Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

Berufungsausschuß für Kassenarztzulassungen Nordrhein, Düsseldorf, Emanuel-Leutze-Straße 8, Beklagter und Revisionsbeklagter

1.AOK Rheinland - Die Gesundheitskasse, Düsseldorf, Kasernenstraße 61, 2.Innungskrankenkasse Nordrhein, Bergisch Gladbach, St.-Josef-Straße 20, 3.Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen, Essen,..

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Der als Arzt für Chirurgie in einem Krankenhaus tätige, 1941 geborene Kläger beantragte im Januar 1993 bei der Bezirksstelle Köln der zu 6 beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Zulassung als Vertragsarzt im Zulassungsbezirk Köln. Bevor über diesen Antrag eine Entscheidung getroffen worden war, beantragte er im Mai 1993, in Düsseldorf als Chirurg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden, um mit dem dort bereits zugelassenen Dr. St. in einer Gemeinschaftspraxis tätig werden zu können. Der Zulassungsausschuß für Ärzte Düsseldorf lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, er sei ungeachtet des im Januar 1993 für den Zulassungsbezirk Köln gestellten Antrags als nach dem 1. Februar 1993 gestellt zu behandeln, und ihm könne im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossenen Feststellungen des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Versorgungslage nicht entsprochen werden. Nachdem im Hinblick auf eine bestehende Überversorgung im Juli 1993 für den Planungsbereich Düsseldorf Zulassungsbeschränkungen angeordnet worden waren, wies der beklagte Berufungsausschuß den Widerspruch des Klägers zurück (Bescheid vom 21. Juli 1994).

Im Klageverfahren war der Kläger weder mit dem auf eine Zulassung im Zulassungsbezirk Düsseldorf gerichteten Hauptantrag noch mit dem auf eine Zulassung im Zulassungsbezirk Köln gerichteten Hilfsantrag erfolgreich. Den Hauptantrag hat das Sozialgericht (SG) für unbegründet gehalten, weil der Kläger wegen der Zulassungsbeschränkung für Chirurgen in Düsseldorf nicht zugelassen werden könne und ihm auch aus Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) kein Anspruch auf Zulassung ungeachtet bestehender Zulassungsbeschränkungen zustehe. Ein solcher Anspruch sei nur gegeben, wenn ein Arzt bis zum 31. Januar 1993 seine Zulassung beantragt habe. Der Kläger habe aber bis zum Ablauf dieser Frist seine Zulassung im Zulassungsbezirk Köln beantragt; diesem Antrag komme hinsichtlich der nunmehr angestrebten Zulassung in Düsseldorf keine privilegierende Wirkung zu. Den Hilfsantrag hat das SG als unzulässig angesehen, weil der Beklagte über den Antrag des Klägers, in Köln zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden, noch keine Entscheidung getroffen habe (Urteil vom 12. April 1995).

Mit seiner vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung der Zulassungsvorschriften sowie eine Verletzung seines Grundrechts aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG). Zu Unrecht habe das SG angenommen, die Privilegierungswirkung des Art 33 § 3 Abs 1 GSG komme seinem Hauptantrag nicht zugute, weil er im Januar 1993 die Zulassung für den Zulassungsbezirk Köln beantragt habe. Er sei berechtigt gewesen, den genauen Ort seiner geplanten Niederlassung bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses festzulegen; diese Konkretisierung seines Antrags habe er im Mai 1993 in der Weise vorgenommen, daß er als Praxissitz nunmehr die chirurgische Praxis des Dr. St. in Düsseldorf benannt habe. Im Hinblick auf die Regelung des Art 33 § 3 Abs 1 GSG komme es deshalb auf die 1993 für den Planungsbereich Düsseldorf verhängten Zulassungsbeschränkungen nicht an. Seinem Zulassungsanspruch stehe nicht entgegen, daß er seine Tätigkeit als niedergelassener Arzt nicht bis 1. September 1993 aufgenommen habe, weil dies allein darauf zurückzuführen sei, daß die Zulassungsgremien seinem Antrag nicht rechtzeitig entsprochen hätten. Ungeachtet dessen sei seinem Zulassungsbegehren auch deshalb zu entsprechen, weil wirksame Zulassungsbeschränkungen im Bezirk der beigeladenen KÄV nicht vorhanden seien. Die maßgeblichen Entscheidungen des Landesausschusses seien nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden, was ihrer Wirksamkeit entgegenstehe. Zu einer korrekten Veröffentlichung gehöre nicht nur die Mitteilung, von welchem Zeitpunkt an welcher Planungsbereich für welche Fachgruppe gesperrt sei, sondern auch die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe für die verhängten Zulassungssperren. Ohne Kenntnis der Begründung seitens des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sei der zulassungswillige Arzt nämlich gehindert, die Fehlerhaftigkeit der getroffenen Feststellungen geltend zu machen. Im übrigen seien die Vorschriften über die vertragsärztliche Bedarfsplanung und die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen verfassungswidrig, weil sie für die zulassungswilligen Ärzte eine unzumutbare Beeinträchtigung ihres Grundrechts der freien Berufsausübung gemäß Art 12 Abs 1 GG zur Folge hätten. Wenn der Senat diesen Standpunkt teile, sei das Verfahren auszusetzen und gemäß Art 100 Abs 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die vertragsärztliche Bedarfsplanung vorzulegen.

