Entscheidungsstichwort (Thema)

Besetzung des Gerichts. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Vertragsarzt. Prüfmethode

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Streitverfahren aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Ersatzkassenbereich für vor dem 1.1.1989 liegende Quartale haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Kassenärzte zu entscheiden (insoweit Aufgabe von BSG vom 10.5.1990 - 6 RKa 21/89 = BSGE 67, 39 = SozR 3-1500 § 12 Nr 1; BSG vom 10.5.1990 6 RKa 27/89 = BSGE 67, 41 = SozR 3-2500 § 106 Nr 2 und BSG vom 1.10.1990 - 6 RKa 32/89 = USK 90102).

2. Zur Zulässigkeit und zu den Mindestanforderungen einer "repräsentativen Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung".

 

Normenkette

SGG § 12 Abs. 3 S. 2; SGB V § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1988-12-20

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.06.1986; Aktenzeichen S 5 Ka 41/83)

Hessisches LSG (Entscheidung vom 30.05.1990; Aktenzeichen L 7/Ka 1376/86)

 

Tatbestand

Streitig ist die Kürzung von Honorarabrechnungen des Klägers im Ersatzkassenbereich in den Quartalen III/79, I/80 bis II/81.

Der Kläger ist seit 1974 als Internist mit der Berechtigung für Nuklearmedizin niedergelassen, als Kassenarzt zugelassen und an der Ersatzkassenpraxis beteiligt.

Im Quartal III/79 behandelte der Kläger 649 Ersatzkassenpatienten (Fachgruppe - FG -: 302) bei einem Fallkostendurchschnitt von 196,80 DM (FG: 89,07 DM) und Fallkosten für Röntgen- und nuklearmedizinische Leistungen von 95,54 DM (FG: 16,47 DM). Die Prüfungskommission - I. Instanz - (PK I) kürzte durch Bescheid vom 10. Januar 1980 die Honoraranforderung des Klägers wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise um 30% des Gesamthonorars (= 38.317,08 DM). Auf den Widerspruch des Klägers nahm die Prüfungskommission - II. Instanz - (PK II) die Kürzung auf 15% des Gesamthonorars (= 19.158,54 DM) zurück (Bescheid vom 10. Dezember 1981). Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beschwerdekommission mit der Begründung zurück, die Kürzung sei in der Höhe zu bestätigen gewesen, da die jetzigen repräsentativen Einzelfallprüfungen Einsparungen aufzeigten, die nach Hochrechnung auf die Gesamtfallzahl die Kürzungssumme nicht unerheblich überstiegen (Bescheid vom 5. April 1983).

Für das Quartal I/80 (Kläger: 680 Patienten; Fallkosten: 201,48 DM; Röntgenleistungen: 97,39 DM; FG: 335 Patienten; Fallkosten: 105,81 DM; Röntgenleistungen: 20,24 DM) kürzte die PK II auf den Widerspruch des beigeladenen Verbandes der Angestellten-$Krankenkassen (VdAK) die Honorarabrechnung des Klägers um 10% des Gesamthonorars = 13.701,16 DM (Bescheid vom 10. Dezember 1981). Die Beschwerdekommission wies den Widerspruch des Klägers aus den Gründen, die für die Kürzung im Quartal III/79 angegeben worden waren, im Widerspruchsbescheid vom 5. April 1983 zurück.

Bei der Honorarabrechnung des Quartals II/80 (Kläger: 606 Patienten; Fallkosten: 169,36 DM; Röntgenleistungen: 85,92 DM; FG: 315 Patienten; Fallkosten: 96,35 DM; Röntgenleistungen: 17,51 DM) strich die PK I die Leistung Nr 5416 E-GO ersatzlos (Kürzung der Honoraranforderung: 7.084,-- DM) und die Leistung Nr 5448 E-GO in 50% der Fälle (Kürzung: 939,25 DM). Die Leistung Nr 5416 könne nicht abgerechnet werden, da der Leistungsinhalt nicht erfüllt und eine analoge Bewertung nicht möglich sei. Der Ansatz der Nr 5448 (Funktionsszintigrafie der Nieren) sei gekürzt worden, da diese Leistung teilweise ohne ersichtlichen therapeutischen Nutzen neben dem Nierenszintigramm nach Nr 5446 erfolgt sei (Bescheid vom 2. Oktober 1980). Die PK II half dem Widerspruch des Klägers nicht ab (Bescheid vom 10. Dezember 1981). Die Beschwerdekommission bestätigte die Streichung der Leistung Nr 5416 E-GO, da zum einen eine analoge Bewertung nicht möglich sei, zum anderen keine Notwendigkeit dieser Leistung neben dem Szintigramm gesehen werden könne. Dagegen erkannte sie die - höher bewertete - Leistung Nr 5448 an, strich aber die Leistung Nr 5446 E-GO in 50% der Fälle (= 13 x), so daß sich die Gesamtkürzung auf 7.919,25 DM reduzierte (Widerspruchsbescheid vom 5. April 1983).

Mit Bescheid vom 6. Januar 1981 nahm die PK I für das Quartal III/80 (Kläger: 631 Patienten; Fallkosten: 150,77 DM; Röntgenleistungen: 71,01 DM; FG: 319 Patienten; Fallkosten: 93,79 DM; Röntgenleistungen: 17,02 DM) die ersatzlose Streichung der Nr 5416 E-GO vor (Kürzung der Honoraranforderung um 8.251,25 DM), da bei der Verwendung von Technetium anstelle von Radiojod der Leistungsinhalt nicht erfüllt und eine analoge Bewertung nicht möglich sei. Die Leistung Nr 5448 E-GO strich sie in 50% der Fälle (Kürzung: 722,50 DM), da die Leistung Nr 5446 E-GO die Leistung nach Nr 5448 ersetze. Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er auf eine Stellungnahme der Beklagten vom 25. Februar 1980 über die Abrechnungsmöglichkeit radiologischer Untersuchungen unter Verwendung von Technetium verwies, hob die PK II die Streichung der Leistung nach Nr 5416 E-GO auf, da sich diese Leistung ab 1. Juli 1980 in ihrem Inhalt geändert habe. Die Streichung der Leistung Nr 5448 blieb bestehen (Bescheid vom 2. Juli 1981). Dem Widerspruch des Klägers gab die Beschwerdekommission der Beklagten teilweise statt, da anstelle der höher bewerteten Leistung Nr 5448 E-GO die gleichzeitig erbrachte Leistung Nr 5446 E-GO in elf Fällen zu streichen gewesen sei. Das führte zu einer Honorarkürzung von 706,75 DM (Widerspruchsbescheid vom 5. April 1983).

