Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwandsentschädigung eines Ehrenbeamten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Aufwandsentschädigung eines Ehrenbeamten ist nur insoweit wie "sozialrechtlich relevantes", bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze "rentenschädliches" Arbeitsentgelt (Arbeitseinkommen) zu behandeln, als sie dem Versicherten tatsächlich entgangenes Arbeitsentgelt aus neben dem Ehrenbeamtendienst oder - bei Freistellung hierfür - zuvor ausgeübten versicherungspflichtigen Hauptberuf ersetzt.

 

Normenkette

AVG § 25 Abs. 4

 

Gründe

I. Streitig ist die Gewährung von vorzeitigem Altersruhegeld (ARG).

Der im April 1924 geborene Kläger ist als Ehrenbeamter auf Zeit Ortsvorsteher der Ortschaft (A.) der Gemeinde (Sch.) in,Baden-Württemberg. Seine hauptberuflich ausgeübte Beschäftigung als Elektromeister beim Amt für Verteidigungslasten des Landratsamtes 0. gab er am 30. September 1987 auf. Als Ortsvorsteher erhielt er vor dem 1. Oktober 1987 eine monatliche Aufwandsentschädigung von 1.345,71 DM nach dem Gesetz über die Aufwandsentschädigung der ehrenamtlichen Bürgermeister und der ehrenamtlichen Ortsvorsteher (Aufwandsentschädigungsgesetz - AufwEntG) des Landes Baden-Württemberg i.d.F. vom 19. Juni 1987 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1987 § 281 ff) i.V.m. der Satzung der Gemeinde Sch. Davon blieben 300,-- DM bei der Berechnung der Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge unberücksichtigt. Der Kläger vereinbarte mit der Gemeinde Sch., er verzichte ab 1. Oktober 1987 auf den Teil seiner Aufwandsentschädigung, der dem Bezug eines ARG entgegenstehe (46,71 DM). Die ihm ab Oktober 1987 gezahlte Aufwandsentschädigung belief sich daher auf 1.299,-- DM monatlich. Davon war Grundlage der Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ein Betrag von 999,-- DM.

Den Antrag des Klägers vom Juni 1987, ihm ab 1. Oktober 1987 ARG wegen Vollendung des 63. Lebensjahres zu gewähren, lehnte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit dem streitigen Bescheid vom 22. Juli 1987, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1988, ab, weil er aus seiner Beschäftigung als ehrenamtlicher Ortsvorsteher ein Arbeitsentgelt von monatlich 1.045,71 DM erhalte, das die Hinzuverdienstgrenze von 1.000,-- DM nach § 25 Abs. 4 Satz 1 Buchst b des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) überschreite. Der Verzicht auf monatlich 46,71 DM ab Oktober 1987 sei rechtsmißbräuchlich und deshalb unbeachtlich.

Das Sozialgericht (SG) Freiburg hat den streitigen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Oktober 1987 vorzeitiges ARG zu gewähren (Urteil vom 24. August 1988). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 17. Februar 1989). Es hat ausgeführt: Die Erwerbstätigkeit des Klägers überschreite die Hinzuverdienstgrenze nicht. Zwar enthalte der von einem Ortsvorsteher nach § 71 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) zu verrichtende Dienst sowohl einen Anteil an repräsentativen, mehr selbständig wahrzunehmenden Funktionen als auch einen Teil an Verwaltungsarbeit, bei welcher der Ortsvorsteher alle Merkmale einer abhängigen Beschäftigung erfülle. In Höhe von 300,-- DM liege eine echte Aufwandsentschädigung für die Wahrnehmung von reinen Aufgaben der Repräsentation vor. Der Restbetrag von mehr als 1.000,-- DM sei Arbeitsentgelt. Der Kläger habe jedoch auf den monatlich 999,-- DM übersteigenden Betrag wirksam und auch für die Beklagte beachtlich verzichtet.