Der auf die Zulassung in Köln gerichtete Hilfsantrag sei ebenfalls begründet, denn der Beklagte hätte selbst über ihn entscheiden können und müssen, nachdem der Zulassungsausschuß für Ärzte Köln keine Entscheidung getroffen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12. April 1995 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21. Juli 1994 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichteten, ihn (Kläger) als Arzt für Chirurgie in Düsseldorf, hilfsweise in Köln, zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1, 3, 6, 7 und 8 beantragen ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 4 schließt sich der Auffassung des Beklagten an.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Entscheidung des SG zu Haupt-und Hilfsantrag ist zutreffend.

Der Beklagte, dessen Entscheidung allein Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in Zulassungsangelegenheiten ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1), hat es zu Recht abgelehnt, den Kläger in Düsseldorf zur vertragsärztlichen Versorgung als Arzt für Chirurgie zuzulassen. Zwar hat der Kläger die Zulassung dort im Mai 1993 beantragt; Zulassungsbeschränkungen sind für den Planungsbereich Düsseldorf in der Fachgruppe der Chirurgen erstmals nach dem Inkrafttreten der Neuregelung der vertragsärztlichen Bedarfsplanung in §§ 101 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zum 1. Januar 1993 im Juli 1993 durch den Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen angeordnet worden. Deshalb steht der Zulassung des Klägers nicht die Vorschrift des § 19 Abs 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) entgegen, weil danach Zulassungsanträge wegen Zulassungsbeschränkungen nur abgelehnt werden dürfen, wenn solche bereits bei Antragstellung angeordnet waren. Etwas anderes gilt indes gemäß Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG für diejenigen Zulassungsanträge, die in den ersten Monaten der Geltung des GSG im Jahre 1993, jedoch nach dem 31. Januar 1993 gestellt worden sind. Diese Anträge sind auch dann abzulehnen, wenn Zulassungsbeschränkungen zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht angeordnet waren, sondern erst im Laufe des Jahres 1993 verhängt worden sind. Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG hat Bedeutung nur im Zusammenhang mit der ersten Überprüfung der Versorgungslage durch den Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nach dem Inkrafttreten des GSG (Peters/Hencke, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 95 RdNr 61; Hauck/Haines, SGB V-Komm, § 103 RdNrn 7, 33; Hess, NZS 1994, S 97, 99). Die Vorschrift ist durch den Ausschuß für Gesundheit des Deutschen Bundestages in die Übergangsbestimmungen des GSG eingefügt worden (vgl BT-Drucks 12/3930, S 148), um durch eine Abweichung von § 19 Abs 1 Ärzte-ZV sicherzustellen, daß Zulassungssperren schon ab 1. Februar 1993 greifen und nicht abhängig davon sind, wann der Landesausschuß erstmalig die Feststellung trifft, daß eine Überversorgung vorliegt (vgl BT-Drucks 12/3937, S 22). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier erfüllt, denn die im Rheinischen Ärzteblatt vom 25. Juli 1993 veröffentlichten Ergebnisse der Bewertung der Versorgungslage durch den Landesausschuß stellen die erstmalige Feststellung von Übersorgung seit dem Inkrafttreten der Neuregelung der vertragsärztlichen Zulassungsvorschriften durch das GSG dar, und der hier zu beurteilende Zulassungsantrag des Klägers ist nach dem 31. Januar 1993 gestellt worden.

