Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Kindeseinkommen. Einkommensgrenze 750 DM. Berücksichtigung von Ausbildungsbeihilfen. kein Abzug ausbildungsbedingter Kosten. Rückforderungsvorbehalt. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Kindergeldgewährung werden Kinder auch dann nicht berücksichtigt, wenn sie die Einkommensgrenze von DM 750,– nur dadurch überschreiten, daß sie neben einer Ausbildungsvergütung auch eine staatliche Ausbildungsbeihilfe erhalten; ausbildungsbedingte Kosten sind nicht abzuziehen (§ 2 Abs 2 BKGG in der bis 31.12.1995 gültigen Fassung).

2. Zur verfassungskonformen Auslegung von Vorschriften, die aufgrund bestandskräftiger Bescheide gezahltes Kindergeld kraft Gesetzes unter Vorbehalt der Rückforderung stellen.

Stand: 24. Oktober 2002

 

Normenkette

BKGG § 2 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1993-12-21, S. 3 Fassung: 1993-12-21; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; BKGG § 44g Abs. 1 S. 1 Fassung: 1994-01-31, Abs. 3 Fassung: 1994-01-31, Abs. 4 Fassung: 1994-01-31

 

Verfahrensgang

Thüringer LSG (Urteil vom 15.08.1995; Aktenzeichen L 3 Kg 8/95)

SG Suhl (Entscheidung vom 15.11.1994; Aktenzeichen S 6 Kg 599/94)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 15. August 1995 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit die Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1994 sowie die Rückforderung von 1.320 DM betroffen ist. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob die Bewilligung von Kindergeld (Kg) nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) wegen zu hohen Einkommens des Kindes ab 1. Januar 1994 aufgehoben und für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1994 überzahltes Kg in Höhe von 1.320 DM zurückgefordert werden durfte.

Der Kläger wohnt in St … (St)/Thüringen. Er bezog für seine Tochter B … (B) (geboren 29. Januar 1974) und zwei jüngere Kinder (geboren 1976 und 1980) Kg ab Juli 1992 in Höhe von monatlich insgesamt 420 DM. Vom 15. August 1992 bis 14. Juni 1995 absolvierte B eine Lehre als Anwalts- und Notargehilfin in H … (H)/Niedersachsen, wofür ihr laut Ausbildungsvertrag eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 450 DM zustand (ab 1. August 1993: 510 DM, ab 1. August 1994: 560 DM). Außerdem bewilligte ihr die Beklagte Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in Höhe von 548 DM (ab 1. August 1994 bis 28. Januar 1995: 498 DM, ab 29. Januar 1995: 538 DM).

Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) teilte die Beklagte „im Jahre 1994” dem Kläger in einem Formular „Erklärung zu den Einkünften eines über 16 Jahre alten Kindes”) die Änderungen des BKGG ab 1. Januar 1994 mit; der Aufforderung zu Angaben über das Einkommen von B kam der Kläger durch Mitteilung der oben genannten Beträge nach. Daraufhin hob die Beklagte für B die Bewilligung von Kindergeld zunächst ab 1. Juli 1994 in Höhe von 220 DM monatlich auf, da die Bezugsvoraussetzungen „zur Zeit unklar” seien (Bescheid vom 12. Juli 1994). Kurz danach hob sie auch die entsprechende Bewilligung für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1994 auf und forderte das für diesen Zeitraum bereits gezahlte Kg in Höhe von 1.320 DM zurück, weil aufgrund des Einkommens von B eine monatliche Überzahlung von 220 DM entstanden sei; außerdem werde der überzahlte Betrag in voller Höhe von den laufenden Kg-Zahlungen einbehalten (Bescheid vom 29. Juli 1994). Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Juli 1994 und den nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einbezogenen Bescheid vom 29. Juli 1994 wurde durch Widerspruchsbescheid vom 26. August 1994 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. November 1994). Das LSG hat ihr bezüglich der „Einbehaltung” (Aufrechnung) stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen (Urteil vom 15. August 1995). Das LSG hat ausgeführt, die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung der Überzahlung seien rechtmäßig, da der Grenzbetrag von 749,99 DM für die Berücksichtigung von Einkommen überschritten gewesen sei. Ausbildungsvergütung und BAB seien zusammenzurechnen, wie sich aus Sinn und Zweck der Regelung unter Einbeziehung der gesetzgeberischen Motive für die Neuregelung ergebe. § 44g BKGG 1994 sei eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung, und eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung sei daneben nicht mehr erforderlich gewesen, so daß das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dahinstehen könne. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 BKGG 1994 sei das Kg bereits ab 1. Januar 1994 unter Vorbehalt gezahlt, also noch nicht endgültig bewilligt worden, wobei der Vorbehalt nach § 44g Abs 4 BKGG nicht in Bescheidform habe erfolgen müssen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gegen § 44g Abs 1, 3 und 4 BKGG 1994 nicht.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 2 Abs 2 BKGG und wendet sich gegen das Zusammenrechnen von Ausbildungsvergütung und BAB. Letztere sei in § 2 Abs 2 Satz 2 und 3 BKGG nicht erwähnt. Ausbildungsbedingt auswärtig untergebrachte Kinder seien zudem gleichheitswidrig benachteiligt. Bei der BAB sei das Kg auch bereits als Einkommen der Eltern angerechnet worden. Vor allem verstoße § 44g Abs 1, 3 und 4 BKGG gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes. Schließlich sei im Jahressteuergesetz 1996 ausdrücklich klargestellt, daß „Bezüge für bestimmte Ausbildungen” bei § 2 BKGG außer Ansatz zu bleiben hätten; das müsse auch hier gelten. Abzuziehen seien daher die Kosten für Bücher und Hefte (50 DM), für tägliche Fahrten zur Arbeit (78 DM) sowie für eine Heimfahrt monatlich (291 DM).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 15. August 1995 abzuändern und das Urteil des Sozialgerichts Suhl vom 15. November 1994 sowie die Bescheide vom 12. und 29. Juli 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1994 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung hinsichtlich des Zeitraums 1. Januar bis 30. Juni 1994 – soweit es um die mit der Revision allein angegriffene Aufhebung der Bewilligung sowie Rückforderung von Kg geht – begründet. Die Aufhebung der Bewilligung des Kg für die Zukunft war rechtlich zulässig; insoweit ist die Revision unbegründet (1.). Hingegen reichen die Feststellungen des LSG nicht zur Überprüfung aus, ob im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Rückforderung von Kg das Verfassungsgebot des Vertrauensschutzes (Art 20 Grundgesetz ≪GG≫) hinreichend beachtet wurde (2.).

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Aufhebung der Bewilligung von Kg ab 1. Januar 1994 sowie die Rückforderung des für die Monate Januar bis Juni 1994 bereits gezahlten Kg in einer Gesamthöhe von 1.320 DM durch die Bescheide vom 12. „ab Juli 1994”) und 29. Juli 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1994; mangels Einlegung der Revision bzw Anschlußrevision durch die Beklagte hinsichtlich der Aufrechnung des zurückgeforderten Kg mit laufenden Kg-Zahlungen ist diese nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit gegenüber den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen bei seinem Erlaß eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Hinsichtlich der Bewilligung von Kg für den Kläger bezüglich seiner Tochter B, eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, war gegenüber den Verhältnissen bei dessen Erlaß durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I, 2353), gemäß Art 14 Abs 1 dieses Gesetzes am 1. Januar 1994 in Kraft getreten, eine wesentliche rechtliche Änderung eingetreten: Nach § 2 Abs 2 Satz 2 und 3 BKGG idF des 1. SKWPG (BKGG 1994) waren bei der Zahlung von Kg solche Kinder nicht (mehr) zu berücksichtigen, denen aus dem Ausbildungsverhältnis oder einer Erwerbstätigkeit Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750 DM monatlich zustanden oder nur deswegen nicht zugestanden haben, weil das Kind auf einen Teil der vereinbarten Bruttobezüge verzichtet hat (Satz 2), und entsprechend, wenn dem Kind Lohnersatzleistungen oder als Ausbildungshilfe gewährte Zuschüsse von Unternehmen, aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, von wenigstens 610 DM monatlich zugestanden haben (Satz 3). Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger bezüglich seiner Tochter B vor, da diese bei Inkrafttreten des BKGG 1994 (Januar 1994) 510 DM Ausbildungsvergütung und 548 DM BAB erhielt und damit zusammengerechnet sowohl die eine als auch die andere Grenze überschritt. Auf die Fragen, ob die Brutto- oder die Nettogrenze maßgeblich sowie in welcher Art und Weise zusammenzurechnen ist (auf Brutto- oder Nettobasis), kommt es im vorliegenden Falle daher nicht an (vgl dazu die Entscheidung des Senats 14/10 RKg 38/95 vom gleichen Tage – zur Veröffentlichung vorgesehen –).