Mit der vom Landessozialgericht (LSG) zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 25 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Buchst b AVG. Sie ist der Auffassung, die dem Kläger gewählte Vergütung in Höhe von 1.045,71 DM sei Arbeitsentgelt aufgrund unselbständiger Beschäftigung i.S. von § 14 Abs. 1. Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Das Landessozialgericht (LSG) habe nicht überzeugend geklärt, daß der Verzichtsvertrag zwischen dem Kläger und dem kommunalen Arbeitgeber nach der Gemeindeordnung (GemO) und dem dazu ergangenen Ausführungsrecht zulässig sei und Einfluß auf das beitrags- und versicherungspflichtige Arbeitsentgelt habe. Die in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geforderte ausdrückliche Verzichtsregelung im Gesetz (Hinweis auf BSGE 61, 54; 59) liege nicht vor. Aus dem Schweigen des Gesetzes könne entgegen dem Landessozialgericht (LSG) nicht auf eine Verzichtsmöglichkeit geschlossen werden. Ein Verzicht auf Entgeltteile oberhalb der Hinzuverdienstgrenze stehe im Widerspruch zu dem Zweck des vorzeitigen ARG und sei rechtsmißbräuchlich (Hinweis BT-Drucks 7/3, 1, 6; Maier/Danne/Löschau/Sander, Rentenreform 72/74, Kommentar, 1976, 29 ff; Lösche, DAngVers 1986, 313).

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Freiburg vom 24. August 1988 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Urteile der Vorinstanzen für zutreffend und trägt unter Vorlage der Ablichtung eines Schreibens des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 18. Juli 1983 vor, kommunale Ehrenbeamte übten keine die Arbeitsmarktlage beeinflussende Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit aus, so daß die ihnen zufließenden Entschädigungen - ungeachtet ihrer steuer-, sozialversicherungs- oder versorgungsrechtlichen Behandlung - nicht als Einkünfte i.S. der Hinzuverdienstgrenze gelten könnten. Außerdem sei der Verzicht auf einen Teil der Aufwandsentschädigung rechtlich zulässig.

Die Beklagte hat dem Kläger mit Ausführungsbescheid vom 17. Mai 1989 zum Urteil des SG vom 24. August 1988 vorläufig ARG für die Zeit ab 1. Oktober 1987 bewilligt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).

II.

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zu Recht entschieden, daß dem Kläger vorzeitiges ARG ab 1. Oktober 1987 zu gewähren ist.

Nach § 25 Abs 1 Regelung 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) erhält ARG auf Antrag der Versicherte, der das 63. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Wartezeit nach Abs 7 Satz 1 aaO erfüllt ist, dh wenn 35 anrechnungsfähige Versicherungsjahre zurückgelegt sind, in denen mindestens eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten enthalten ist. Diese Voraussetzungen liegen vor: Der im April 1924 geborene Kläger hat vor dem 1. Oktober 1987, ab dem er Rente begehrt, das 63. Lebensjahr vollendet. Er hat auch die erforderliche Wartezeit erfüllt; denn er hat ua mehr als 500 Monate an Beitragszeiten zurückgelegt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ihm das beantragte ARG nicht deswegen zu versagen, weil er als ehrenamtlicher Ortsvorsteher "rentenschädlich" iS von § 25 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) gegen Entgelt beschäftigt gewesen wäre. Nach dieser Vorschrift besteht Anspruch auf ARG nach Abs 1 aaO bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres neben einer Beschäftigung gegen Entgelt (oder - was hier nicht in Betracht kommt - neben einer Erwerbstätigkeit) nur, wenn die Beschäftigung a) - was hier ausscheidet - nur gelegentlich (dazu Urteil des erkennenden Senats vom 31. Mai 1989 - BSGE 65, 113 = SozR 2200 § 1248 Nr 48) oder b) zwar laufend oder in regelmäßiger Wiederkehr, aber nur gegen ein Entgelt ausgeübt wird, das durchschnittlich im Monat 1.000,- DM nicht überschreitet.

Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend erkannt, daß der Kläger seit dem 1. Oktober 1987 kein Entgelt erhalten hat, das die Hinzuverdienstgrenze überschreitet. Es kann offenbleiben, ob der Verzicht des Klägers auf einen Teil seiner Aufwandsentschädigung wirksam ist und ggf rentenversicherungsrechtlich beachtlich wäre. Denn seine Aufwandsentschädigung ist schon kein iS von § 25 Abs 4 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) "rentenschädliches" Entgelt aus einer Beschäftigung.

