Beteiligte

Klägerin und Revisionsbeklagte

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten ihrer Unterbringung in der Rheinischen Landesklinik Düsseldorf für die Zeit ab 16. Juni 1978 (bis zum 12. Oktober 1983) zu erstatten.

Die 1923 geborene Klägerin leidet an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis; sie ist entmündigt. 1953 soll sie erstmals wegen Geisteskrankheit stationär behandelt worden sein. Von 1959 bis 1975 befand sie sich wiederholt für längere Zeit in der Rheinischen Landesklinik Düsseldorf. Am 15. Februar 1978 wurde sie erneut in diese psychiatrische Klinik eingewiesen. Eine Ärztin der Vertrauensärztlichen Dienststelle nahm bei einer Begehung Anfang Juni 1978 in Übereinstimmung mit dem Stationsarzt an, daß Krankenhauspflegebedürftigkeit nur noch bis einschließlich 15. Juni 1978 anerkannt werden könne und dann ein Pflegefall, also kein Behandlungsfall mehr vorliege. Die Beklagte übernahm daraufhin die Kosten lediglich bis zu diesem Tage. Nach erfolglosem Widerspruch hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die stationären Behandlungskosten über den 15. Juni 1978 hinaus zu übernehmen sowie der Klägerin den bereits bis zum 31. Dezember 1978 gezahlten Betrag in Höhe von DM 12.824, 30 nebst 4% Zinsen zu erstatten. Das SG kommt zu dem Ergebnis, die Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenhauspflege nach § 184 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien bei der Klägerin auch über den 15. Juni 1978 hinaus erfüllt. Nach dem von ihm eingeholten Gutachten der Landesobermedizinalrätin Dr. Sch., Rheinische Landesklinik Düsseldorf, vom 29. April 1980 handele es sich bei der Krankheit der Klägerin um eine Schizophrenie mit einem insgesamt chronischen Verlauf mit deutlichem Wechsel zwischen viele Monate bis Jahre anhaltenden, in ihrer Gestaltung jeweils sich ändernden Schüben und ebenfalls bis zu Jahren relativ symptomarmen Zwischenstadien, während derer die Klägerin keiner stationären Behandlung bedürfe. Es bestehe nach dem Verlauf der Krankheit berechtigte Aussicht, die Klägerin noch soweit zu bessern, daß sie bei wesentlich geringerer Medikation ohne dauernden Fremdantrieb durch psychologisch geschultes Personal zumindest eine Stabilisierung auf dem derzeitigen Niveau erreiche und somit ihre Entlassung in ambulante Behandlung möglich werde. Wenn auch Anfang Juni 1978 ein deutlicher Defektzustand konstatiert worden sei, so zeige doch der Gesamtverlauf der Erkrankung, daß die Schübe bei der Klägerin für gewöhnlich länger als ein halbes Jahr dauerten und die ärztliche Behandlung ab 16. Juni 1978 noch hinreichende Erfolgsaussichten biete.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und sich dabei vor allem auf die übereinstimmenden Feststellungen des Vertrauensärztlichen Dienstes und des behandelnden Stationsarztes berufen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und entsprechend dem Antrag der Klägerin den Urteilsausspruch neu gefaßt. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 16. Juni 1978 bis zum 30. Juni 1982 DM 149.408, 79 nebst 4% Zinsen aus festgestellten Teilbeträgen in zeitlicher Staffelung zu zahlen; ferner hat es die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin die Kosten der stationären Behandlung für die Zeit vom 1. Juli 1982 bis zum 12. Oktober 1983 (Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) zu ersetzen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Über die Erweiterung des Klageantrages könne noch im Berufungsverfahren entschieden werden (§ 153 Abs. 1, § 99 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Die Klägerin habe einen Anspruch auf Krankenhauspflege auch über den 15. Juni 1978 hinaus. Da die Beklagte sich pflichtwidrig geweigert habe, die Krankenhauspflege als Sachleistung zu gewähren, stehe der Klägerin, die bisher die Krankenhauskosten selbst getragen habe, ein entsprechender Zahlungsanspruch zu. Dieser Anspruch rechtfertige sich aus dem bestehenden Versicherungsverhältnis unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer öffentlich rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag; denn die Klägerin habe durch Bezahlung der Krankenhausrechnungen ein Geschäft für die Beklagte geführt. Diese sei entsprechend §§ 683 und 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Aufwendungsersatz verpflichtet. Die stationäre Behandlung der Klägerin sei erforderlich, um die bei ihr vorliegende Krankheit zu behandeln und ihre Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das vom SG gewonnene Ergebnis sei durch die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren bestätigt worden (Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. . . ., Alexianer-Krankenhaus Krefeld, vom 24. Juli 1983). § 5 des Geisteskranken-Abkommens sei für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ohne Bedeutung, weil es nicht um einen Zahlungsausgleich zwischen Leistungsträgern, sondern um einen Leistungsanspruch der Versicherten gehe. Der Zinsanspruch rechtfertige sich aus entsprechender Anwendung des § 44 des Sozialgesetzbuches Allgemeiner Teil (SGB I).