Die Auffassung des Klägers, die Zahlungen nach Satz 2 und 3 seien nicht zusammenzurechnen, ist unzutreffend. Dem Kläger ist einzuräumen, daß dem bloßen Wortlaut der Vorschrift weder dies noch das Gegenteil zu entnehmen ist. Es handelt sich um eine unbeabsichtigte Regelungslücke, die nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers zu schließen ist. Danach ist die Addition der verschiedenen Einkünfte geboten.

Bei der erstmaligen Einführung der Berücksichtigung von Kindeseinkommen durch Art 44 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3091) war zunächst nur von Kindern die Rede, „denen aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750 DM monatlich” (Satz 2) bzw „Unterhaltsgeld von wenigstens 580 DM monatlich” oder „Übergangsgeld…, dessen Bemessungsgrundlage wenigstens 750 DM monatlich beträgt” (Satz 3) zusteht; durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des BKGG vom 30. Juni 1989 (BGBl I, 1294) wurde durch Satz 3 dann ein Kind ausgeschlossen, dem „mit Rücksicht auf die Ausbildung Unterhaltsgeld oder Übergangsgeld von wenigstens 610 DM monatlich zusteht oder nur deswegen nicht zusteht, weil das Kind über anrechnungsfähiges Einkommen verfügt”. Die Gesetzesbegründung führte 1975 aus, daß die Ausbildungsvergütungen im Laufe der Zeit stark gestiegen und Auszubildende häufig nicht mehr auf die Unterhaltsleistungen ihrer Eltern angewiesen seien; die Grenze müsse bei 750 DM monatlich angesetzt werden, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung „brutto”. Bei der Grenze von 580 DM sei zu berücksichtigen, daß vom Unterhaltsgeld weder Steuern noch Sozialabgaben zu zahlen seien; regelmäßig betrage das Unterhaltsgeld 80 % des entgangenen regelmäßigen Entgelts (Bemessungsgrundlage), so daß auch hier der Familienlastenausgleich ab einem Bemessungsentgelt von 750 DM entfalle (BT-Drucks 7/4243, 15f). Im Jahre 1989 lautete die Begründung, seit den Änderungen der Berechnungsvorschriften für das Übergangsgeld habe dieser Grenzwert des Bemessungsentgeltes von 750 DM brutto in der Praxis des Kindergeldverfahrens ohnehin schon „als Nettowert” umgedeutet werden müssen; jetzt solle dies auch gesetzlich klargestellt und der entsprechende Nettowert wegen Änderungen des Einkommensteuerrechts auf 610 DM angehoben werden (BT-Drucks 11/4508, 5). Aus alledem geht hervor, daß auch vom Gesetzgeber sowohl bei der Einschätzung der Entlastungseffekte durch Brutto- oder Nettoeinkünfte wie bei den Grenzwertberechnungen beide Einkunftsarten in engem Zusammenhang gesehen wurden. Es wird auch deutlich, daß die Beträge von 750 DM brutto einerseits und 610 DM – was, da auf Lohnersatzleistungen und Ausbildungshilfen bezogen, nur netto gemeint sein kann – andererseits nicht ohne Grund um rund 20 % des Bruttobetrages differieren, weil sie sich im Ergebnis entsprechen sollen (Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand Mai 1995, § 2 RdNr 2). Wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich klargestellt hat, daß bei Zusammentreffen von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkünften eine Addition zu erfolgen habe, kann das damit erklärt werden, daß ein solches Zusammentreffen selten war, weil es sich in der Regel um Alternativen handelt. Immerhin deutet schon die 1989 gültige Gesetzesfassung darauf hin, wie der Gesetzgeber die Kumulation von Lohnersatzleistungen und sonstigen Einkünften regeln wollte: Einkommen war hinzuzuzählen, wenn es auf Unterhaltsgeld angerechnet wurde und das Unterhaltsgeld nur deswegen den Betrag von 610 DM unterschritt. Dadurch, daß nunmehr auch staatliche oder private Ausbildungsbeihilfen berücksichtigt werden, kommt es häufiger zu einem Zusammentreffen von Ausbildungsvergütung und anderen Einkünften, wodurch auch die Frage nach der rechtlichen Behandlung einer solchen Kumulation, die vorher keine Rolle gespielt hat, mit viel größerer Häufigkeit aufgeworfen wird. Dies ist vom Gesetzgeber offenbar übersehen worden; jedenfalls findet sich in den Gesetzgebungsmaterialien darauf kein Hinweis.