Beachtlich ("rentenschädlich" iS von Abs 4 Satz 1 aaO) sind nur wirtschaftliche Betätigungen und Einkünfte hieraus, die a) "sozialrechtlich relevant", dh grundsätzlich (§ 2 AVG) rentenversicherungspflichtig sind und b) diejenige altersbedingte Einbuße im Erwerbseinkommen gar nicht erst entstehen lassen, deren Ausgleich das vorzeitige ARG bezweckt (Urteil des Senats vom 31. Mai 1989 - aaO). Die Hinzuverdienstgrenze begrenzt nämlich das Wahlrecht des Versicherten (Abs 1 aaO), den Eintritt in den Ruhestand selbst zu bestimmen, nicht nach der Höhe seines Gesamteinkommens (§ 16 SGB IV), sondern nur nach der eines Arbeitsentgelts (§ 14 SGB IV) oder Arbeitseinkommens (§ 15 SGB IV) aus einer Beschäftigung (§ 7 SGB IV) oder selbständigen Erwerbstätigkeit, die "neben" (§ 25 Abs 4 Satz 1 AVG) dem Bezug des vorzeitigen ARG ausgeübt wird. Übersteigt das Arbeitsentgelt (oder Arbeitseinkommen) die im Gesetz genannte Höhe, ist die Gewährung des ARG nicht gerechtfertigt. Denn das vorzeitige ARG bezweckt, eine altersbedingte Einbuße der Fähigkeit, durch Arbeit die Mittel zur wirtschaftlichen Sicherung des Lebensunterhalts zu erwerben, auszugleichen, hingegen nicht, ein - uU unverändert erarbeitetes - Arbeitsentgelt aus an sich rentenversicherungspflichtiger Beschäftigung aufzustocken und zugleich für den Versicherten beitragsfrei (§ 6 Abs 1 Nr 1 AVG) zu stellen (so der Senat im Urteil vom 31. Mai 1989, unter Hinweis auf die Begr zur BT-Drucks VI/3767, S 6; BSGE 53, 242, 245 = SozR 2200 § 1248 Nr 36; vgl auch BSG SozR aaO Nr 41).

Es kann dahingestellt bleiben, ob der ehrenbeamtete Ortsvorsteher in Baden-Württemberg mit Blick ausschließlich auf den Ehrenbeamtendienst überhaupt eine angestelltenversicherungspflichtige "Beschäftigung gegen Entgelt" (§ 2 Abs 1 Nr 1 AVG) ausübt.

Zwar ist dem Landessozialgericht (LSG) im Ergebnis beizupflichten, daß der Kläger als Ortsvorsteher eine "Beschäftigung" iS von § 7 Abs 1 SGB IV, dh eine nichtselbständige Arbeit, verrichtet. Als Ehrenbeamter steht er nämlich in einem - besonderen - Beamtenverhältnis zu seinem Dienstherrn (zur Unterscheidung zwischen Ehrenbeamten, anderen Inhabern von Ehrenämtern und sonstigen ehrenamtlich Tätigen in der öffentlichen Verwaltung vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 95 S 528 f mwN; Stober, Der Ehrenbeamte in Verfassung und Verwaltung, 1981, S 12 ff mwN) und ist (unbeschadet seiner kommunalrechtlichen Organstellung; vgl dazu BSG SozR 2200 § 1229 Nr 12 S 18 mwN) grundsätzlich zur weisungsgebundenen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben für diesen berufen (vgl §§ 3 Abs 2, 2 Abs 2, 37 BRRG). Das Berufungsgericht hat hierzu teils im Wege bindender (§ 163 SGG) tatsächlicher Feststellungen, teils in Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Landesrechts (§ 162 SGG) ausgeführt, der Kläger habe - jedenfalls überwiegend - weisungsgeleitete "Verwaltungsarbeit" erfüllt.