Bei der Honorarabrechnung des Quartals IV/80 (Kläger: 614 Patienten; Fallkosten: 161,71 DM; Röntgenleistungen: 81,30 DM; FG: 315 Patienten; Fallkosten: 102,10 DM; Röntgenleistungen: 18,08 DM) strich die PK I mit Bescheid vom 20. März 1981 ebenfalls die Leistung Nr 5416 E-GO ersatzlos (Honorarkürzung: 8.895,25 DM) und die Leistung Nr 5448 E-GO in 50% der abgerechneten Fälle (Kürzung 867,-- DM). Die Widersprüche des Klägers hiergegen blieben erfolglos (Bescheid der PK II vom 10. Dezember 1981, Widerspruchsbescheid der Beschwerdekommission vom 5. April 1983). Zur Begründung führte die Beschwerdekommission wiederum aus, zum einen sei eine analoge Bewertung der Leistung Nr 5416 nicht möglich, zum anderen könne keine Notwendigkeit dieser Leistung neben dem Szintigramm gesehen werden. Bezüglich der Leistung Nr 5448 E-GO habe die Kürzung nicht herabgesetzt werden können, weil neben der Streichung der Leistung Nr 5416 E-GO (gemeint: Nr 5446) in zwölf Fällen zusätzlich einmal die Leistung Nr 5448 habe gestrichen werden müssen.

Für das Quartal I/81 (Kläger: 663 Patienten; Fallkosten: 174,13 DM; Röntgenleistungen: 87,13 DM; FG: 346 Patienten; Fallkosten: 110,08 DM; Röntgenleistungen: 20,19 DM) strich die PK I mit Bescheid vom 3. Juli 1981 die Leistung Nr 5448 E-GO in 50% der Fälle (Kürzung: 906,-- DM). Während die PK II dem Widerspruch des Klägers nicht abhalf (Bescheid vom 10. Dezember 1981), gab die Beschwerdekommission ihm teilweise statt, indem sie die höher bewertete Leistung Nr 5448 E-GO anerkannte, statt dessen aber die gleichzeitig abgerechnete Leistung Nr 5446 in 50% der abgerechneten Fälle (11 x) strich (Bescheid vom 5. April 1983; Kürzung: 783,65 DM).