Beim Zusammentreffen von Ausbildungsvergütung und staatlichen Ausbildungsbeihilfen, die eine zu geringe Ausbildungsvergütung bei geringem Familieneinkommen „aufstocken”, entspricht allein die Addition der Leistungen dem Sinn und Zweck der Berücksichtigung von Kindeseinkommen im Kindergeldrecht. Die Zusammenrechnung erfordert keinen besonderen Verwaltungsaufwand, der gegen eine Zusammenrechnungsabsicht des Gesetzgebers sprechen könnte. Es wäre mit keinem sachlichen Grund zu rechtfertigen, Kg wohl bei Bezug einer BAB von 610 DM, nicht aber zB bei gleichzeitigem Bezug einer Ausbildungsvergütung von 749 DM und einer BAB von 609 DM, zusammen also 1.358 DM, entfallen zu lassen. Eine derartige Absicht kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Sinn und Zweck der Regelung bestehen im Gegenteil darin, das Kg bei einer vergleichbaren Entlastung der Eltern durch die im Gesetz genannten Brutto- oder Nettoleistungen entfallen zu lassen; das muß daher auch gelten, wenn eine vergleichbare Gesamtentlastung teils durch Brutto- und teils durch Nettoleistungen bewirkt wird. Zu Recht führt das LSG in diesem Zusammenhang aus, nicht der „glückliche Zufall” des knappen Unterschreitens beider Entgeltgrenzen, sondern allein die Gesamtaddition der beiden Beträge könne für ein gerechtes Ergebnis maßgeblich sein.

Ausbildungsbedingte Kosten sind nicht von dieser Gesamtaddition abzusetzen, weil sie auch bei den einzelnen Einkommensarten nicht zu berücksichtigen sind. Der Gesetzgeber hat zur Verwaltungsvereinfachung bewußt bei der Ausbildungsvergütung auf Bruttoeinkommen abgestellt; bei den Lohnersatzleistungen ist er zwar von Nettobeträgen ausgegangen, hat dabei aber nur das Fehlen von Steuer- und Sozialabgaben im Auge gehabt. Daß mit jeder Ausbildung auch bestimmte Kosten, wenn auch in unterschiedlicher Höhe, verbunden sind, kann der Gesetzgeber schwerlich übersehen haben. Er hat sich dennoch für eine pauschale Festsetzung von Einkommensgrenzen entschieden, ohne Rücksicht auf individuell anfallende Ausbildungskosten. Im Rahmen einer Sozialverwaltung mit millionenfachen Leistungsfällen kann eine solche Pauschalierung verfassungsrechtlich nicht im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG beanstandet werden (BVerfGE 80, 108, 118; 83, 395, 401). Insbesondere bei ausbildungsbedingt auswärtig untergebrachten Kindern hätte der Gesetzgeber eine vollständig gerechte Lösung zwischen Kindern ohne oder mit geringem Einkommen, solchen mit Einkommen und hohen Kosten sowie solchen mit Einkommen und geringen oder fehlenden Kosten aber nur im Wege verwaltungsaufwendiger Einzelberechnungen finden können; ähnliches würde bezüglich Arbeitsmitteln und -kleidern gelten. In bezug auf auswärtig untergebrachte Kinder durfte der Gesetzgeber pauschalierend auch davon ausgehen, daß in diesem Fall in aller Regel auch höhere Entlastungsleistungen zur Verfügung stehen. Dies galt insbesondere auch bei der Gewährung von BAB, bei der ein entsprechend erhöhter Ausbildungsbedarf leistungserhöhend berücksichtigt wurde. In dieser Auslegung liegt keine Abweichung gegenüber der Entscheidung des 10. Senats vom 24. September 1986 (10 RKg 9/85 = SozR 5870 § 2 Nr 47); denn dort wurden, nach der oben geschilderten früheren Rechtslage, vom Arbeitgeber erstattete Fahrtkosten nur aus den „Bruttobezügen … aus dem Ausbildungsverhältnis” herausgenommen und als nicht steuerpflichtiger Aufwendungsersatz angesehen. Es ging also um die Definition des Bruttoeinkommens, nicht wie hier um die Frage der Berücksichtigung von ausbildungsbedingten Aufwendungen. Auch die erst am 1. Januar 1996 in Kraft getretene Einschränkung in § 2 Abs 2 Satz 3 BKGG idF des Jahressteuergesetzes 1996, BGBl I, 1250 „Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bleiben hierbei außer Betracht; entsprechendes gilt für Einkünfte, soweit sie für solche Zwecke verwendet werden”) läßt nicht den Schluß zu, der Gesetzgeber habe damit nur eine schon vorher geltende Einschränkung deklaratorisch geregelt. Dieser Schluß verbietet sich schon deshalb, weil das Recht des Familienlastenausgleichs (jetzt: Familienleistungsausgleich) vollkommen neu geregelt worden ist und eine Systemumstellung von einer Sozialleistung zu einer im Regelfall steuerrechtlichen Lösung stattgefunden hat (vgl zu den entsprechenden Regelungen im Einkommensteuerrecht: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl 1997, § 32 RdNr 30 f).