Erhebliche Bedenken bestehen aber jedenfalls, ob der Kläger als Ehrenbeamter - wie die Vorinstanz angenommen hat - "gegen Entgelt" (§ 2 Abs 1 Nr 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) iVm § 14 SGB IV) beschäftigt ist oder aber eine Aufwandsentschädigung ohne Entgeltqualität erhält. Die einem kommunalen Ehrenbeamten nach Landesrecht zu gewährende Aufwandsentschädigung ist nämlich, - worauf noch einzugehen ist - grundsätzlich nur insoweit wie ein - ggf Versicherungs- und Beitragspflicht begründendes - Entgelt zu behandeln, wie sie nicht lediglich den mit der ehrenamtlichen, dh unentgeltlichen (Bayerischer VGH, ZBR 1987, 108), Tätigkeit verbundenen erhöhten Aufwand ausgleichen soll, sondern eine durch den Ehrendienst verursachte Einbuße an Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen (Verdienstausfall) ersetzt (BSG SozR 2200 § 165 Nr 44 S 60; BSGE 53, 242, 246 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 88; aA wohl BSG SozR, aaO, Nr 41 S 104 ff; vgl §§ 3 Nr 12, 24 Nr 1 EStG). Das Landessozialgericht (LSG) hat daher in diesem Zusammenhang unzutreffend angenommen, es komme darauf an, in welchem Umfang der Kläger Repräsentationsaufgaben erfüllt oder "Verwaltungsarbeit" geleistet hat und wie die Aufwandsentschädigung steuerlich behandelt worden ist. Nur dann, wenn feststeht, daß dem Ehrenbeamten entgangenes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen ersetzt worden ist, kann uU zur Ermittlung des Entgeltbetrages als Anhalt dienen, in welchem Umfang die Aufwandsentschädigung zu versteuern war (vgl BSG SozR 2200 § 165 Nr 44 S 61). Dabei sind die Träger der Sozialversicherung (und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit) an die Entscheidungen der Finanzbehörden nicht gebunden (vgl BSG, SozR aaO, Nr 32, S 41 f). Das Landessozialgericht (LSG) hat aber bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß der Kläger seit dem 1. Oktober 1987 nur als Ortsvorsteher tätig gewesen und keiner (anderen) Beschäftigung gegen Entgelt oder Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Schon deswegen hat er durch die ehrenamtliche Tätigkeit keinen konkreten Verdienst-/Einkommensausfall in einem Hauptberuf erlitten, den ihm die Aufwandsentschädigung ersetzen könnte. Bei dieser Sachlage liegt schon bei Prüfung der Versicherungspflicht des Ehrenbeamtendienstes fern, die Aufwandsentschädigung oder einen Teil hiervon wie Arbeitsentgelt zu behandeln (vgl BSGE 53, 242, 246 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 88).

Jedoch ist in der höchtrichterlichen Rechtspr noch nicht geklärt, nach welchem Maßstab zu beurteilen ist, ob die Aufwandsentschädigung entgangenes Einkommen (Verdienstausfall) ersetzt. So hat der 11. Senat des BSG (SozR 2200 § 1248 Nr 41 S 104 bis 106) nur dem Teil der Aufwandsentschädigung Entgeltqualität abgesprochen, der "wirklichen Aufwand" ausgleicht. Was darüber hinausgehe, "zB Verdienstausfall" ersetze, gehöre auch dann zum Arbeitsentgelt, wenn der Versicherte nach Aufgabe seiner entlohnten Beschäftigung nur die ehrenamtliche Tätigkeit fortsetze. Denn das Fehlen eines konkreten Verdienstausfalles schließe eine Erstattung nach Durchschnittsätzen nicht aus. Demgegenüber hat der 1. Senat des BSG (BSGE 53, 242, 246 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 88) darauf abgestellt, daß die einem ehrenamtlich Tätigen, der seine lohnabhängige Beschäftigung aufgegeben hat, gewährte Entschädigung "daher" keinen Ausgleich für Verdienstausfall enthalten könne. Den Ausführungen des 12. Senats des BSG (SozR 2200 § 165 Nr 44 S 60 f) ist nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen, ob er die konkrete Betrachtungsweise des 1. Senats des BSG oder die abstrakte des 11. Senats des BSG teilt.

Diese Frage nach dem Beurteilungsmaßstab, von deren Beantwortung die Entscheidung abhängt, ob der Kläger als Ehrenbeamter angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt ist, muß hier nicht abschließend entschieden werden. Denn die Rentenschädlichkeit einer Aufwandsentschädigung hängt - wie ausgeführt - nicht nur davon ab, daß die Beschäftigung (Erwerbstätigkeit) grundsätzlich (§ 2 AVG) rentenversicherungspflichtig ist; die Verweigerung des vorzeitigen ARG ist vielmehr erst dann gerechtfertigt, wenn die Aufwandsentschädigung gerade diejenige altersbedingte Einbuße im Erwerbseinkommen gar nicht erst entstehen läßt, deren Ausgleich das vorzeitige ARG bezweckt. Das ist - was noch darzulegen ist - nach Sinn und Zweck jedenfalls des § 25 Abs 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) dahin zu entscheiden, daß Aufwandsentschädigungen für Ehrenbeamte nur insoweit wie "sozialrechtlich relevantes" Arbeitsentgelt (oder Arbeitseinkommen) zu behandeln sind, wie dem Versicherten im Einzelfall wegen seines Dienstes als Ehrenbeamter Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) oder Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) aus einer daneben oder - bei Freistellung - zuvor ausgeübten (hauptberuflichen) versicherungspflichtigen Beschäftigung (oder Erwerbstätigkeit) tatsächlich entgangen und durch die Aufwandsentschädigung ersetzt worden ist. Das bedeutet: Die Aufwandsentschädigung eines Ehrenbeamten ohne Hauptberuf ist "rentenunschädlich" iS von § 25 Abs 4 AVG.