Mit Bescheid vom 15. Oktober 1981 kürzte die PK I die Honoraranforderung des Klägers für das Quartal II/81, in dem dieser 690 Patienten (FG: 329) bei einem Fallkostendurchschnitt von 174,51 DM (FG: 99,91 DM) und Röntgenleistungen in Höhe von 86,77 DM je Fall (FG: 17,94 DM) behandelt hatte, um 50% der Leistungen nach Nr 5448 E-GO (= 1.434,50 DM). Während die PK II den Widerspruch des Klägers zurückwies, nahm sie auf den Widerspruch des Beigeladenen eine - weitere - Honorarkürzung in Höhe von 37.867,50 DM (Kürzung insgesamt: 39.302,-- DM) vor (Bescheid vom 19. März 1982). Die Beschwerdekommission gab dem Widerspruch des Klägers hiergegen teilweise statt und setzte die Honorarkürzung auf 17.890,-- DM zuzüglich der Honorarkürzung für die Nr 5448 E-GO herab. Aufgrund der vorgenommenen repräsentativen Einzelfallprüfung lasse sich eine Unwirtschaftlichkeit in der Höhe des Kürzungsbetrages bestätigen (Bescheid vom 5. April 1983).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main die Bescheide der Prüfungskommissionen in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, einen neuen Bescheid zu erlassen (Urteil vom 4. Juni 1986).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG dahin geändert, daß nur der Bescheid der Beschwerdekommission vom 5. April 1983 aufgehoben bleibt. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 30. Mai 1990). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Rechtsstreit sei in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte zu entscheiden gewesen. Nach § 106 Abs 4 und 7 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) seien nunmehr auch die zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu bildenden Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse mit Vertretern der Ärzte und Krankenkassen besetzt. Das habe zur Folge, daß es sich bei Streitigkeiten aus diesem Bereich um Angelegenheiten des Kassenarztrechts handele. Das neue Recht sei auf die noch anhängigen Verfahren anzuwenden. In der Sache sei die Berufung, abgesehen davon, daß nach der Rechtsprechung (Rspr) des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (Hinweis auf Urteil vom 11. Juni 1986 - 6 RKa 2/85 = SozR 2200 § 368n Nr 44) allein der Bescheid der Beschwerdekommission aufzuheben gewesen sei, unbegründet. Die Prüfgremien hätten bei der Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum verletzt. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des als Internist zugelassenen und an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Klägers liege auf nuklearmedizinischem Gebiet, wobei die Schilddrüsendiagnostik besonders ins Gewicht falle. Seine Praxis habe daher weder mit der Fachgruppe der Internisten verglichen werden können, noch reiche es aus, seine nuklearmedizinische Tätigkeit als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen. Hinzu komme, daß nuklearmedizinische Leistungen regelmäßig nur als Auftragsleistungen auf Überweisung erbracht würden und somit Einwirkungen des beauftragten Arztes auf den Umfang der Leistungen nur beschränkt möglich seien. Damit scheide eine pauschale Überprüfung auf der Grundlage des statistischen Vergleichs aus. Aber auch die von den Prüfgremien durchgeführte repräsentative Einzelfallprüfung von 10% bis 40% der Behandlungsscheine mit anschließender Hochrechnung auf die Gesamtzahl der Patienten sei ausgeschlossen, da es sich bei diesem Verfahren lediglich um eine Ergänzung der pauschalen Überprüfung handele, das nur im Rahmen des statistischen Vergleichs seinen Platz haben könne (Hinweis auf Urteil des BSG vom 20. September 1988 - 6 RKa 22/87 = SozR 2200 § 368n Nr 57). Zulässig sei danach allein die Durchführung einer Einzelfallprüfung gewesen, die nunmehr von der Beschwerdekommission vorzunehmen sei. Dabei werde zu prüfen sein, inwieweit die vorliegenden Behandlungsunterlagen für eine Einzelfallprüfung ausreichend seien oder ob weitere Unterlagen des Klägers oder anderer Ärzte beizuziehen bzw weitere Beweise zu erheben seien. Vorliegend könnten allerdings bestimmte Unwirtschaftlichkeiten der Behandlung bereits aus den Eintragungen auf den Behandlungsscheinen zu erkennen sein. So würden sich etwa unzulässige Erhöhungsmöglichkeiten der Honorarforderung bei Auftragsleistungen daraus ergeben, daß Leistungen abgerechnet würden, die allenfalls in Ausnahmefällen abrechenbar sein könnten wie die Leistungen Nrn 1 und 65 E-GO, ferner bei nuklearmedizinischen diagnostischen Überweisungsfällen die Leistungen Nrn 15, 250, 253 E-GO. Soweit die Beklagte jedoch Leistungen dieser Art vorab im Wege der rechnerischen Berichtigung herausgenommen habe, sei dies von der Beschwerdekommission zu berücksichtigen. Bei der Prüfung, ob die Leistung nach Nr 5416 E-GO wirtschaftlich erbracht worden sei, müsse das Schreiben des Vorstandes der Beklagten vom 25. Februar 1980 über die Abrechnungsfähigkeit dieser Leistung berücksichtigt werden.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte einen Verstoß des angefochtenen Urteils gegen die Denkgesetze und einen unzulässigen Eingriff in das Ermessen der Prüfgremien. Entgegen der Auffassung des LSG stelle die Methode der repräsentativen Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung gerade keine Methode des statistischen Vergleichs, sondern eine Einzelfallprüfung dar, die nach Auffassung des LSG zulässig sei, weil es an einer Vergleichsgruppe für den Kläger fehle. Mangels entsprechender statistischer Vergleichsgruppen hätten sich die Prüfgremien hier zulässigerweise im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens für die Durchführung einer repräsentativen Einzelfallprüfung entschieden. Zwar lägen bisher höchstrichterliche Entscheidungen über die Zulässigkeit der repräsentativen Einzelfallprüfung mit Hochrechnung noch nicht vor. Sie sei nach der bisherigen Rspr jedenfalls nicht ausgeschlossen, da diese nicht im Sinne eines Ausschließlichkeitsgebotes zu verstehen sei. Die genannte Methode sei schließlich auch vom Gesetzgeber als eine zulässige Möglichkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung angesehen worden (§ 106 Abs 2 SGB V). Schon von daher greife die Entscheidung des LSG rechtsfehlerhaft in ihren - der Beklagten - Beurteilungsspielraum ein. Auch die Art und Weise der durchgeführten Prüfung im konkreten Fall könne nicht als ermessensfehlerhaft beanstandet werden. Die Prüfgremien hätten sich insbesondere im Rahmen der bisher von der sozialgerichtlichen Rspr aufgestellten Kriterien für die Durchführung einer derartigen Prüfung gehalten. So habe die Prüfungskommission zwischen 20% und 40% der Behandlungsfälle, die Beschwerdekommission jeweils 15% pro Quartal geprüft, was bei einer Scheinzahl von 600 bis 680 Scheinen pro Quartal zu mindestens 90 überprüften Behandlungsfällen führe. Auch die Auswahl der geprüften Behandlungsfälle sei nicht zu beanstanden. Die Beschwerdekommission habe getrennt nach Mitgliedern, Familienangehörigen und Rentnern die Scheine fortlaufend nach alphabetischer Reihenfolge geprüft. Dieses Verfahren werde von der Beschwerdekommission grundsätzlich angewandt und sei auch durch den Prüfarzt nicht zu beeinflussen. Gerade das vorliegende Verfahren zeige, daß eine Einzelfallprüfung, würde man sie als einzige Methode der Wirtschaftlichkeitsüberprüfung zulassen, praktisch nahezu ausgeschlossen sei. Zwischen dem Kläger und ihr, der Beklagten, seien sowohl im Ersatzkassen- als auch im RVO-Kassenbereich aus sämtlichen Quartalen seit dem III. Quartal 1979 Prüfungsverfahren anhängig. Der Kläger habe in den zurückliegenden zehn Jahren im RVO-Bereich im Schnitt zwischen 1.300 und 1.400 Scheinen und im Ersatzkassen-$Bereich zwischen 600 und 1.000 Scheinen pro Quartal abgerechnet. Sollte in all diesen Verfahren eine Einzelfallprüfung jedes Behandlungsfalles erforderlich sein, wären für diesen Zeitraum insgesamt zwischen 95.000 und 100.000 Behandlungsfälle zu überprüfen, was rein tatsächlich nicht möglich sei. Angesichts der zunehmenden Differenzierung der ärztlichen Leistungen selbst innerhalb eines Fachgebietes und der dadurch größer werdenden Zahl von Ärzten, die keiner statistischen Vergleichsgruppe mehr zugeordnet werden könnten, bestehe auch ein Bedürfnis für die hier gewählte Form der repräsentativen Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 1990 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

hilfsweise, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung liegt der von der Beklagten geltend gemachte Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen Denkgesetze nicht vor. Da er als einziger Arzt seiner Fachgruppe nuklearmedizinisch tätig sei und deshalb eine kostenträchtige Besonderheit vorliege, könne die Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise, wie das LSG zutreffend entschieden habe, nur im Wege einer Einzelfallprüfung untersucht werden. Die Entscheidungen der Vorinstanzen seien aber auch in der Sache zutreffend. Es sei sowohl die Art und Weise der Einzelfallprüfung rechtlich zu beanstanden gewesen, als auch die darauf beruhende Hochrechnung seines angeblich unwirtschaftlich erbrachten Mehraufwandes. Zur Begründungspflicht einer aufgrund einer Einzelfallprüfung getroffenen Entscheidung gehöre es, daß die insgesamt abgerechneten Fälle im einzelnen aufgeführt und die jeweils hierzu getroffenen Feststellungen und Erwägungen mitgeteilt werden müßten, um erkennbar und nachvollziehbar zu machen, aufgrund welcher Umstände die Wirtschaftlichkeit in jedem einzelnen Fall bejaht bzw verneint werde. Daß die nach den Urteilen der Vorinstanzen erforderliche Neubescheidung im Sinne einer erneuten Einzelfallprüfung zu erfolgen habe, beruhe auf den Feststellungen der Beschwerdekommission, wonach er, der Kläger, im Hinblick auf die nuklearmedizinischen Leistungen in den betreffenden Sparten nicht mit der Gebietsgruppe der Internisten vergleichbar sei. Weder die Prüfungseinrichtungen noch die Beklagte hätten dargelegt, daß seine nuklearmedizinischen Leistungen einer statistischen Vergleichsprüfung zB mit den entsprechenden Leistungen anderer Gebietsärzte unterzogen werden könnten.

