Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18.04.1985; Aktenzeichen L 2 BU 5/85)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. April 1985 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob sich die Verletztenrenten des Klägers gem § 583 Abs. 1 und 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für den am 17. September 1965 geborenen Sohn Holger in der Zeit vom 1. Oktober 1983 bis zum 30. Juni 1984 um die Kinderzulage erhöhen. Der Kläger ist Schwerverletzter, denn er erhält von der Beklagten zwei Renten nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um insgesamt 58 1/3 vH.

Während der streitigen Zeit befand sich der Sohn des Klägers bei einem Bergwerksunternehmen in der Berufsausbildung zum Elektroanlageninstallateur. Seine Ausbildungsvergütung belief sich damals auf monatlich 777,– DM einschließlich 52,– DM vermögenswirksamer Leistungen. Er hatte jedoch auf monatlich 28,– DM dieser Vergütung verzichtet, so daß er von seiner Arbeitgeberin nur 749,– DM ausgezahlt erhielt.

Mit Bescheid vom 9. September 1983 teilte die Beklagte dem Kläger mit, über den 30. September 1983 hinaus bestehe ein Anspruch auf Weitergewährung der Kinderzulage für den Sohn Holger nicht, weil diesem eine monatliche Ausbildungsvergütung von mehr als 750,– DM zustehe. Der dagegen vom Kläger erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. November 1983).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, über den 30. September 1983 hinaus bis zum 30. Juni 1984 dem Kläger die Kinderzulage zu gewähren. Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteile vom 7. Dezember 1984 und 18. April 1985). Es hat den Verzicht auf einen Teil der Ausbildungsvergütung als wirksam angesehen.

Die Beklagte hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Sie trägt vor, die Entgeltgrenze des § 583 Abs. 3 Satz 3 RVO sei überschritten, weil der Sohn des Klägers im Verhältnis zur Beklagten nicht wirksam auf einen Teil seiner Ausbildungsvergütung verzichtet habe.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gem § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen dem Kläger die Kinderzulage für seinen Sohn Holger über den 30. September 1983 hinaus bis zum 30. Juni 1984 zuerkannt.

Umstritten ist in diesem Rechtsstreit nur die Frage, ob die Voraussetzungen des § 583 Abs. 3 Satz 3 RVO erfüllt waren, wonach die Kinderzulage dann nicht zu gewähren ist, wenn das Kind sich in Ausbildung befindet und ihm aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,– DM monatlich zustehen. Die übrigen Voraussetzungen, an die die Kinderzulage geknüpft ist, hatte der Kläger während des streitigen Zeitraumes erfüllt. Darüber hinaus stand seinem Sohn damals aus dem Ausbildungsverhältnis eine Vergütung von 749,– DM monatlich zu, so daß der in § 583 Abs. 3 Satz 3 RVO genannte Grenzwert nicht erreicht wurde.

Allerdings hätte der Sohn des Klägers nach den gem § 163 SGG für den Senat bindenden Feststellungen des LSG eine höhere Vergütung von seiner Arbeitgeberin erhalten können und zwar insgesamt 777,– DM monatlich einschließlich vermögenswirksamer Leistungen in Höhe von 52,– DM. Das entspricht dem ab 1. Mai 1983 gültigen Tarifvertrag über die Vergütungen für Auszubildende und Jungbergleute im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau. Danach waren für „andere Ausbildungsberufe” als die bergmännischen im engeren Sinne im zweiten Ausbildungsjahr über Tage monatlich 725,– DM vorgesehen. Daneben stand dem Auszubildenden nach dem Tarifvertrag über die Gewährung einer Treueprämie im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau eine vermögenswirksame Leistung in Höhe von 624,– DM jährlich zu, was einem Monatsbetrag von 52,– DM entspricht. Auch diese Treueprämie gehört als vermögenswirksame Leistung zu den Bruttobezügen iS des § 583 Abs. 3 Satz 3 RVO. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Begriff der „Bruttobezüge aus dem Ausbildungsverhältnis” in den §§ 39 Abs. 3 Satz 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), 1262 Abs. 3 Satz 4 RVO und 2 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG – vgl. BSG in SozR 2200 § 1262 Nrn 13 und 19 sowie das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 24. September 1986 – 10 RKg 9/85 –). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Sie kann ohne weiteres auf den gleichlautenden Begriff in § 583 Abs. 3 Satz 3 RVO übertragen werden. Der Sohn des Klägers hat jedoch rechtswirksam auf 28,– DM monatlich verzichtet, so daß ihm während der streitigen Zeit Bruttobezüge nur in Höhe von 749,– DM zustanden.