Dieses Ergebnis folgt aus dem Zweck der Hinzuverdienstgrenze und der Rechtsnatur der Aufwandsentschädigung für Ehrenbeamte: Der Leistungsausschluß nach § 25 Abs 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) soll nur eintreten, soweit der Versicherte trotz Erreichens einer flexiblen Altersgrenze seinen Lebensunterhalt im wesentlichen, dh in einem über der Hinzuverdienstgrenze liegenden Umfang, durch Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung (oder Arbeitseinkommen aus einer Erwerbstätigkeit) sichert. Das ARG nach § 25 Abs 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ist nämlich keine vom Einkommen oder gar der Bedürftigkeit des Versicherten abhängige Leistung (BSGE 53, 242, 244 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 86). Die Vorschrift soll vielmehr aus gesundheits-, arbeitsmarkt-, sozial- und finanzpolitischen Gründen den humanitären Sinn der flexiblen Altersgrenze rechtlich durchsetzen, indem sie ua verhindert, daß zum Eintritt in den Ruhestand berechtigte Versicherte wegen des Anreizes eines Doppeleinkommens (vorzeitiges ARG neben Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen) ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand weiterarbeiten und jüngere Versicherte mit ihren Beiträgen ein solches Doppeleinkommen der älteren mitfinanzieren müssen (vgl Begr zu BT-Drucks VI/3767, S 6; BT-Drucks 7/3, S 1, 6; Maier/Danne/Löschau/Sander, Rentenreform 72/74, 7. Aufl 1974, S 28 ff). Hingegen lag es dem Gesetzgeber völlig fern, durch die Hinzuverdienstgrenze einen wirtschaftlichen Zwang auf Versicherte ausüben zu wollen, kommunale Ehrenämter nicht zu übernehmen oder bei Inanspruchnahme einer flexiblen Altersgrenze niederzulegen oder auf einen Teil der nach Landesrecht angemessenen Entschädigung für den durch die ehrenamtliche Tätigkeit verursachten besonderen Aufwand verzichten zu müssen (vgl BSGE 53, 242, 247 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 89).

Ein Versicherter kann jedoch durch den Dienst als Ehrenbeamter grundsätzlich keine Einkünfte zur Sicherung seines Lebensunterhaltes erzielen:

Nach zwingendem Bundesrecht ist nämlich das Ehrenbeamtenverhältnis nicht dazu bestimmt und nicht geeignet, den Ehrenbeamten im Blick auf seinen Lebensunterhalt wirtschaftlich zu sichern. Vielmehr dürfen Ehrenbeamte keine Dienstbezüge und keine Versorgung erhalten (§ 115 Abs 2 Satz 1 BRRG). Die Gewährung von Lebensunterhalt durch den Dienstherrn ist mit dem Status eines Ehrenbeamten unvereinbar (BVerwG ZBR 1980, 25, 26). Der Rechtscharakter der ihm gewährten Entschädigung wird ua unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel entscheidend dadurch geprägt, daß sie gerade keine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts ist. Sie bezweckt lediglich, den durch die ehrenamtliche, dh grundsätzlich unentgeltliche, Dienstleistung bedingten Aufwand und die damit verbundenen Beschwernisse und finanziellen Einbußen in bestimmtem Umfang auszugleichen. Ihr liegt mithin in einem weitgefaßten Sinn der Gedanke der Unkostenerstattung (zB für monatliche Repräsentationsaufwendungen, zusätzliche Kleidung, Essen, Getränke, Spenden, Vereinsbeiträge, Eintritte, Zuwendungen, Dienstleistungen zu ungewöhnlichen Zeiten, persönliche Beschwernisse und dergleichen) zugrunde, mag sie der Höhe nach auch einer Bezahlung für geleistete Tätigkeit angenähert sein und konkret oder pauschal festgesetzt werden (BVerwG aaO; Bayerischer VGH ZBR 1987, 108; BSG SozR 5850 § 41 Nr 13 S 37 f; Stober, aaO, 161, 164; jew mwN). Sie ist Ersatz für die besonderen materiellen, ideellen, persönlichen und zeitlichen Beschwernisse, die der Ehrenbeamte in seiner Freizeit bei Ausübung seines Dienstes an der Allgemeinheit zusätzlich auf sich nimmt. Daraus erhellt, daß der Ehrenbeamte seinen Lebensunterhalt aus einem bürgerlichen Hauptberuf, einem beamtenrechtlichen Hauptamt, aus Renteneinkünften oder aus seinem Vermögen bestreiten muß (vgl BSG aaO, 38; Hans J. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl 1987, 522; jew mwN). Daher bestehen die Gefahren, denen die Hinzuverdienstgrenze iS von § 25 Abs 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) begegnen soll, bei einem Versicherten grundsätzlich nicht, der neben dem vorzeitigen ARG ausschließlich eine Aufwandsentschädigung als Ehrenbeamter erhält.