Der Beigeladene beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 1990 aufzuheben und die Klage im vollem Umfang abzuweisen.

Die vom LSG vertretene Auffassung, daß die von den Prüfgremien angewandte Prüfmethode der repräsentativen Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung unzulässig sei, verstoße gegen materielles Recht. Nach den von der höchstrichterlichen Rspr zur Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten Grundsätzen hätten die Prüfgremien bei der ihnen obliegenden Rechtsanwendung grundsätzlich an konkrete Tatsachen anzuknüpfen. Sei dies jedoch mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden, dürfe die Entscheidung auch auf den Rückschluß aus mittelbaren Umständen gestützt werden. Danach könne die Wahl der Prüfmethode im vorliegenden Fall nicht beanstandet werden. Im Hinblick auf die Vielzahl der Behandlungsfälle sei die Durchführung einer Einzelfallprüfung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden. Die Prüfgremien hätten sich auf die Feststellung mittelbarer Umstände beschränken dürfen. Wegen der besonderen Ausrichtung der Praxis des Klägers habe auch eine statistische Prüfung nicht durchgeführt werden können. Die Prüfgremien seien damit gehalten gewesen, andere mittelbare Umstände festzustellen, die einen Rückschluß auf die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers erlaubten. Als zulässige Prüfmethode stelle sich insoweit die repräsentative Einzelfallprüfung dar. Die Wahl der Prüfmethode sei daher rechtsfehlerfrei erfolgt. Auch die Durchführung der Prüfung sei nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beschwerdekommission sei hinreichend begründet worden. Es seien diejenigen Fälle dokumentiert worden, in denen Einsparungen möglich gewesen seien. Damit seien die Beanstandungen in den Einzelfällen nach Grund und Höhe genannt und damit auch die Grundlage der Hochrechnung nachvollziehbar dargelegt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist teils begründet, teils unbegründet.

Der Senat hat, da eine Angelegenheit der Kassenärzte im Streit steht, über die Revision der Beklagten in der Besetzung mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Richtern entschieden (§§ 40, 33, 12 Abs 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Bei Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen richtet sich die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter danach, ob der Gesetzgeber den jeweiligen im Streit stehenden Anspruch den Angelegenheiten des Kassenarztrechts (§ 12 Abs 3 Satz 1 SGG) oder den Angelegenheiten der Kassenärzte (aaO S 2) zugeordnet hat. Bestimmend für diese Zuweisung ist nach der Rspr des erkennenden Senats regelmäßig - von hier außer Betracht zu lassenden Ausnahmen abgesehen - die Zusammensetzung der Verwaltungsstelle, die über den geltend gemachten Anspruch zu entscheiden hatte (vgl zuletzt BSG - Urteil vom 1. Oktober 1990 - 6 RKa 30/89 = BSGE 67, 256, 257 f = SozR 3-2500 § 92 Nr 1). In Fällen, in denen gerade die Besetzung des Verwaltungsgremiums, das zu entscheiden hat, im Streit steht oder in denen Verwaltungsgremien mit unterschiedlicher Besetzung zu entscheiden haben, ist von den Gerichten in der sog paritätischen Besetzung (mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte) zu entscheiden; denn im Zweifel ist davon auszugehen, daß es sich in diesen Fällen um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts (§ 12 Abs 3 Satz 1 SGG) handelt (Urteile des Senats vom 20. Juli 1988 - 6 RKa 2/88 - = SozR 1500 § 12 Nr 6; vom 10. Mai 1990 - 6 RKa 21/89 - = BSGE 67, 39 f = SozR 3-1500 § 12 Nr 1; vom 10. Mai 1990 - 6 RKa 27/89 - = BSGE 67, 41, 42 = SozR 3-2500 § 106 Nr 2). Der Senat hat danach in Verfahren, in denen er nach Inkrafttreten des SGB V (vom 20. Dezember 1988 - BGBl I S 2477) zum 1. Januar 1989 über Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Ersatzkassenbereich zu entscheiden hatte, die paritätische Besetzung des Gerichts für zulässig und geboten erachtet (vgl BSG - Urteile vom 10. Mai 1990 - aaO und Urteil vom 1. Oktober 1990 - 6 RKa 32/89 -). Er hat dies daraus hergeleitet, daß nunmehr nach § 106 Abs 4 Satz 2 iVm Abs 7 Satz 1 SGB V die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung im vertragsärztlichen Bereich zu bildenden Verwaltungsgremien mit Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen in gleicher Zahl zu besetzen sind. Die Regelung des § 15 Nr 2 des Arzt/Ersatzkassenvertrages (EKV) in der bis zum 30. September 1990 geltenden Fassung (aF), wonach die Ersatzkassen in beiden Prüfgremien kein Stimmrecht hatten, sei damit für Abrechnungsstreitigkeiten, die sich auf Quartale nach dem 1. Januar 1989 beziehen, nicht mehr anwendbar. Da der Gesetzgeber eine Regelung darüber, ob die Neuregelung der Besetzung der Verwaltungsinstanzen auch für die Prüfung zurückliegender Quartale gelten solle, nicht getroffen habe, seien die Gerichte bei der Entscheidung in diesen Verfahren in Konkretisierung der aufgezeigten Grundsätze paritätisch zu besetzen. Der Senat hat zugleich ausgesprochen, daß die Vertragspartner des EKV berechtigt sind, bei der Prüfung der vor Inkrafttreten des neuen Rechts liegenden Abrechnungsquartale noch in alter Besetzung, also ausschließlich mit Ärzten als stimmberechtigten Mitgliedern der Prüfungsgremien, zu entscheiden (Urteil vom 10. Mai 1990 - 6 RKa 27/89 - = BSGE 67, 41, 43 = SozR aaO). Demgemäß hat er die zwischen den Partnern des EKV diesbezüglich getroffene Übergangsregelung für die vertragsärztliche Versorgung vom 9. Dezember 1988 (Deutsches Ärzteblatt 1988, B-2644) als wirksam angesehen. Unter Punkt 7 dieser Übergangsregelung ist vereinbart worden, daß die Prüfung der Behandlungs- und Verordnungsweise der Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen für Abrechnungsquartale bis einschließlich IV/88 nach Maßgabe der bisherigen vertraglichen Bestimmungen einschließlich der Auswahlrichtlinien für die Einleitung von Prüfverfahren durchzuführen ist. Aus dieser - rechtmäßigen - Bestimmung in der genannten Übergangsregelung ergibt sich somit, daß die Prüfung der vor dem 1. Januar 1989 liegenden Abrechnungsquartale weiterhin von den entsprechend der bisherigen vertraglichen Regelung (§ 15 Nr 2 EKV aF) gebildeten Prüfungs- und Beschwerdekommissionen, in denen die Ersatzkassen zwar einen Sitz, aber kein Stimmrecht haben und deren Entscheidungen deswegen der Beklagten als Rechtsträgerin zuzuordnen sind, vorzunehmen sind (vgl nunmehr § 16 Abs 3 der EKV-Prüfvereinbarung vom 13. September 1990).