Der erkennende Senat pflichtet dem LSG darin bei, daß § 46 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB 1) hier nicht angewendet werden kann. Danach ist der Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen unwirksam, soweit ua durch ihn Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Die Vorschrift bezieht sich nur auf Sozialleistungen, während der Sohn des Klägers auf einen Teil der ihm – arbeitsrechtlich – zustehenden Ausbildungsvergütung, die mit einer Sozialleistung nicht vergleichbar ist, verzichtet hat. Wenn in diesem Zusammenhang von „Verzicht” die Rede ist, dann bezieht sich das auf einen zweiseitigen schuldrechtlichen Vertrag zwischen dem Sohn des Klägers und dem ausbildenden Unternehmen, das das Angebot zum Verzicht angenommen und lediglich 749,– DM monatlich gezahlt hat. Da das geltende Recht einen einseitigen Verzicht auf schuldrechtliche Forderungen nicht vorsieht, ist hier ein Erlaßvertrag iS des § 397 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzunehmen.

§ 583 Abs. 3 Satz 3 RVO stellt es darauf ab, ob dem Kind Bruttobezüge von 750,– DM „zustehen”. Was dem Sohn des Klägers während des streitigen Zeitraumes zustand, ist nach zivilrechtlichen, insbesondere arbeitsrechtlichen Normen sowie nach dem Ausbildungsvertrag und zusätzlichen Vereinbarungen zu beurteilen. Den Verzicht auf Arbeitsvergütung erfaßt § 4 Abs. 4 Satz 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) idF vom 25. August 1969 (BGBl I, 1323). Die Vorschrift erklärt einen Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich für zulässig. Das LSG hat in der angefochtenen Entscheidung schon zutreffend darauf hingewiesen, daß im allgemeinen der Verzicht auf einen Teil der Ausbildungsvergütung im Verhältnis zum Leistungsträger der Sozialversicherung dann als wirksam angesehen wird, wenn er in einer tarifvertraglichen Regelung vorgesehen ist (vgl. Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, § 39 AVG Anm. 6.2.2.5.; Schimansky/Emmerich/Warode/Lueg, Knappschaftsversicherung, § 60 RKG Anm. 15a; Habig, „Ist der Verzicht auf Gehaltsspitzen uneingeschränkt zulässig?” in SozVers 1966, 332). Auch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sind zu der Ansicht gelangt, bei der Beurteilung von Ansprüchen auf Kinderzuschüsse (§ 1262 RVO) oder Waisenrenten (§ 1267 RVO) nach Vollendung des 18. Lebensjahres seien die arbeitsrechtlich gültig vereinbarten Bruttobezüge aus dem Ausbildungsverhältnis maßgebend. Gestatte eine tarifvertragliche Vereinbarung ausdrücklich einen Verzicht auf tariflich zustehende Bruttobezüge, so sei der Teilverzicht auf das Entgelt als rechtlich gültig anzusehen und nicht zu beanstanden (vgl. „Kinderzuschuß und Waisenrente nach Verzicht auf Ausbildungsvergütung?” in Kompaß 1983, 71 f). In gleicher Weise verfährt die Bundesanstalt für Arbeit beim Kindergeld (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG), wie sich aus der in den Akten des SG befindlichen Stellungnahme dieses Leistungsträgers vom 31. Januar 1984 ergibt.

Eine tarifvertragliche Vereinbarung, in der der Verzicht auf Teile der Bruttobezüge aus einem Ausbildungsverhältnis gebilligt wird, enthält der „Tarifvertrag über die ab 1. Mai 1983 gültigen Vergütungen für Auszubildende und Jungbergleute im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau” in Nr. 5. Damit ist § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG Rechnung getragen und der Verzicht im Falle des Klägers arbeitsrechtlich wirksam.

Darüber hinaus ist der erkennende Senat der Auffassung, daß auch ohne die ausdrückliche Billigung der Tarifvertragsparteien der Verzicht auf Teile der Ausbildungsvergütung in dem hier praktizierten Umfang rechtswirksam ist. Eine geringfügige Herabsetzung des Lohnes, die zu einem sozialversicherungsrechtlichen Vorteil führt, kann nach § 4 Abs. 3 TVG als gestattet angesehen werden. Diese Vorschrift erklärt abweichende Abmachungen für zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Im Zweifel kann man den Verzicht auf sogenannte Lohn- oder Gehaltsspitzen als von den Tarifvertragsparteien nach § 4 Abs. 3 TVG gestattet ansehen, weil der Verzicht dem mutmaßlichen Willen der Tarifparteien entspricht (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl § 4 Rz 210 mwN; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 4 Rz 202). Der soziale Schutzzweck des § 4 Abs. 4 TVG wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Die Beklagte bestreitet nicht, daß es rechtlich möglich ist, auf Vergütungsspitzen zu verzichten. In ihrer Revisionsbegründung weist die Beklagte auf entsprechende tarifvertragliche Vereinbarungen hin, meint jedoch, es handele sich jeweils um Entgeltverzichte mit Wirkung auf die Höhe von Beitragsleistungen oder Steuern und nicht um Verzichte, die ausgesprochen würden, um Ansprüche gegen die Versichertengemeinschaft zu begründen. Auch die Nr. 5 des bereits erwähnten Tarifvertrages über die ab 1. Mai 1983 gültigen Vergütungen für Auszubildende lasse die Argumentation des LSG nicht zu, Verzichtender und Begünstigter müßten nicht personengleich sein und es sei ausreichend, wenn sich die wirtschaftlichen Vorteile im unmittelbaren Umkreis des Verzichtenden auswirkten.