Die Auffassung des Klägers, die Zulassungsbeschränkungen seien, soweit die Fachgruppe der Chirurgen im Planungsbereich "Stadt Düsseldorf" betroffen ist, mangels hinreichender Veröffentlichung nicht wirksam, trifft nicht zu. Gemäß § 16b Abs 4 Ärzte-ZV ist die Anordnung und Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in den für amtliche Bekanntmachungen der KÄVen vorgeschriebenen Blättern zu veröffentlichen. Diesen Voraussetzungen ist hier genügt, denn im Rheinischen Ärzteblatt Nr 14 vom 25. Juli 1993, S 662 ist mitgeteilt worden, daß der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen für den Bereich der KÄV Nordrhein gemäß § 103 Abs 2 SGB V die in der anliegenden Liste aufgeführten Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat, zu denen ua die Fachgruppe der Chirurgen im Bereich der Stadt Düsseldorf zählt. Gemäß § 16b Abs 4 Ärzte-ZV gilt das Publikationserfordernis lediglich für die Anordnung und die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen und nicht für die davon zu unterscheidende Feststellung einer Überversorgung iS des § 16b Abs 2 1. Halbsatz Ärzte-ZV sowie des § 103 Abs 1 Satz 1 SGB V. Die vom Kläger vermißten Angaben darüber, aufgrund welcher Bedarfszahlen der Landesausschuß für den betroffenen Planungsbereich eine Überversorgung bei den Chirurgen in welcher Höhe festgestellt hat, betreffen die "Feststellung einer Überversorgung", während die "Anordnung von Zulassungsbeschränkungen" die Rechtsfolge der Feststellung der Überversorgung darstellt und für sich genommen einer näheren Begründung weder zugänglich ist noch bedarf. Gesetzliche Bestimmungen darüber, in welchem Umfang der Landesausschuß seine Ermittlungen hinsichtlich von Über- und Unterversorgung zu publizieren hat, bestehen nicht. Im übrigen ist die Veröffentlichung der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen nicht Voraussetzung für ihre Wirksamkeit, was sich aus § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV ergibt. Wenn hiernach wegen Zulassungsbeschränkungen ein Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit nur dann abgelehnt werden kann, wenn diese bereits bei Antragstellung angeordnet waren, so folgt daraus, daß der für die Wirksamkeit von Zulassungsbeschränkungen maßgebliche Zeitpunkt derjenige der Anordnung seitens des Landesausschusses und nicht der Tag ihrer Veröffentlichung in den Publikationsorganen der KÄV ist (vgl Kasseler Komm-Hess, § 103 SGB V RdNr 20). Adressat der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen seitens des Landesausschusses ist gemäß § 16b Abs 2 2. Halbsatz Ärzte-ZV der Zulassungsausschuß. Dieser muß die angeordneten Zulassungsbeschränkungen beachten, soweit sie der Landesausschuß ihm gegenüber bekanntgemacht hat. Unmittelbare rechtliche Außenwirkung gegenüber zulassungswilligen Ärzten kommt der Entscheidung des Landesausschusses über die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen nicht zu. Das Publikationserfordernis ist deshalb kein Wirksamkeitserfordernis, sondern dient lediglich dazu, potentielle Zulassungsbewerber über bereits bestehende Zulassungsbeschränkungen zu informieren (Kasseler Komm-Hess, § 103 SGB V RdNrn 10 und 20; Hauck/Haines, SGB V, § 103 RdNr 5; Peters/Hencke, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 103 SGB V RdNrn 4 und 7; aA Schallen, Zulassungsverordnung für Ärzte, 1994, RdNr 101).