Dieser Zusammensetzung der Verwaltungsgremien folgend haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit jedenfalls in Streitverfahren aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Ersatzkassenbereich für Quartale, die vor dem 1. Januar 1989 liegen, nicht in paritätischer Besetzung, sondern in der Besetzung mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden (insoweit Aufgabe von BSG - Urteile vom 10. Mai 1990 und vom 1. Oktober 1990 aaO).

Der Senat des LSG, der in paritätischer Besetzung entschieden hat, war danach nicht vorschriftsmäßig besetzt. Das steht einer Sachentscheidung im vorliegenden Revisionsverfahren jedoch nicht entgegen. Die unvorschriftsmäßige Besetzung stellt zwar einen absoluten Revisionsgrund (§ 202 SGG iVm § 551 Nr 1 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫) dar. Ein solcher Verfahrensmangel gehört aber nicht zu den von Amts wegen zu beachtenden Fehlern, die das Verfahren als Ganzes unzulässig machen oder dem angefochtenen Urteil die Fähigkeit nehmen, Grundlage eines auf die Sache eingehenden Revisionsurteils zu sein (BSGE 44, 244, 246 = SozR 7323 § 3 Nr 1; BSGE 57, 15, 17 = SozR 1500 § 31 Nr 3; BSG SozR 2200 § 368n Nr 38, jeweils mwN). Die Beteiligten haben eine Besetzungsrüge nicht erhoben, so daß die unvorschriftsmäßige Besetzung des Senats des LSG nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt.

Die Honorarkürzungsbescheide der Beklagten für die Abrechnungsquartale III/79, I/80 und II/81 sind insgesamt, die Bescheide für die Quartale II/80 und IV/80 insoweit rechtswidrig, als die Leistung Nr 5416 E-GO gestrichen worden ist. Im übrigen, also bezüglich der Quartale III/80 und I/81 sowie bezüglich der Kürzung der Leistung Nr 5446 E-GO im Quartal II/80 und der Leistung Nr 5448 im Quartal IV/80, erwiesen sich die Bescheide als rechtmäßig.

Soweit die Bescheide rechtswidrig sind, beruht dies darauf, daß in ihnen die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers nicht aufgrund geeigneter Beweismittel und -methoden festgestellt worden ist. Der Senat kann dabei allerdings der Entscheidung des LSG nicht folgen, wonach die von der Beklagten angewandte Methode der Einzelfallprüfung mit Hochrechnung an sich als Beweismittel unzulässig sein soll.

Gemäß § 1 Nr 5 EKV in der hier noch zugrundezulegenden - alten- Fassung (nunmehr: § 2 Nr 6 EKV in der ab 1. Oktober 1990 geltenden - neuen - Fassung ≪nF≫) muß die ärztliche Versorgung der Ersatzkassenpatienten ausreichend und zweckmäßig sein; sie darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Jeder Vertragsarzt hat bei seiner ärztlichen Tätigkeit dieses Maß des Notwendigen zu beachten und hierauf seine Behandlungs- und Verordnungsweise einzustellen (§ 2 Nr 2 EKV aF; § 2 Nr 6 EKV nF). Hat ein Vertragsarzt gegen das so bestimmte Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, ist die Beklagte als - nach altem Vertragsrecht noch zuständige - Prüfungsinstanz berechtigt, bei der Festsetzung des vom Vertragsarzt geltend gemachten Honoraranspruchs Abstriche vorzunehmen (§ 14 Nr 1 EKV aF; vgl nunmehr § 30 EKV nF iVm der Prüfvereinbarung vom 13. September 1990). Sofern über die streitbefangenen Quartale bereits Honorarabrechnungsbescheide erteilt worden sind, dürfen die Prüfinstanzen diese - ggf teilweise - aufheben, ohne an die Voraussetzungen der §§ 44 ff des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X), gebunden zu sein (s Urteil des Senats vom 13. März 1991 - 6 RKa 35/89 - = SozR 3-$2500 § 85 Nr 2, mwN).

Die Beklagte, die für die Quartale bis einschließlich IV/88 ua die Behandlungsweise der Vertragsärzte auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen hat, ist aufgrund des im sozialgerichtlichen Verwaltungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 Abs 1 SGB X) verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Dabei bestimmen sich Umfang und Inhalt der Aufklärungspflicht durch das jeweilige Ermittlungsziel, das sich wiederum in Anwendung des materiellen Rechts aus dem geltend gemachten Anspruch - hier des Vertragsarztes auf Honorar für die von ihm erbrachten Behandlungsleistungen - ergibt. Die gemäß § 20 Abs 1 SGB X im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens (§ 8 SGB X) gebotene Sachverhaltsermittlung bedeutet mithin Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen, sofern diese zB weder feststehen noch als wahr zu unterstellen sind (vgl dazu Obermayer, VwVfG, 2. Aufl 1990, § 24 RdNr 14; Kopp, VwVfG, 5. Aufl 1991, § 24 RdNr 5). § 21 SGB X führt hierzu Beweismittel an, die den Verwaltungsbehörden für die Sachverhaltsermittlung zur Verfügung stehen.