Mit der Revision rügt die Beklagte Verletzung materiellen und formellen Rechts. Der Rechtsauffassung des LSG sei insoweit zu folgen, daß als Grundlage für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte nur das Institut der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht komme. Das von der Klägerin geführte Geschäft habe in der Bezahlung der Rechnungen des Krankenhauses gelegen. Die Bezahlung habe aber nicht dem Willen der Beklagten entsprochen. Es liege auch nicht im öffentlichen Interesse (§ 679 BGB), daß ein Privater in die Rechtsbeziehungen zweier Träger öffentlicher Verwaltung eingreife. Die Bezahlung der Rechnungen durch die Klägerin stelle einen Eingriff in die Rechtsbeziehungen der beklagten Krankenkasse und des Landschaftsverbandes dar. Der Vertrauensarzt der Beklagten habe im Einvernehmen mit dem Anstaltsarzt festgestellt, daß Krankenhauspflege nicht mehr erforderlich sei. Damit sei die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber dem Landschaftsverband erloschen. Nach § 5 des Abkommens komme es nicht darauf an, ob tatsächlich noch stationäre Behandlung erforderlich gewesen wäre, es werde vielmehr an das rein formale Erfordernis angeknüpft, daß die Ärzte beider Seiten übereinstimmend einen Pflegefall annehmen. Damit wäre die Beklagte dem Landschaftsverband gegenüber in jedem Fall nicht zur Leistung verpflichtet gewesen. Das Berufungsurteil beruhe auch auf einer Verletzung der §§ 184, 184a RVO. Die Tatsachenfeststellungen des LSG rechtfertigten nicht die Annahme von Krankenhauspflege. Aus dem ärztlichen Gutachten des Dr. K. . . . -. . . ergebe sich, daß die Klägerin auf eine Dauermedikation im Sinne einer Versorgung mit Psychopharmaka eingestellt sei, die auch außerhalb eines Krankenhauses sichergestellt werden könne. Die Notwendigkeit der Pflege und Betreuung durch ein geschultes Pflegepersonal begründe für sich allein noch keinen Anspruch auf Krankenhauspflege. Der erforderliche Rückgriff auf das ärztliche Gutachten zeige, daß die Betreuung im Rahmen einer dauernden Pflege erfolge und nicht im Rahmen ärztlicher Behandlung. Für den streitigen Zeitraum werde von keiner Behandlungs- oder Diagnosemaßnahme berichtet, die nicht auch ambulant hätte durchgeführt werden könne. Die bloße Tatsache, daß ein jederzeit erreichbarer Arzt zur Verfügung stehe, genüge für sich nicht, um Krankenhauspflegebedürftigkeit annehmen zu können. Die Arbeitseinsätze seien nicht Teil einer Behandlung mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses gewesen. Soweit das LSG feststelle, die medizinische Behandlung habe nur mit den Mitteln eines psychiatrischen Krankenhauses durchgeführt werden können, handele es sich um eine Behauptung, die durch konkrete Tatsachenfeststellungen zu belegen sei. Eine Verletzung materiellen Rechts liege auch in der entsprechenden Anwendung des § 44 SGB I. Ferner sei eine nicht hinreichende Aufklärung des Sachverhalts zu rügen. Das LSG habe das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen übernommen, obwohl es bei der gebotenen kritischen Prüfung zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, daß das Gutachten nicht Grundlage seiner Entscheidung sein könne. Schließlich habe das LSG irrig eine Klageänderung verneint. Eine Klageänderung hätte zudem nicht zugelassen werden dürfen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1983 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 5. März 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Streitsache an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie erwidert: Durch die Zahlung der Kosten der Krankenhausbehandlung habe sie nicht in die Rechtsbeziehungen zweier Träger öffentlicher Verwaltung eingegriffen. Die Landesklinik habe zu Recht von ihr die Zahlung verlangt. Das Sozialamt hätte die Übernahme der Kosten ablehnen müssen, weil sie zum damaligen Zeitpunkt noch vermögend gewesen sei. Das Vermögen sei nun aufgebraucht. Auch im übrigen gingen die Revisionsrügen fehl.