Ob die Rechtslage ausnahmsweise rentenversicherungsrechtlich anders zu beurteilen wäre, wenn das Bundesland die Grenzen seiner Gesetzgebungskompetenz (Art 74a Abs 1, 75 Nr 1, 72 Abs 1 GG) überschritten und unter Verletzung von Bundesrecht (Art 31 GG) eine § 115 Abs 2 Satz 1 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) widersprechende Regelung der "Aufwandsentschädigung" iS einer Besoldung getroffen hätte, ist hier nicht zu entscheiden. Denn einerseits hat das Landessozialgericht (LSG) in Auslegung nicht revisiblen Landesrechts (§ 162 SGG) festgestellt, es handele sich bei den Entschädigungen nach § 19 Abs 3 Gemeindeordnung (GemO) iVm dem Aufwandsentschädigungsgesetz (AufwEntG) des Landes Baden-Württemberg um ein aliud im Vergleich zu Dienstbezügen; sie deckten im Grunde einen besonderen Aufwand ab; ferner habe der Landesgesetzgeber keine Regelung getroffen, in welchem Umfang sie als Arbeitsentgelt anzusehen seien. Andererseits hat die Durchsicht der weiteren, vom Landessozialgericht (LSG) nicht angesprochenen Vorschriften des Aufwandsentschädigungsgesetz (AufwEntG) und der GemO, deren Inhalt das BSG erstmalig feststellen darf (BSG SozR 2200 § 1248 Nr 41 S 102 mwN), keinen Anhaltspunkt gegeben, das Land habe die Grenzen seiner Gesetzgebungsmacht überschritten.

Obwohl - wie ausgeführt - die einem Ehrenbeamten gewährte Aufwandsentschädigung kein Entgelt aus dieser Beschäftigung ist, kann sie - worauf der 1. Senat des BSG hingewiesen hat (BSGE 53, 242, 246 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 88) - zu einem Anteil Arbeitsentgelt (Arbeitseinkommen) aus einer daneben oder - bei Freistellung - zuvor (hauptberuflich) ausgeübten Beschäftigung (Erwerbstätigkeit) vertreten (Ersatz von Verdienst- oder Einkommensausfall) und daher wie ein solches zu behandeln sein. Voraussetzung hierfür ist aber, daß der Versicherte - ungeachtet seines Dienstes als Ehrenbeamter - überhaupt entgeltlich beschäftigt (oder erwerbstätig) ist (BSG aaO) oder - bei Freistellung für den Ehrenbeamtendienst - zuvor war. Denn nur dann, wenn Arbeitsentgelt (Arbeitseinkommen) wegen der Ausübung des Ehrenbeamtendienstes wirklich ausgefallen ist, kann und muß insoweit der dafür in der Aufwandsentschädigung, die hierdurch ihren Rechtscharakter nicht ändert, im Einzelfall - pauschal oder individuell - festgesetzte Ausgleichsbetrag stellvertretend (wie Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen) in Ansatz gebracht werden, um eine leistungsrechtliche Bevorzugung der Ehrenbeamten auszuschließen. Der Kläger war aber - wie das Landessozialgericht (LSG) bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat - seit dem 1. Oktober 1987 - neben seinem Ehrenamt - nicht entgeltlich beschäftigt oder selbständig erwerbstätig; er war auch nicht zur Dienstleistung als Ehrenbeamter freigestellt.

Mit dieser Rechtspr weicht der Senat nicht iS von § 42 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von derjenigen eines anderen Senats des BSG ab: Der 11. Senat ist für Angelegenheiten der Rentenversicherung nicht mehr zuständig; der 12. Senat ist nicht zuständig für das Leistungsrecht der AnV.

 

Fundstellen

BSGE, 150

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