Die Verwaltungsbehörde hat das Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidungserheblicher Tatsachen unter Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen zu klären (Obermayer, aaO, § 24 RdNr 22; Kopp, aaO, § 24 RdNr 7), wobei für die - grundsätzlich im Ermessen der Verwaltungsbehörde stehende - Auswahl eines bestimmten Beweismittels oder einer bestimmten Beweismethode neben Zulässigkeit und Erforderlichkeit deren Geeignetheit maßgebend ist. Die Feststellung von rechtserheblichen Tatsachen hat danach durch Mittel zu erfolgen, die in möglichst direkter Beziehung zu den Tatsachen stehen. Rechtserhebliche Umstände dürfen trotz an und für sich bestehender unmittelbarer Aufklärungsmöglichkeit daher nur dann aufgrund mittelbarer Umstände erschlossen werden, wenn die unmittelbare Feststellung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre (BSGE 62, 18, 19 = SozR 2200 § 368n Nr 54; SozR 1500 § 128 Nr 40).

Bei der Überprüfung der Behandlungsweise eines (Kassen- bzw) Vertragsarztes auf Wirtschaftlichkeit ist es nur im Ausnahmefall möglich, Tatsachen, aus denen sich die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit einer Behandlungsweise ergibt, unmittelbar festzustellen; denn im nachhinein kann in aller Regel die Behandlungssituation nicht mehr in vollem Umfang nachvollzogen werden. Zudem handelt es sich bei der Feststellung von Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit um eine Entscheidung über einen Tatsachenzusammenhang, die nicht aufgrund sinnlicher Wahrnehmung getroffen werden kann, sondern die eine Wertung erfordert. Diese beruht auf ärztlichen Erfahrungssätzen, nämlich Regeln, die sich auf eine spezifische ärztliche Sach- und Fachkunde stützen. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Behandlung dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht, bedeutet das, daß nur Hilfstatsachen ermittelt werden können, aus denen auf der Grundlage von ärztlichen Erfahrungssätzen die Wertentscheidung über die Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit einer Behandlung abzuleiten ist.

Die Rspr hat in Umsetzung dieser tatsächlichen und rechtlichen Vorgaben bisher ausdrücklich zwei Beweismethoden für die Feststellung der Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit als zulässig und geeignet angesehen, nämlich die Einzelfallprüfung und die statistische Vergleichsprüfung (vgl zB BSGE 55, 110, 111 f = SozR 2200 § 368n Nr 27; SozR aa0 Nr 31; BSGE 61, 143, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 45; BSGE 62, 18, 19 = SozR aa0; zum Ganzen s auch Danckwerts, MedR 1991, 316 ff).

Bei der Einzelfallprüfung ist zwischen zwei Formen, nämlich einer strengen und einer eingeschränkten, zu unterscheiden. Die strenge Einzelfallprüfung als erste Hauptmethode der Wirtschaftlichkeitsprüfung setzt im Gegensatz zur eingeschränkten Einzelfallprüfung, auf die noch einzugehen sein wird, bei der behandelten Erkrankung des Patienten an und versucht, seinen im Zeitpunkt der jeweiligen Behandlung bestehenden Gesundheitszustand - nachträglich - aufzuklären. Die entsprechende Ermittlung hat in erster Linie durch ein Heranziehen des Patienten und/oder ihn betreffender, mehr oder weniger objektiver Unterlagen wie Röntgenbilder, Befunde anderer Ärzte oä zu geschehen (vgl zum Ganzen BSGE 62, 18, 20 = SozR aaO). Wird aufgrund einer in dieser Weise durchgeführten Einzelfallprüfung die Unwirtschaftlichkeit von Behandlungen festgestellt, so ist die Unwirtschaftlichkeit bewiesen.

Es bedarf keiner näheren Begründung, daß diese Beweismethode, ungeachtet des ohnehin mit ihr verbundenen erheblichen Aufwandes, in aller Regel schon deswegen ausscheidet, weil im nachhinein die konkrete Behandlungssituation nicht mehr zuverlässig aufgeklärt werden kann. Die Rspr hat daher schon früh darauf hingewiesen, daß die strenge Einzelfallprüfung als einzig geeignete Methode zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen ist (vgl zB BSGE 11, 102, 114; 17, 79, 85; SozR 2200 § 368n Nr 33). Auch vorliegend scheidet die strenge Einzelfallprüfung schon wegen des Zeitablaufs zwischen Behandlungszeitraum und dem Zeitpunkt der Überprüfung aus. Das hat das LSG verkannt. Im übrigen begegnet eine Verurteilung der Beklagten zur Einzelfallprüfung schon deshalb rechtlichen Bedenken, weil sie angesichts der großen Zahl der zu prüfenden Einzelfälle einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand der Beklagten nach sich ziehen würde (vgl bereits BSGE 11, 102, 114; 17, 79, 85).

Die zweite von der Rspr als geeignet erachtete Methode, die - nunmehr ausdrücklich in § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V vorgesehene - statistische Vergleichsprüfung, geht davon aus, daß die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes dann zu vermuten bzw bewiesen ist, wenn er mit seinen durchschnittlichen Fallkosten die Durchschnittswerte einer vergleichbaren Arztgruppe in einer bestimmten Höhe überschritten hat. Dabei kann auch im Rahmen der statistischen Wirtschaftlichkeitsprüfung die - beispielhafte - Überprüfung von Einzelfällen zur Feststellung von Unwirtschaftlichkeit notwendig sein (s zB Urteil des Senats vom 20. September 1988 - 6 RKa 22/87 - = SozR 2200 § 368n Nr 57, S 197), wenn nämlich die Überschreitung der Durchschnittswerte durch den zu überprüfenden Arzt allein den Schluß auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nicht zuläßt.

Die statistische Methode ist vorliegend nach den Feststellungen der Prüfinstanzen wegen der speziellen Ausrichtung der internistischen Praxis des Klägers mangels einer vergleichbaren Gruppe von Ärzten im Bereich der Beklagten nicht geeignet. Ob ein - spezifizierter - statistischer Vergleich auf der Grundlage von Durchschnittswerten vergleichbarer Praxen aus anderen Kassenärztlichen Vereinigungen oder ein statistischer Vergleich allein der nuklearmedizinischen Leistungen des Klägers mit den von Radiologen erbrachten nuklearmedizinischen Leistungen als Beweismethode geeignet gewesen wäre, entzieht sich der Beurteilung des Senats. Eine derartige Überprüfung ist jedenfalls nach Ablauf von mehr als zehn Jahren seit dem Zeitpunkt der Erbringung der Leistungen nicht mehr sachgerecht durchzuführen.