Der Kläger hat keinen Anspruch, ungeachtet der für den Planungsbereich Düsseldorf wirksam angeordneten Zulassungsbeschränkungen dort zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen zu werden. Ein solcher Anspruch könnte ihm nur zustehen, wenn er bis Ende Januar 1993 die Zulassung beantragt hätte, weil nach Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 GSG einem Antrag auf Zulassung als Vertragsarzt, der bis zum 31. Januar 1993 gestellt worden ist, auch dann zu entsprechen ist, wenn Zulassungsbeschränkungen nach dem 1. Januar 1993 gemäß § 103 Abs 1 SGB V angeordnet sind. Die Zulassung in Düsseldorf hat der Kläger jedoch nicht im Januar, sondern erstmals im Mai 1993 beantragt.

Der im Januar 1993 für den Zulassungsbezirk Köln gestellte Antrag vermag die Privilegierungswirkung des Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 GSG für die nunmehr in erster Linie verfolgte Zulassung in Düsseldorf nicht auszulösen. Die Vorschrift begünstigt nur solche Zulassungsanträge, die nach den Vorschriften der Ärzte-ZV wirksam gestellt worden sind. § 18 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV bestimmt, daß der Antrag Angaben darüber enthalten muß, für welchen Vertragsarztsitz die Zulassung begehrt wird. Mit dem Vertragsarztsitz ist nach § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V und § 24 Abs 1 Ärzte-ZV der "Ort der Niederlassung als Arzt" gemeint, der den Sitz der Praxis in einer politischen Gemeinde beschreibt (BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 26; Kasseler Komm-Hess, § 95 SGB V RdNr 53). Angaben über den Sitz der Praxis im dargestellten Sinne enthält der im Januar 1993 gestellte Zulassungsantrag des Klägers nach den im Verfahren der Sprungrevision nicht mit Verfahrensrügen angreifbaren (§ 161 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des SG nicht. Das muß nicht bedeuten, daß der auf Zulassung im Zulassungsbezirk Köln gerichtete Antrag des Klägers vom Januar 1993 mangels Angaben zum in Aussicht genommenen Praxissitz überhaupt keine Rechtsfolgen ausgelöst hat. Im Hinblick auf die sehr kurze Frist zwischen dem Inkrafttreten des GSG am 1. Januar 1993 und dem Ende der privilegierten Übergangszeit für Zulassungsanträge Ende Januar 1993 (Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 GSG) wird verbreitet die Auffassung vertreten, die Rechtswirkungen des Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 GSG müßten auch solchen Zulassungsanträgen zugute kommen, die bei Antragstellung noch keine konkreten Angaben zu dem in Aussicht genommenen Praxissitz enthielten, denen aber zumindest zu entnehmen war, für welchen Planungsbereich die Zulassung angestrebt wird (vgl Peters/Hencke, aaO, § 95 RdNr 60; Hauck/Haines, aaO, § 103 RdNr 31). Für diese Rechtsauffassung spricht, daß es vielen Ärztinnen und Ärzten, die Ende 1992 von der unmittelbar bevorstehenden Beseitigung der weitgehend unbeschränkten Zulassungsmöglichkeit an jedem gewünschten Ort überrascht wurden, häufig kaum möglich gewesen sein dürfte, binnen weniger Wochen ihre grundsätzlich vorhandene Niederlassungsbereitschaft so konkret zu realisieren, daß bereits zuverlässige Angaben über die Praxisanschrift möglich waren. Der Schutz derjenigen Ärzte, die bis zum Inkrafttreten des GSG noch keinen Zulassungsantrag gestellt hatten, aber sich zu diesem Zeitpunkt in der Entscheidungsphase befanden, sich als Vertragsärzte niederzulassen, hat die Überlegungen des Gesetzgebers zur Ausgestaltung der Übergangsregelung des Art 33 § 3 GSG maßgeblich beeinflußt (vgl BT-Drucks 12/3937, S 11). Selbst wenn dem gefolgt und der im Januar 1993 gestellte Zulassungsantrag des Klägers deshalb nicht als vollständig unbeachtlich behandelt wird, kann er gleichwohl nicht als wirksamer Antrag auf Zulassung im Planungsbereich Düsseldorf gewertet werden. Dem steht entgegen, daß er nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG auf eine Zulassung im Zulassungsbezirk Köln gerichtet war und deshalb die Rechtswirkungen des Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 GSG allenfalls für eine Zulassung in einem Planungsbereich dieses Bezirks ausgelöst haben kann. Die Zulassung in einem Planungsbereich eines Zulassungsbezirks (§ 96 Abs 1 SGB V), der in einem im Januar 1993 gestellten und an den für einen anderen Zulassungsbezirk zuständigen Zulassungsausschuß gerichteten Zulassungsantrag nicht benannt worden war, ist nicht durch Art 33 § 3 Abs 1 GSG begünstigt.