Die gesetzliche Änderung des Kg-Rechts stellt auch generell betrachtet keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 GG, das Eigentumsgrundrecht des Art 14 GG, das Schutzgebot für Ehe und Familie aus Art 6 GG oder das Prinzip des Vertrauensschutzes gemäß Art 20 GG dar. Grundsätzlich liegt es – auch unter dem Blickwinkel der Art 3 und 6 GG – im Ermessen des Gesetzgebers, ob und in welcher Weise er einen Familienlastenausgleich durch Gewährung von Kg verwirklicht (BVerfGE 69, 272, 301; 72, 9, 18f; BSG SozR 5870 § 2 Nr 42). Wenn der Gesetzgeber wegen eigenen, nicht unerheblichen Einkommens von Kindern die Berechtigung zum Kg-Bezug entfallen läßt, so überschreitet er damit nicht die ihm zustehende Regelungsbefugnis. Seine Gestaltungsfreiheit erlaubt es ihm vielmehr auch, bei Vorhandensein einer Kg-Regelung bestimmte Anspruchsvoraussetzungen zu ändern oder ganz wegfallen zu lassen, soweit er damit nicht in andere Grundrechte des Berechtigten eingreift (BSG aaO). In dem Wegfall bestimmter Ansprüche nach dem BKGG liegt kein gegen Art 14 GG verstoßender Eingriff. Die Gewährung von Familienlastenausgleichsleistungen wie Kg schafft für den Berechtigten keine eigentumsbegründenden oder eigentumsähnlichen Rechte, wie etwa diejenigen, die Versicherte durch die Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung erlangen. Kg wird den Berechtigten vielmehr aus allgemeinen Haushaltsmitteln gewährt. Unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes ist maßgeblich, daß der Wegfall des Kg nicht rückwirkend erfolgt. Grundsätzlich kann der Bürger aber nicht darauf vertrauen, daß eine für ihn günstige Regelung in alle Zukunft bestehen bleibt; vielmehr ist eine Abwägung zwischen dem Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der für ihn günstigen Rechtslage und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit geboten (BVerfGE 70, 69, 84; 67, 1, 15). Das Bundesverfassungsgericht hat dem gesetzgeberischen Motiv der entschlossenen, kurzfristigen Haushaltssanierung (vgl dazu hier: BT-Drucks 12/5502, 1, 19) selbst dort das größere Gewicht beigemessen, wo es um eine Weiterfinanzierung des Studienabschlusses ging (BVerfGE 70, 69, 85). Von daher bestehen auch im vorliegenden Fall keine Bedenken gegenüber einem sofortigen Greifen der Regelung ohne Übergangslösung.

Ob – wie der Kläger vorträgt – bei der Berechnung von BAB das Kg berücksichtigt worden ist, kann offenbleiben. Selbst wenn das der Fall wäre, kann es nicht dazu führen, daß ihm aus diesem Grunde Kg bewilligt wird, auf das er rechtlich keinen Anspruch hat. Eine Anrechnung des Kg bei der BAB – sollte sie erfolgt sein – hätte bei deren Bewilligung angegriffen werden können. Nach alledem war die Aufhebung der Kg-Bewilligung für die Zukunft ab 1. Juli 1994 gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gerechtfertigt; die Begründung des Aufhebungsbescheides vom 12. Juli 1994 „zur Zeit unklar”) war allerdings fehlerhaft, weil § 48 SGB X eine vorsorgliche Aufhebung nicht erlaubt. Der Fehler wirkt sich nur deshalb nicht aus, weil nach dem Vorgesagten in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können (§ 42 Satz 1 SGB X).