Der Senat folgt hingegen dem LSG darin, daß die tarifvertragliche Billigung des Verzichts auf Teile der Ausbildungsvergütung im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau auch den Fall des Klägers und seines Sohnes erfaßt. Der Tarifvertrag stellt es darauf ab, ob der Verzicht sich wirtschaftlich zu Gunsten des Auszubildenden auswirkt (vgl. auch Hagemeier ua, aaO). Im Regelfall trifft das bei Kindern zu, die im Haushalt der Eltern leben, wenn sich deren wirtschaftliche Situation verbessert. Zwar wird im allgemeinen in Tarifverträgen der Verzicht auf Vergütungsspitzen unter dem Aspekt der Einsparung von Steuern und Beiträgen gesehen. Die Frage aber, ob ein solcher Verzicht zur Gewährung der Kinderzulage führen kann, stellt sich erst seit der Anfügung der Sätze 3 und 4 an den Abs. 3 des § 583 RVO mit Wirkung ab 1. Juli 1976 durch Art. 17 § 1 Nr. 5 des Haushaltsstrukturgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 1391). Möglicherweise ist deshalb ein Regelungsbedarf bei Tarifparteien noch nicht gesehen worden. Die entsprechende Formulierung im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau für die Zeit ab 1. Mai 1983 läßt es jedenfalls ohne weiteres zu, auch Kinderzulagen und Kinderzuschüsse einzubeziehen. Folgt man zudem dem Senat darin, daß über § 4 Abs. 3 TVG der Verzicht in geringfügigem Umfang ohnehin als gestattet angesehen werden kann, weil er dem mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien entspricht, dann kommt es nicht darauf an, ob die Billigung in einer tarifvertraglichen Vereinbarung ausdrücklich klargestellt worden ist.

Der Senat sieht auch keine Möglichkeit, den arbeitsrechtlich wirksamen Verzicht auf Vergütungsspitzen in seiner rentenrechtlichen Auswirkung von einer Personengleichheit zwischen Verzichtendem und Begünstigten abhängig zu machen. Diese Personengleichheit ist bei der – ebenfalls von Einkommensgrenzen abhängigen – Gewährung der Waisenrente bei Berufsausbildung ohnehin gegeben und eine unterschiedliche Auswirkung eines tariflich zulässigen Verzichts bezüglich der Waisenrente (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage in der Sache 5a RKn 26/85) und der Versichertenrente ließe sich unter keinem Gesichtspunkt rechtfertigen. Dies gilt umsomehr als der Kinderzuschuß zwar Bestandteil der Versichertenrente ist und deshalb unmittelbar dem Rentenberechtigten zusteht, jedoch im wirtschaftlichen Endergebnis dazu bestimmt ist, dem vom Rentenberechtigten zu unterhaltenden Kind zuzufließen (vgl. § 48 SGB 1 und BSGE 57, 127, 129 mwN). Schon deswegen sind die von den Ausnahmen vom generellen Verzichtsverbot des § 4 Abs. 4 TVG grundsätzlich zu fordernden positiven Auswirkungen zugunsten des Verzichtenden auch im vorliegenden Fall gegeben. Diese können ihm jedenfalls mittelbar in Form einer Erhöhung des Familieneinkommens zugute kommen. Schließlich hat der Gesetzgeber selbst in § 583 Abs. 3 Satz 3 RVO den Anspruch des Verletzten auf Kinderzulage von den Bruttobezügen des Kindes abhängig gemacht und damit verknüpft. Dann muß es auch möglich sein, beider gemeinsame Interessen miteinander zu verknüpfen und zu berücksichtigen.

