Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 25.10.1995; Aktenzeichen L 11 Ka 75/95)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das Revisionsverfahren. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der als Hautarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger beansprucht die Genehmigung, die zu 8. beigeladene Ärztin, die keine Gebietsbezeichnung führt, anstellen zu dürfen. Dies lehnten die Zulassungsgremien ab, weil der in der vertragsärztlichen Praxis anzustellende Arzt über dieselbe Gebietsbezeichnung verfügen müsse wie der Praxisinhaber (Bescheid des beklagten Berufungsausschusses vom 14. April 1994).

Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil vom 7. Dezember 1994 entsprochen; das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat sie auf die Berufungen des Beklagten und der zu 5. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) abgewiesen. Der anzustellende Arzt müsse derselben Arztgruppe angehören wie der Praxisinhaber. Das sei zwar nicht ausdrücklich in § 32b der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) geregelt, ergebe sich aber aus § 32b Abs 2 Satz 3 Ärzte-ZV iVm § 103 Abs 1 Sätze 1 bis 3, Abs 2 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Diese Vorschriften seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Postulat der Fachgebietsidentität diene zudem den Interessen der Patienten und der überweisenden Ärzte.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, der Anspruch auf Genehmigung ergebe sich letztlich aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG), weil in den gesetzlichen Bestimmungen die Fachgebietsidentität als Voraussetzung für die Genehmigung nicht verlangt sei. Die vom LSG vorgenommene Auslegung sei weder veranlaßt noch notwendig. § 32 Ärzte-ZV, der die Voraussetzungen für die Einstellungen von Weiterbildungsassistenten regele, enthalte – zu Recht – entsprechende einschränkende Voraussetzungen ebenfalls nicht. Der Praxisinhaber sei sowohl gegenüber den Patienten als auch im Rahmen der Abrechnung für die ärztliche Tätigkeit des Assistenten verantwortlich. Nichts anderes gelte für den angestellten Arzt, denn auch er arbeite unter Anleitung und Aufsicht des Praxisinhabers. Die Überlegungen des LSG zum Recht der Bedarfsplanung seien unzutreffend, weil der anzustellende Arzt die Praxiskapazität und damit den Versorgungsgrad in dem Fachgebiet des Praxisinhabers durchaus erhöhe. Die Rechtsauffassung des LSG verletze auch die Beigeladene zu 8. in ihrem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG. Da sich diese in ihrem eigentlichen – gesperrten – Fachgebiet nicht selbst niederlassen könne, führe dies zu einem Berufsverbot für die Beigeladene zu 8. Schließlich sei die Ärzte-ZV kein Gesetz iS des Art 12 Abs 1 GG, denn der Gesetzgeber habe sich in den § 95 Abs 9 Satz 2, § 98 SGB V mit der Ermächtigung zum Erlaß der Ärzte-ZV als Rechtsverordnung selbst gebunden. Er hätte die Ärzte-ZV als Gesetz erst nach entsprechender Änderung der § 95 Abs 9, § 98 SGB V erlassen dürfen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 1995 aufzuheben und die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 5) gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7. Dezember 1994 zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1., 3. und 5. bis 7. beantragen ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Beschluß, das seiner Auffassung nach überzeugend begründete Urteil des LSG sowie das Senatsurteil vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 84/95 –.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung der Beigeladenen zu 8. Diese kann mangels einer abgeschlossenen Weiterbildung zur Hautärztin auf dem Gebiet, für das der Kläger zugelassen ist, nicht als angestellte Ärztin tätig sein.

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 84/95 – SozR 3-5520 § 32b Nr 2 und – 6 RKa 74/95 –) setzt der Anspruch auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes iS des § 32b Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV voraus, daß der angestellte Arzt über eine abgeschlossene Weiterbildung auf demselben Fachgebiet verfügt wie der Praxisinhaber. Der Senat hat dazu im einzelnen ausgeführt, dies ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie aus den Vorschriften über die ärztliche Bedarfsplanung. Vorrangig folge das Erfordernis der übereinstimmenden gebietsärztlichen Qualifikation aus der auch für die vertragsärztliche Tätigkeit geltenden Fachgebietsbindung nach den Heilberufs- und Kammergesetzen der Bundesländer. Grundsätzlich sei es mit dem sich daraus ergebenden System einer fachlich gegliederten ärztlichen Versorgung nicht zu vereinbaren, wenn der für ein bestimmtes Fachgebiet zugelassene Vertragsarzt einen angestellten Arzt beschäftigte, der die für dieses Gebiet vorgeschriebene Qualifikation nicht erworben habe. Der angestellte Praxisarzt erfülle unbeschadet seiner arbeitsrechtlichen Stellung und seiner Weisungsgebundenheit in fachlich-medizinischer Hinsicht dieselbe Funktion wie der zugelassene Arzt. Insoweit unterscheide er sich von dem (Weiterbildungs-) Assistenten nach § 32 Ärzte-ZV. Zudem sei die vertragsärztliche Bedarfsplanung nur dann sinnvoll zu praktizieren, wenn Praxisinhaber und angestellter Arzt derselben Gebietsgruppe angehörten.

Das Revisionsvorbringen gibt keine Veranlassung zur Aufgabe dieser Rechtsprechung.

Die vom Kläger vertretene Auffassung, § 32b Abs 2 Satz 3 Ärzte-ZV sei schon deshalb unwirksam, weil die Ärzte-ZV entgegen der Verordnungsermächtigung in den § 95 Abs 9 Satz 2, § 98 SGB V als Gesetz verabschiedet worden sei, geht fehl. Der Gesetzgeber ist in Ausübung seiner verfassungsgemäßen Kompetenz befugt, unter Übergehung einer von ihm selbst erlassenen Verordnungsermächtigung ein Regelwerk – hier Teile der Ärzte-ZV – als Gesetz zu beschließen (vgl bereits BSGE 70, 167, 172 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2; BSGE 76, 59, 61 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1).

Soweit der Kläger vorträgt, der Senat sei in seinen Urteilen vom 19. Juni 1996 – aaO – zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Beschäftigung eines angestellten Arztes ohne eine fachliche Qualifikation, die der des Praxisinhabers entspreche, das Leistungsspektrum der Praxis unzulässig erweitere, verkennt er den Inhalt der Entscheidungen. Bezüglich des nicht gleich qualifizierten angestellten Arztes hat der Senat vielmehr darauf hingewiesen, daß dessen Beschäftigung die mit der Spezialisierung bezweckte qualitativ hochwertige fachärztliche Versorgung in Frage stelle. Auch dem Argument des Klägers, die beabsichtigte Anstellung diene allein dem Zweck der Durchführung nicht spezifisch fachärztlicher Leistungen, kann nicht gefolgt werden. Das ergibt sich schon aus den in den Urteilen vom 19. Juni 1996 dargelegten rechtlichen Unterschieden zwischen einem Ausbildungsassistenten und einem angestellten Arzt. Dieser behandelt die Patienten gerade nicht auf Anweisung und unter Aufsicht des Vertragsarztes, sondern in eigener fachlich-medizinischer Verantwortung, und zwar in einer – auch gegenüber den Patienten ausgewiesenen – fachärztlichen Praxis.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

SozSi 1998, 120

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