2. Hingegen sieht sich der Senat nicht in der Lage, aufgrund der Feststellungen des LSG auch über die rückwirkende, für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1994 erfolgte Aufhebung der KG-Bewilligung in Höhe von 200 DM monatlich sowie die entsprechende Rückforderung von 1.320 DM Kg abschließend zu entscheiden.

Auf die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung sowie Rückforderung von KG hat das LSG nicht § 48 SGB X, sondern zu Recht § 44g BKGG 1994 als Spezialvorschrift angewandt. Nach der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion, wonach das Kg ab 1. Januar 1994 nur noch unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Rückforderung gezahlt worden ist (§ 44g Abs 1 Satz 1 BKGG 1994) und es eines Bescheides über diesen Vorbehalt gemäß § 44g Abs 4 BKGG 1994 nicht bedurfte, hat ab 1. Januar 1994 nur noch eine vorläufige Zahlung, aber keine endgültige Bewilligung von Kg mehr vorgelegen. Der Bescheid vom 29. Juli 1994 hat dementsprechend den Anspruchswegfall ab 1. Januar 1994 festgestellt, ohne daneben eine ausdrückliche Aufhebung der Kg-Bewilligung im Rahmen der §§ 45, 48 SGB X auszusprechen; der überzahlte Betrag ist gemäß § 44g Abs 3 BKGG 1994 ohne weiteres zurückgefordert worden. Der Auffassung des LSG, die Regelungen des § 44g Abs 1, 3 und 4 BKGG 1994 verstießen nicht gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, weil die Neuregelung derjenigen in § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X „zumindest ähnlich” und als „gewollte unbürokratische Übergangslösung … unter Berücksichtigung der Vielzahl der … zu überprüfenden Sachverhalte unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten noch zu akzeptieren” sei, folgt der Senat allerdings nicht; eine entsprechende Auslegung der Vorschriften wäre wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip (Vertrauensschutz) des Art 20 GG verfassungswidrig. Bei mehreren möglichen Auslegungen einer Vorschrift ist aber diejenige Auslegung geboten, die zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt (BVerfGE 88, 145, 166).

Bei wörtlicher Auslegung des § 44g Abs 3 BKGG 1994 wäre das ab Januar 1994 überzahlte Kg ohne jeden Vertrauensschutz zurückzuzahlen. Eine vergleichbare Rechtsfolge spricht zwar auch die allgemeine Erstattungsvorschrift des § 50 Abs 1 SGB X aus. Das ist dort aber hinzunehmen, weil der erforderliche Vertrauensschutz dadurch gewährleistet wird, daß zuvor der zugrundeliegende Verwaltungsakt aufgehoben werden muß und in diesem Rahmen der erforderliche Vertrauensschutz gewährt wird (vgl insbesondere §§ 45 und 48 SGB X). Die übergangsrechtliche Sonderregelung des § 44 g BKGG 1994 schaltet hingegen die allgemeinen Vorschriften über die Aufhebung von Verwaltungsakten aus, ohne Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen. Sie bedeutet, daß der Gesetzgeber in bestandskräftige Verwaltungsakte in der Weise eingreift, daß er ihnen „ipso iure”, also ohne ausführenden Änderungsbescheid, die Qualität als Rechtsgrund für die weiterhin erbrachten Leistungen mit der Folge aberkennt, daß die nach der Neuregelung auf diese Weise ohne Rechtsgrund erhaltenen Leistungen ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Empfängers zurückzuerstatten wären.