Aus der Verpflichtung zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung (§ 20 Abs 1 SGB X) folgt jedoch, daß die Prüfinstanzen bei der Ermittlung des Sachverhalts nicht auf die genannten Beweismethoden beschränkt sein können (vgl bereits BSG SozR 2200 § 368n Nr 31, S 105). Sie sind vielmehr berechtigt, alle - zulässigen- Erkenntnisquellen heranzuziehen, die über die Ermittlung von Hilfstatsachen Schlüsse auf die Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes zulassen. Dazu zählt zB der Vergleich verschiedener Abrechnungsquartale eines Arztes miteinander, das Erstellen von Tagesprofilen anhand der abgerechneten Leistungen und auch eine eingeschränkte Einzelfallprüfung.

Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung untersuchen die Prüfinstanzen - ebenfalls regelmäßig unter Heranziehung von sachverständigen Ärzten - Behandlungsfälle eines Arztes aufgrund von dessen Behandlungsangaben und Behandlungsunterlagen. Die strenge Einzelfallprüfung unterscheidet sich von der eingeschränkten demnach dadurch, daß bei der letzteren der Prüfung der Behandlungsweise die Indikationsbeurteilung des geprüften Arztes zugrunde gelegt wird. Es handelt sich damit nicht um eine "wirkliche" Einzelfallprüfung (vgl Gaus, Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise des Kassenarztes, 1988, S 2), sondern im Kern um eine bloße Schlüssigkeitsprüfung (s dazu BSG SozR 2200 § 368n Nr 31, S 102). Entgegen der in der oa Entscheidung des BSG (BSGE 62, 18, 20 = SozR aaO) anklingenden Tendenz ist sie nicht von vornherein unzulässig (vgl BSG SozR 2200 § 368a Nr 57, S 196 f). Sie kommt - nur - dann als geeignete Beweismethode in Betracht, wenn aussagekräftigere Beweismittel und -methoden nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Das Ergebnis einer eingeschränkten Einzelfallprüfung ist in seiner Aussagefähigkeit ebenfalls begrenzt. Da bei ihr die Angaben des zu prüfenden Arztes der Prüfung zugrunde gelegt werden, kann mit ihr zwar nicht der Nachweis der Wirtschaftlichkeit geführt werden (ebenso BSG SozR 2200 § 368a Nr 31, S 102; SozR aaO § 368a Nr 57, S 197; Urteil vom 1. Oktober 1990 - 6 RKa 32/89 -). Die Ergebnisse können aber geeignete Grundlage einer wertenden Entscheidung der Prüfgremien sein, daß die Behandlung eines Arztes unwirtschaftlich ist.

Ist die Methode in den aufgezeigten Grenzen an sich geeignet, Feststellungen über die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes zu treffen, so gilt dies unter bestimmten Voraussetzungen auch für die sog Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (vgl dazu Raddatz, WKR, Anm 5.1, S 3; Gaus, aaO, S 5). Es handelt sich dabei um die auf einen Teil der Behandlungsfälle eines Arztes in einem Quartal bezogene eingeschränkte Einzelfallprüfung, aus deren Ergebnissen auf die gesamten Behandlungsfälle des Abrechnungsquartals geschlossen wird. Es ist insoweit allerdings nicht Aufgabe der Gerichte, sondern vielmehr die der Verwaltungsbehörden, die ihre Entscheidungen auf die mit dieser Methode gewonnenen Beweisergebnisse stützen wollen, die Geeignetheit dieser Methode und deren Voraussetzungen darzulegen und nachzuweisen.

Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse läßt sich grundsätzlich feststellen, daß die eingeschränkte Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung auf das Gesamtergebnis als Beweismethode zur Feststellung der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise und des Umfangs der Unwirtschaftlichkeit geeignet ist (Gaus, aa0, S 5 f, 48 ff); denn bei ihr wird, ausgehend von gesicherten Tatsachenfeststellungen, eine statistische Wahrscheinlichkeitsrechnung vorgenommen. Diese statistische Methode zählt zu den Mitteln logischer Schlußfolgerungen, die im Kassenarztrecht ebenso wie in anderen Rechtsbereichen der Beweisermittlung zugrunde gelegt werden können (vgl dazu mwN: BGHSt 36, 320 ff = NJW 1990, 1549 ff). Als Grundlage von Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung setzt die auf einen bestimmten Teil der Behandlungsfälle begrenzte - eingeschränkte - Einzelfallprüfung mit Hochrechnung voraus, daß sich bei der Überprüfung eine ständige wiederkehrende Verhaltensweise des Arztes feststellen läßt, die von den Prüfungsgremien als unwirtschaftlich beurteilt wird. Um eine mathematisch-statistisch verwertbare Aussage über die gleichgelagerte Verhaltensweise des Arztes zu erhalten, ist es nach Auffassung des Senats sachgerecht und daher geboten, pro Quartal und Kassenbereich einen prozentualen Anteil von mindestens 20% der abgerechneten Fälle, der jedoch zugleich mindestens 100 Behandlungsfälle umfassen muß, zu überprüfen. Es muß dabei sichergestellt sein, daß die so zu prüfenden Einzelfälle nach generellen Kriterien ermittelt werden.

Der bei dieser Prüfung ermittelte unwirtschaftliche Behandlungsumfang kann auf die Gesamtheit der Fälle hochgerechnet werden. Wegen der mit der Methode der Einzelfallprüfung mit Hochrechnung einhergehenden Unsicherheit bei der Feststellung des Gesamtumfangs von unwirtschaftlichen Behandlungsmaßnahmen darf der so ermittelte Gesamtbetrag nicht als Kürzungsbetrag ausgewiesen werden. Es ist hiervon vielmehr ein Sicherheitsabschlag von 25% des als unwirtschaftlich ermittelten Gesamtbetrages vorzunehmen. Auf der Grundlage der bisher vorliegenden mathematisch-statistischen Erkenntnisse begegnet es danach keinen Bedenken, wenn die so festgestellten unwirtschaftlichen Behandlungskosten der Kürzung zugrunde gelegt werden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß - wie bei der Einzelfallprüfung ohnehin erforderlich - die Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall an Hand jedes geprüften Behandlungsfalles zu belegen ist (vgl § 35 Abs 1 SGB X). Dies kann zB dadurch geschehen, daß die Prüfberichte der Prüfärzte, auf die sich die Prüfinstanzen bei der Feststellung der Unwirtschaftlichkeit stützen, zum Inhalt eines Honorarkürzungsbescheides gemacht werden.