Der Senat hält auch den Verzicht auf die für eine vermögenswirksame Anlage vorgesehenen Leistungen des Arbeitgebers für zulässig. Das hat der Senat für den Fall eines Beamtenanwärters mit dem bereits genannten und ebenfalls zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 27. November 1986 – 5a RKn 26/85 – entschieden, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. In gleicher Weise ist der Verzicht auf vermögenswirksame Leistungen möglich, die einem Auszubildenden aufgrund eines Tarifvertrags zustehen und die somit als tarifliche Rechte unter das TVG fallen. Durch dessen § 4 Abs. 4 kann der Auszubildende nicht gezwungen werden, die Voraussetzungen zu erfüllen, unter denen eine vermögenswirksame Anlage nach dem Dritten Vermögensbildungsgesetz idF vom 30. September 1982 (BGBl I 1369) möglich ist.

Bei an sich möglichen Bruttobezügen von insgesamt 777,– DM monatlich überschreitet der Verzicht auf 28,– DM nicht das Maß des Geringfügigen. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Verzicht den Betrag nicht übersteigt, der als vermögenswirksame Leistungen vorgesehen ist, weil diese überhaupt nicht in Anspruch genommen werden müssen.

Somit ist festzuhalten, daß der Sohn des Klägers durch eine vertragliche Vereinbarung mit dem ausbildenden Bergbauunternehmen rechtswirksam auf 28,– DM monatlich seiner Ausbildungsvergütung oder der Treueprämie verzichtet hat, so daß ihm während der streitigen Zeit weniger als 750,– DM monatlich zustanden. Dabei bedurfte es keiner Feststellungen darüber, ob der Verzicht nun die Ausbildungsvergütung oder die Treueprämie betraf; denn in beiden Fällen ist er gültig vereinbart worden. Im Rahmen des dem Kläger zustehenden Anspruchs auf Kinderzulage muß die Beklagte diesen Verzicht gegen sich gelten lassen, obwohl er sich zu Lasten der Versichertengemeinschaft auswirkt (vgl. hierzu ebenfalls das Urteil des erkennenden Senats vom 27. November 1986 aaO).

Mit dieser Entscheidung weicht der Senat nicht vom Urteil des BSG vom 6. Oktober 1982 (in SozR 2200 § 1267 Nr. 27) ab, wonach der Verzicht auf Gehaltsvorauszahlungen für einen Anspruch auf Waisenrente ohne Bedeutung ist. Wenn der Versicherte – so hat der 4. Senat des BSG ausgeführt – sich durch eigenes Handeln der Möglichkeit begeben habe, den ganzen ihm zur Verfügung stehenden (= ihm zustehenden) Betrag zu vereinnahmen, so vermöge er sich auf dieses Verhalten nicht zu berufen. Der jenem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt weist bezüglich des Verzichts erhebliche Unterschiede im Vergleich zu dem hier entschiedenen Rechtsstreit auf. Jener Versicherte hat im Grunde nicht auf einen Teil der ihm zustehenden Anwärterbezüge verzichtet, sondern Vorschüsse auf die Erhöhung der Bezüge abgelehnt, um diese dann in Form einer einmaligen Nachzahlung zu bekommen. Bei einer solchen Sachlage stimmt der erkennende Senat dem Urteil des 4. Senats vom 6. Oktober 1982 (aaO) zu.

Nach Auffassung des Senats hat ein Träger der Sozialversicherung nur dann die Möglichkeit, einen nach geltendem Tarifvertragsrecht oder dem Dritten Vermögensbildungsgesetz wirksam vereinbarten Verzicht auf Vergütungsspitzen nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn die Rechtsausübung mißbräuchlich ist. So aber kann das Verhalten des Klägers im Zusammenwirken mit seinem Sohn nicht bewertet werden. Zwar meint der Senat, eine Tendenz beim Gesetzgeber zu erkennen, Gestaltungsmöglichkeiten in der Sozialversicherung zu beseitigen. So ist zB § 1310 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz RVO aufgehoben worden, der die Möglichkeit einer Beschränkung des Leistungsantrags enthielt. Auch § 1260c Abs. 2 RVO hat ein bisheriges Wahlrecht des Versicherten beseitigt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Berechtigte den ihm zustehenden Anspruch im gesetzlich vorgebenen Rahmen mit legalen Mitteln ausschöpfen kann. Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung zum Unterhaltsverzicht ist nicht geeignet, hier eine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Immerhin hindert zB der Unterhaltsverzicht aus verständigem Grund nicht ein Wiederaufleben der Witwenrente. Die Rechtslage im Falle des Klägers ist mehr vergleichbar derjenigen beim Verzicht auf Vergütungsspitzen, um niedrigere Beiträge zur Sozialversicherung zahlen zu müssen. Auch dann entgeht der Versichertengemeinschaft die Differenz zu den höheren Beiträgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 921539

BSGE, 54

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