Ein solcher „Selbstvollzug” des Gesetzes ist im Sozialrecht verfassungsrechtlich nur ausnahmsweise zulässig. Gerade in diesem Rechtsgebiet mit seinen besonders schutzbedürftigen, häufig existentiell betroffenen Personenkreisen bedürfen die Rechtspositionen des einzelnen und deren beabsichtigte Veränderung in besonderem Maß der Beachtung der dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 GG entspringenden Grundsätze der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, weshalb grundsätzlich nicht der Selbstvollzug des Gesetzes, sondern dessen Umsetzung durch Verwaltungsakt unter Anwendung auf den jeweiligen Einzelfall das gebotene Instrument für die Festlegung einer Rechtsposition und deren Veränderung ist. Der Verwaltungsakt dient dabei einerseits dem rechtsstaatlichen und effektiven Gesetzesvollzug, andererseits der Konkretisierung und Sicherung der Rechte des einzelnen. Im Hinblick auf die Vielzahl der das tägliche Leben regelnden Gesetzesvorschriften gewährleistet der Verwaltungsakt die Übersichtlichkeit und Berechenbarkeit der Verwaltung und ist somit Grundlage des Vertrauensschutzes in den Fortbestand einer für den einzelnen günstigen Regelung; der Begünstigte wird damit von eigener Rechtskenntnis entbunden und entlastet. Eine Kompetenz der Organe der Gesetzgebung, unmittelbar durch Gesetz konkrete Rechte und Pflichten bestimmter Bürger zu regeln oder zu verändern und damit entgegen der grundsätzlichen Funktionentrennung (Prinzip der Gewaltenteilung, Art 20 Abs 2 S 2 GG) in den Kernbereich der Verwaltung einzugreifen, muß daher eine seltene Ausnahme bleiben, die einer besonderen Rechtfertigung bedarf (vgl zum Ganzen: BSGE 77, 253, 258f = BSG SozR 3-8570 § 13 Nr 1; 77, 86, 91f = SozR 3-5405 Art 59 Nr 1; BSGE 58, 72, 76 = SozR 3870 § 58 Nr 1; BSG SozR 1300 § 48 Nr 57 – jeweils mwN).

Ein derartiger Ausnahmefall kann hier allerdings bejaht werden, weil sich aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks aaO) ergibt, daß die Regelung den Verfassungsgeboten der Haushaltskonsolidierung (Art 110 Abs 1 Satz 2 GG – vgl dazu Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl 1995, Art 110, RdNr 3 mwN) und zugleich der Gleichbehandlung aller Kg-Empfänger (Art 3 GG) dienen sollte. Zudem handelte es sich um eine für alle Empfänger von Ausbildungs-Kg gleichermaßen geltende, also um eine für ein Gesetz typische generelle Regelung. Die Verwirklichung des Rückzahlungsvorbehaltes mit seinen konkreten, individuellen Einzelheiten ist hingegen weiterhin einem Verwaltungsakt vorbehalten geblieben und hier durch den Bescheid vom 29. Juli 1994 auch in Form eines Verwaltungsaktes vollzogen worden, so daß der Rechtsschutz gegen den endgültigen Wegfall des Kg voll gewahrt blieb. Die beabsichtigte sofortige Einsparung von Kg-Zahlungen an durch Kindeseinkommen entlastete Eltern unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes wäre bei Einhaltung der allgemeinen Vorschrift des § 48 SGB X nicht zu verwirklichen gewesen. Die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 12/5929, 2) führen dazu aus, daß die umfassendere Berücksichtigung eigenen Einkommens der Kinder in vielen Fällen zusätzliche Überprüfungen erfordere, die nicht vor Inkrafttreten der Bestimmungen erledigt werden könnten; deshalb sei „aus organisatorischen Gründen wegen der kurzen Vorlaufzeit eine Übergangsvorschrift erforderlich, die vor allem auch für die Vielzahl von Kindergeldstellen des öffentlichen Dienstes eine ausreichende Bearbeitungszeit sicherstelle, ohne die Gleichbehandlung der Kg-Empfänger zu gefährden”. Der Schwierigkeit einer raschen Umsetzung hatte der Gesetzgeber in der Vergangenheit dadurch Rechnung getragen, daß das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3091) allgemein bereits zum 1. Januar 1976, bezüglich der erstmalig vorgeschriebenen Einkommensanrechnung beim Kg aber erst zum 1. Juli 1976 in Kraft getreten war (Art 47 § 2 Nr 4).