In Anwendung der dargelegten Grundsätze halten die Bescheide der Beklagten einer rechtlichen Überprüfung nur zum Teil stand. Dabei gilt für die Quartale III/79, I/80 und II/81 folgendes: Gegenstand der Beanstandungen in diesen Quartalen sind ausweislich der Prüfberichte der Prüfärzte Dr. A. und Dr. M. nicht nur als unwirtschaftlich erachtete Leistungen. Vielmehr wurden in nicht unerheblichem Umfang Leistungen als nicht vergütungsfähig gestrichen, weil deren Abrechnungsfähigkeit nicht gegeben bzw der jeweilige Leistungsinhalt nicht erfüllt war, so zB bei den Leistungen Nrn 1, 18, 18b, 65, 250 und 253 E-GO. Es handelt sich hierbei der Sache nach um Richtigstellungen der Abrechnungen des Klägers; denn bei ihnen wird die Beanstandung nicht auf die Menge der abgerechneten Leistungen gestützt, sondern setzt bei den inhaltlichen Anforderungen der Leistung an. Die Voraussetzungen der Richtigstellung können jedoch nicht im Wege einer Hochrechnung ermittelt werden. Richtigstellungen haben vielmehr im Einzelfall - dann durch die zuständigen Instanzen - zu erfolgen. Hinzu kommt, daß - wie der Kläger nachgewiesen hat - die Beklagte Berichtigungen seiner Abrechnungen für die Quartale I/80 und II/81 bzgl der Leistungen Nrn 1 und 65 E-$GO bereits vorab vorgenommen hatte. Die Beklagte wird daher bei der erneuten Prüfung der Wirtschaftlichkeit die im Rahmen einer Berichtigung zu berücksichtigenden Umstände außer Betracht zu lassen und die genannten Leistungen ggf einer Richtigstellung zuzuführen haben. Im übrigen ist im Quartal II/81 die Kürzung der Leistung Nr 5448 E-GO in eine Gesamtkürzung miteinzubeziehen.

Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit in den Quartalen II und IV/80 bzgl der Leistung Nr 5416 E-GO ist zu beachten, daß auch insoweit nicht eine Kürzung wegen Unwirtschaftlichkeit, sondern eine Richtigstellung erfolgt ist. Diese kann schon aus den genannten Gründen keinen Bestand haben. Die Beklagte hat zudem gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 1980 erklärt, daß der Leistungsinhalt der Nr 5416 E-GO erfüllt sei, wenn die Untersuchung mit Technetium anstelle von Radiojod durchgeführt werde. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Schreiben um eine Zusicherung (iS des seit dem 1. Januar 1981 geltenden § 34 SGB X) handelt. Jedenfalls hat die Beklagte damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen es ihr untersagt war, die mit Technetium erbrachte Untersuchung nach Nr 5416 E-GO als nicht abrechnungsfähig zu erklären. Bei der erneuten Überprüfung der Abrechnung des Klägers in diesen Quartalen kann eine Kürzung wegen Unwirtschaftlichkeiten dieser Leistung mithin nicht auf deren angeblich fehlende Abrechnungsfähigkeit gegründet werden.

Im aufgezeigten Umfang haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend den Bescheid der Beklagten vom 5. April 1983 aufgehoben. Die Beklagte hat bei der erneuten Sachentscheidung über die Widersprüche die Rechtsauffassung des Senats zu beachten.

Im übrigen waren auf die Revision der Beklagten die Urteile des SG und des LSG abzuändern und die Klage bzgl der Kürzungen der Leistung Nr 5446 bzw Nr 5448 E-GO in den Quartalen II bis IV/80 und I/81 (Bescheide vom 2. Oktober 1980, 6. Januar 1981, 20. März 1981 und 3. Juli 1981, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 1983) abzuweisen. Die Beklagte hat die Kürzung der Leistung Nr 5446 E-GO in Höhe von 50% der jeweils abgerechneten Fälle unter Bezugnahme auf die Prüfbescheide damit begründet, der Kläger habe die Leistung Nr 5448 E-$GO teilweise ohne ersichtlichen therapeutischen Nutzen neben der Leistung Nr 5446 E-GO erbracht, obwohl in den meisten Fällen eine Diagnostikaussage bereits durch die Nierenszintigraphie (Nr 5446 E-GO) erreicht werde (Bescheid vom 2. Oktober 1980) bzw die Leistung Nr 5446 E-GO die Leistung Nr 5448 E-GO in vielen Fällen ersetze (Bescheid vom 6. Januar 1981). Anders als in den zuvor angesprochenen Quartalen hat sie dabei - auch im Quartal IV/80, in dem die Kürzung der Leistung Nr 5448 E-GO bestehen blieb - die Gesamtheit der jeweils abgerechneten Leistungen in einem Quartal im Auge gehabt, die Kürzung also insoweit gerade nicht auf die Ergebnisse einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung gestützt.

Die Entscheidung der Beklagten, die bzgl der Leistung Nr 5446 E-$GO bzw Nr 5448 E-GO in Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unwirtschaftlichkeit ergangen ist, erscheint nicht unvertretbar. Verstöße gegen die Grundvoraussetzungen, an die sich auch eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Verwaltungsentscheidung zu halten hat, sind weder vom Kläger substantiiert vorgetragen worden noch ersichtlich. Da sich die Bescheide bzgl der genannten Leistungen als rechtmäßig erwiesen, war die Klage unter Abänderung der angefochtenen Urteile in diesem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei berücksichtigt, daß die Beklagte in dem Rechtsstreit nur in einem kostenmäßig unerheblichen Umfang obsiegt hat.

 

Fundstellen

BSGE, 246

NJW 1993, 1549

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