II

Die Revision der Beklagten führt zur Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz.

Das Berufungsurteil kann lediglich deshalb nicht bestätigt werden, weil die ihm zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen zur Begründung des zuerkannten Erstattungsanspruchs nicht ausreichen. Im übrigen sind die Revisionsrügen nicht begründet. Die Neufassung des Klageantrages im Berufungsverfahren stellt keine Klageänderung dar. Bereits in der ersten Instanz ist die Beklagte von der Klägerin in Anspruch genommen und vom SG verurteilt worden, die Kosten der stationären Behandlung über den 15. Juni 1978 hinaus zu übernehmen. Mit dem neu gefaßten Klageantrag wird nichts anderes begehrt. Klägerin und Gericht haben in der zweiten Instanz nur dem Umstand Rechnung getragen, daß nun die angefallenen Kostenbeträge bis zum 30. Juni 1982 angegeben werden konnten (im erstinstanzlichen Verfahren nur bis zum 31. Dezember 1978). Eine solche Anpassung des Klageantrages ist nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGG nicht als eine Änderung der Klage anzusehen. Die Beklagte wendet sich ferner zu Unrecht gegen die Anwendung des § 44 SGB I. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist auf eine Geldleistung (Erstattung von Krankenhauspflegekosten) gerichtet. Bei solchen Ansprüchen ist die Verzinsung vorgesehen.

Der Klägerin stünde ein Erstattungsanspruch zu, wenn und soweit bei ihr über den 15. Juni 1978 hinaus eine erforderliche Krankenhauspflege durchgeführt wurde, und die Kosten hierfür wegen der Weigerung der Beklagten von ihr getragen werden mußten. Bei dem Anspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse auf Gewährung von Krankenhauspflege nach § 184 RVO handelt es sich zwar um einen Sachleistungsanspruch. Dieser wandelt sich jedoch in einen Kostenerstattungsanspruch um, wenn die Krankenkasse die Leistung verweigert und deshalb der Versicherte, die Kosten der erforderlichen stationären Behandlung zu tragen hat (ständige Rechtsprechung des Senats; s. u.a. BSGE 25, 146 148; BSG KVRS A 2500/13; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand Juli 1984, Anm. 3 zu § 184 RVO). Soweit der Landschaftsverband lediglich als Krankenhausträger tätig geworden war, wovon man in den vorinstanzlichen Verfahren ausgegangen ist, haben die Entscheidungen der Vorinstanzen auch nicht, wie die Beklagte beanstandet, in Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und dem Landschaftsverband eingegriffen. Die Klägerin mußte die Rechnungen des Krankenhausträgers bezahlen, solange kein anderer Kostenträger dazu bereit war. Die von der Beklagten geltend gemachten Rechtsbeziehungen zum Landschaftsverband setzen voraus, daß dieser als Sozialhilfeträger die Kosten übernommen hat. Das ist in den vorinstanzlichen Verfahren von der Beklagten selbst nicht behauptet worden.

Das LSG geht bei der Prüfung, ob der Klägerin in der hier streitbefangenen Zeit ein Anspruch auf Krankenhauspflege nach § 184 RVO zustand, von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus. Danach ist die Krankenkasse zur Krankenhauspflege auch dann verpflichtet, wenn durch diese nur noch Krankheitsbeschwerden gelindert werden können, also eine Heilung oder Besserung der Krankheit nicht mehr möglich ist. Ein Anspruch auf Krankenhauspflege muß deshalb selbst bei einem Endzustand einer Schizophrenie nicht ausgeschlossen sein. Er entfällt nicht deshalb, weil der Behandlungsbedürftige aus anderen Gründen (zur Pflege, zur Verwahrung) in einer Anstalt untergebracht ist (SozR 2200 § 216 RVO Nr. 2). Er setzt aber voraus, daß (auch) eine medizinische Behandlung veranlaßt ist, die nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden kann. Ist es möglich, bei einem aus anderen Gründen Untergebrachten die medizinische Behandlung als solche auch ambulant durchzuführen, so besteht kein Anspruch auf Krankenhauspflege (SozR 2200 § 184 RVO Nr. 11; Urteil des Senats vom 21. Oktober 1980 - 3 RK 33/79 - KVRS A 2500/15).