Zwar war es verfassungsrechtlich nicht geboten, daß der Gesetzgeber erneut den Weg wählte, verwaltungsmäßigen Umsetzungsschwierigkeiten durch späteres Inkraftsetzen der Neuregelung Rechnung zu tragen. Eine Rückzahlungsverpflichtung bei im Vertrauen auf den bislang nicht aufgehobenen Verwaltungsakt und auch im übrigen gutgläubig bezogenen Leistungen kann indessen vom Gesetzgeber nicht angeordnet werden, ohne gegen das Rechtsstaatsprinzip zu verstoßen. Der Bürger muß sich darauf verlassen können, daß durch Verwaltungsakt begründete Rechte nicht überraschend mit der Folge entwertet werden, daß er Leistungen zurückzuzahlen hat, die er im Vertrauen auf ihre Rechtmäßigkeit inzwischen verbraucht hat. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, daß auch § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X eine rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts vorsieht, wenn nach Erlaß des Verwaltungsakts Einkommen erzielt wird, das zum Wegfall des Anspruchs geführt haben würde. Denn diese Vorschrift betrifft den Fall, daß die Änderung der Verhältnisse in der nachträglichen Erzielung von Einkommen besteht; dann ist die rückwirkende Aufhebung gerechtfertigt, weil dem Empfänger nicht Sozialleistungen und Einkommen nebeneinander verbleiben sollen und der Empfänger die Änderung auch regelmäßig bemerkt. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um eine Änderung der Einkommensverhältnisse, sondern um eine Gesetzesänderung; die Einkommenssituation ist unverändert geblieben und brauchte dem Kläger keinen Anlaß zu der Überlegung geben, ob ihm Kg auch ab Januar 1994 noch zustand. Eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung wäre nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nur möglich gewesen, wenn der Kläger gewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt hätte, daß der sich aus dem bindenden Verwaltungsakt ergebende Anspruch infolge der Gesetzesänderung weggefallen war.

Der weitgehende Vertrauensschutz, den § 48 SGB X gewährleistet, ist freilich verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 13). Verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen wird schon dadurch genügt, daß von Gesetzes wegen überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen berücksichtigt und mit den öffentlichen Belangen abgewogen werden kann (BVerfGE 59, 128, 164, 167). Die eine unbedingte Rückzahlung überzahlten Kg anordnende Vorschrift des § 44g Abs 3 BKGG läßt sich in diesem Sinne verfassungskonform einschränkend auslegen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber die Regelung ungeachtet des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes bewußt so getroffen hat. Es läßt sich überhaupt nicht erkennen, daß verfassungsrechtliche Erwägungen angestellt worden sind. Die Gesetzesänderung ist erst aufgrund der Ausschußberatungen und kurz vor ihrem Inkrafttreten beschlossen worden. Es liegt deshalb die Annahme nahe, daß es an der Zeit für eine gründliche verfassungsrechtliche Prüfung der vorgesehenen Gesetzesänderung gefehlt hat. Weil es an einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers, den Vertrauensschutz des Betroffenen generell hintanzustellen, fehlt, und der Wortlaut der Vorschrift einer einschränkenden Interpretation zugänglich ist, ist die Auslegung verfassungskonform dahingehend vorzunehmen, daß eine Rückzahlungspflicht entfällt, wenn der Betroffene von der Gesetzesänderung nichts wußte und auch bei Beachtung der zu verlangenden Sorgfalt nichts wissen konnte. Dabei ist klarstellend darauf hinzuweisen, daß vom betroffenen Bürger nicht erwartet werden kann, die im Gesetzblatt verkündeten Gesetze jeweils zu verfolgen und daraufhin zu prüfen, ob sich daraus Änderungen für ihm bereits bewilligte Leistungen ergeben. Er kann im allgemeinen darauf vertrauen, daß Gesetzesänderungen durch Bescheide umgesetzt werden, zumindest aber, daß er über ihn betreffende Gesetzesänderungen unterrichtet wird. Im Einzelfall mag es auch genügen, wenn eine Gesetzesänderung längere Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist und der Betroffene für sich die entsprechenden Schlüsse bereits aus diesen Informationsquellen hätte ziehen können. Im vorliegenden Fall kann das wegen der kurzfristigen Einfügung der Änderung ausgeschlossen werden.

Zu der nach alledem maßgeblichen Frage, ob der Kläger wußte oder hätte wissen müssen, daß das Gesetz geändert und der Anspruch dadurch bereits seit dem 1. Januar 1994 weggefallen sein konnte, hat das LSG – von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht – keine Feststellungen getroffen, so daß eine Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung geboten war (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Insoweit könnte es darauf ankommen, ob das nach den Feststellungen des LSG „im Jahr 1994” im Zusammenhang mit möglichem Einkommen von B versandte Formular – oder auch eine frühere Information, etwa eine mündliche Mitteilung oder ein in Bezug auf ein anderes Kind schon früher versandtes entsprechendes Formular – einen ausreichenden Hinweis auf die Gesetzesänderung und ein eventuelles Wegfallen des Kg darstellen konnte, der ein Vertrauen des Klägers ab einem bestimmten Zeitpunkt entfallen läßt und die Rückzahlung rechtfertigt.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173259

SozR 3-5870 § 2, Nr.38

SozSi 1998, 280

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