT-Drucks 11/2237, jeweils S 160 zu § 9 Abs 1), lag kein Versehen des Gesetzgebers vor. Es spricht auch nichts dafür, daß statt dessen der Kreis der versicherungspflichtigen Studenten um die Teilnehmer von studienvorbereitenden Sprachkursen erweitert werden sollte. Vielmehr ist bei Studenten die Versicherungspflicht ihrerseits durch eine Höchstdauer des Fachstudiums und eine Altersgrenze in § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V eingeschränkt worden. Demnach sind Personen wie der Kläger nach neuem Recht weder versicherungspflichtig noch versicherungsberechtigt. Dieser Auffassung sind auch Bundesrat und Bundesregierung. Der Bundesrat hat im Jahre 1991 in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Zweiten Änderungsgesetzes zum SGB V empfohlen, den Katalog der Versicherungsberechtigungen (§ 9 Abs 1 SGB V) um ein Beitrittsrecht für Personen zu erweitern, die an studienvorbereitenden Sprachkursen oder Studienkollegs teilnehmen (BT-Drucks 12/1363 S 9 zu Art 1 vor Nr 1). Das Beitrittsrecht des § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO sei entfallen und die Studienkollegiaten gehörten nicht zum Kreis der versicherungspflichtigen Studenten nach § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V; es handele sich vielmehr um Teilnehmer an studienvorbereitenden Maßnahmen, deren erfolgreicher Abschluß erst die Voraussetzung für ein Fachstudium bilde, das dann Versicherungspflicht auslöse. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung dem Vorschlag des Bundesrats widersprochen (BT-Drucks 12/1363 S 16 Nr 2). Sie hat dabei ua auf die soeben erst erfolgte Neuabgrenzung des beitrittsberechtigten Personenkreises im GRG, auf die Möglichkeit der privaten Krankenversicherung und den Eintritt der Versicherungspflicht mit Aufnahme des eigentlichen Studiums hingewiesen. Dementsprechend hat der Vorschlag des Bundesrates keine Aufnahme in das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB V vom 20. Dezember 1991 (BGBl I 2325) gefunden.

Die vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken sind unbegründet. Die angewandte gesetzliche Regelung gehört zur Sozialversicherung, auf die sich nach Art 74 Nr 12 des Grundgesetzes (GG) die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt. In die Gesetzgebungskompetenz der Länder ist nicht in unzulässiger Weise eingegriffen worden. Es verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, wenn die studentische Krankenversicherung nur Studenten eröffnet ist, die die (sprachlichen) Voraussetzungen für ein Studium mitbringen, sie Teilnehmern an studienvorbereitenden Sprachkursen aber verschlossen bleibt. Eine solche Abgrenzung ist nicht unsachgemäß und darf vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit vorgenommen werden.

Hiernach war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 961104

NJW 1993, 959

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