Demnach stand der Klägerin ein Anspruch auf Krankenhauspflege nicht schon dann zu, wenn sie wegen ihres Leidenszustandes nicht für sich sorgen konnte und deshalb in einer Anstalt untergebracht werden mußte. Hilfeleistungen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens sowie Betreuung und Beaufsichtigung sind als solche keine spezifischen Maßnahmen einer medizinischen Behandlung. Die vom LSG getroffenen Feststellungen lassen nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß die auch notwendig gewesenen medizinischen Behandlungsmaßnahmen nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden konnten. Als medizinische Maßnahmen werden vom LSG medikamentöse Behandlung, Betreuung durch psychiatrisch geschultes Personal, Arbeitstherapie und ständige Beobachtung und Kontrolle aller Maßnahmen durch Ärzte mit psychiatrischer Ausbildung angegeben. Die Behandlung soll so umfassend im Hinblick auf die Art und Intensität der ärztlichen Behandlung sowie wegen der Anforderungen an die pflegerische Betreuung nur mit den Mitteln eines psychiatrischen Krankenhauses möglich gewesen sein. Diese Annahme hat das LSG jedoch, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, nicht näher durch konkrete Tatsachenfeststellungen belegt. Es hat insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt (§ 103 SGG). Es ist nicht ausgeschlossen, daß wenigstens während eines Teils der streitbefangenen Zeit die Unterbringung in einem geeigneten Pflegeheim mit ambulanter ärztlicher Versorgung ausgereicht hätte. Wenn geeignete Pflegeheime nicht zur Verfügung stehen und nur deshalb Pflegebedürftige auch in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht werden, so hat das nicht zur Folge, daß die Krankenversicherungsträger zur Übernahme der Kosten verpflichtet sind. Eine medikamentöse Behandlung unter ständiger ärztlicher Kontrolle wird vor allem bei einer akuten Erkrankung oder einem akuten Krankheitsschub veranlaßt sein. Sie kann dann unter Umständen auch die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich machen. Bei einem Dauerleiden liegt es dagegen nicht nahe, daß eine gleichartige medikamentöse Versorgung über viele Jahre hinweg nur stationär durchgeführt werden kann. Der Hinweis des LSG auf eine als Arbeitstherapie angesehene Beschäftigung der Klägerin in der Küche (früher in der Nähstube) rechtfertigt ebenfalls nicht ohne weiteres die Annahme einer Krankenhauspflege. Eine solche Beschäftigung wäre eventuell auch außerhalb eines Krankenhauses möglich gewesen. Sowohl die medikamentöse Behandlung als auch die Arbeitstherapie können Teil einer stationären Behandlung sein, sie allein ergeben aber nicht ihre Notwendigkeit. Hierfür reicht auch die erforderliche Betreuung durch psychiatrisch geschultes Personal nicht aus. Die Krankenkasse ist nicht bereits dann nach § 184 RVO zur Krankenhauspflege verpflichtet, wenn der Patient nicht mehr in einem normalen Altersheim, sondern nur noch in einem Pflegeheim mit psychiatrisch geschultem Pflegepersonal versorgt werden kann. Der Zustand der Hilflosigkeit eines körperlich oder geistig gebrechlichen Menschen kann eine besondere Pflegebedürftigkeit bedingen, die eine Versorgung durch geschultes Pflegepersonal erforderlich macht. Eine solche Pflege muß aber nicht Teil einer medizinischen Behandlung sein (Urteil des Senats vom 21. Oktober 1980 a.a.O.). Um die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung annehmen zu können, genügt schließlich nicht die Feststellung des LSG, es hätte ständiger Beobachtung und Kontrolle aller Maßnahmen durch Ärzte mit psychiatrischer Ausbildung bedurft. Es ist nicht ersichtlich, warum für die medikamentöse Versorgung und die Beschäftigung in der Küche eine regelmäßige ambulante ärztliche Überwachung, eventuell in einem Pflegeheim, nicht ausgereicht hätte. Das Beschwerdebild der Klägerin wird im Berufungsurteil nur allgemein beschrieben ("paranoide Ideen in Verbindung mit körperlichen Mißempfindungen, halluzinatorische Erlebnisse, Affekt- und Antriebsstörungen und Wahnideen"). Diese Beschreibung läßt keine Rückschlüsse auf die hier umstrittene Frage zu, ob die medizinische Behandlung nur in einem Krankenhaus durchgeführt werden konnte oder (bei einer Unterbringung in einem Pflegeheim oder in der Familie) auch im Rahmen einer ambulanten ärztlichen Betreuung möglich gewesen wäre. Es sind genauere Feststellungen darüber nötig, unter welchen gesundheitlichen Beschwerden die Klägerin in der fraglichen Zeit litt (Art, Intensität, Dauer und Änderungen der Beschwerden) mit welchen Behandlungsmaßnahmen diese Beschwerden bekämpft wurden (Medikation, Änderungen der Medikation, sonstige Behandlungsmaßnahmen der Ärzte und des psychiatrisch geschulten Personals), inwiefern diese Maßnahmen nur in einem Krankenhaus durchgeführt werden konnten und für welche Zeiträume das jeweils zu gelten hat.

Nähere Tatsachenfeststellungen fehlen auch insoweit, als das LSG zu dem Ergebnis kommt, eine ambulante Behandlung wäre nicht möglich gewesen, weil der Arzt dann nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar gewesen wäre, um bei möglichen, in der Vergangenheit mehrfach aufgetretenen Zustandsänderungen der Klägerin sofort einzugreifen. Im Berufungsurteil finden sich keine Feststellungen darüber, welche Krankheitszustände ein sofortiges Eingreifen des Arztes erforderlich machten, wie oft ein solches Eingreifen seit der erneuten Einweisung der Klägerin im Februar 1978 erforderlich war, ob es sich eventuell bei den plötzlichen Zustandsänderungen um gleichartige Vorgänge gehandelt hatte und ob für diesen Fall Vorsorge getroffen werden konnte (zum Beispiel Anweisung an das Pflegepersonal, ein bestimmtes Medikament zu verabreichen). Über diese Vorgänge wird am ehesten das Krankenblatt der Klinik Aufschluß geben, denn es ist anzunehmen, daß Änderungen des Krankheitszustandes und der Behandlung dort vermerkt wurden. Auch eine Vernehmung des behandelnden Klinikarztes als sachverständigen Zeugen ist in Betracht zu ziehen. Sollte die sofortige Zuziehung eines Arztes nur in wenigen Ausnahmesituationen notwendig gewesen sein, so wird das die Notwendigkeit einer über Jahre fortdauernden Krankenhausbehandlung nicht begründen. Zwar gehört nach Auffassung des Senats zu den besonderen Mitteln eines Krankenhauses auch ein jederzeit rufbereiter Arzt. Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung setzt aber voraus, daß der jederzeit rufbereite Arzt im Rahmen der laufenden Behandlung benötigt wird. Sollte die sofortige Zuziehung eines Arztes nur ausnahmsweise in einem Notfall erforderlich werden, so wird hier wie auch sonst der ambulante Notfalldienst ausreichen.

Im vorliegenden Fall ist vor allem fraglich, ob während der gesamten Zeit, für die das LSG einen Erstattungsanspruch anerkannt hat, Krankenhausbehandlung notwendig war. Bei der Klägerin wurde die erneute Krankenhausbehandlung am 15. Februar 1978 aufgenommen. Dem Berufungsurteil liegt ein Anspruch auf Krankenhauspflege (zunächst) bis zum 12. Oktober 1983 zugrunde, also für eine Zeit von über fünfeinhalb Jahren ohne Unterbrechungen. Das Urteil des SG, das vom LSG bestätigt wird, stützt sich auf das Gutachten von Frau Dr. Sch. . . ., einer Ärztin der Rheinischen Landesklinik Düsseldorf. Nach diesem Gutachten soll ein deutlicher Wechsel bestehen zwischen viele Monate bis Jahre anhaltenden Krankheitsschüben und relativ symptomarmen Zwischenstadien, während derer die Klägerin keiner stationären Behandlung bedürfe. Ferner wird festgestellt, der Gesamtverlauf der Erkrankung zeige, daß die Schübe bei der Klägerin für gewöhnlich länger als ein halbes Jahr dauerten. Diese Feststellungen sprechen eher gegen als für die Annahme, bei der Klägerin sei ab Februar 1978 eine ununterbrochene stationäre Behandlung von über fünfeinhalb Jahren notwendig gewesen. Ungeklärt ist auch, ob die Klägerin während der gesamten streitbefangenen Zeit bis zum 12. Oktober 1983 die Kosten der Krankenhausbehandlung getragen hat (im Revisionsverfahren hat die Klägerin in ihrem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe angegeben, der örtliche Träger der Sozialhilfe habe die Heimkosten ab 1. Juli 1982 übernommen).

Da das Revisionsgericht die fehlenden Tatsachenfeststellungen nicht selbst nachholen darf, wird von der gesetzlichen Möglichkeit, die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, Gebrauch gemacht § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung in der Sache vorbehalten.3 RK 15/84

Bundessozialgericht

Verkündet am

12. März 1985

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518264

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