Die in Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 GSG gesetzte Übergangsfrist bis Ende Januar 1993 hat die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in den Stand gesetzt, unmittelbar ab Ablauf der Frist unter Einbeziehung der bis zum Ende des Monats Januar 1993 gestellten privilegierten Zulassungsanträge ermitteln zu können, ob aufgrund einer bestehenden oder im Hinblick auf die privilegierten Zulassungsanträge im Jahre 1993 sicher zu erwartenden Überversorgung Zulassungsbeschränkungen anzuordnen waren. Bezugsgröße für das Bestehen einer Überversorgung ist die Versorgungssituation im einzelnen Planungsbereich (vgl § 103 Abs 1 und Abs 2 SGB V sowie § 16b Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Die ihnen gesetzlich zugewiesene Aufgabe, möglichst frühzeitig im Jahre 1993 bezogen auf alle Planungsbereiche die notwendigen Feststellungen für eine Überversorgung zu treffen, konnten die Landesausschüsse nur erfüllen, wenn sie genaue Kenntnisse darüber hatten, in welchem Planungsbereich sich zulassungswillige Ärzte unter Ausnutzung der Übergangsregelung des Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 GSG niederlassen wollen. Deshalb kann die Privilegierungswirkung nur solchen Zulassungsanträgen zukommen, die zumindest erkennen lassen, für welchen Planungsbereich die Zulassung erstrebt wird, was wiederum zur Folge hat, daß bei einem Wechsel des Planungsbereichs die begünstigende Wirkung des Art 33 § 3 Abs 1 GSG nur erhalten geblieben ist, wenn der Wechsel dem Zulassungsausschuß bis zum Ablauf des Monats Januar 1993 mitgeteilt worden ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil der Kläger erst im Mai 1993 gegenüber dem Zulassungsausschuß für Ärzte Düsseldorf seinen Wunsch geäußert hat, nunmehr in Düsseldorf zugelassen zu werden.

Die Vorschriften des § 103 Abs 1 Satz 2 SGB V iVm § 19 Abs 1 Ärzte-ZV sowie des Art 33 § 3 Abs 2 GSG, die die vom Kläger gewünschte Zulassung als Arzt für Chirurgie in Düsseldorf hindern, sind mit dem GG vereinbar. Anlaß zur Erörterung der Vereinbarkeit dieser Bestimmungen mit Art 12 Abs 1 GG besteht nur, soweit sie derzeit ausschließen, daß sich der Kläger an dem von ihm gewünschten Ort als Vertragsarzt niederlassen kann. Ob die grundrechtlich geschützte Berufswahl- und -ausübungsfreiheit des Klägers weitergehend beeinträchtigt ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Es steht nämlich nicht fest, ob er seinen Zulassungswunsch noch im - inzwischen möglicherweise ebenfalls gesperrten - Planungsbereich Köln auf der Grundlage seines schon im Januar 1993 gestellten Zulassungsantrags verwirklichen kann bzw ob noch andere Planungsbereiche für die Zulassung von Chirurgen offen sind.

Soweit gesetzliche Regelungen die Zulassung in überversorgten Gebieten verhindern und die Bewerber auf relativ schlechter versorgte Bereiche verweisen, sind sie mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar. Bereits das am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz vom 28. Dezember 1976 (BGBl I S 3871) enthielt Bedarfsplanungsregelungen mit dem Ziel einer gleichmäßigen Versorgung der gesamten Bundesrepublik und gestattete die Sperrung ärztlich überversorgter Gebiete für die weitere Zulassung von Kassenärzten (vgl Hencke, ZSR 1987, S 136, 137). Das Bedarfsplanungsinstrumentarium ist dann mit dem Gesetz zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung vom 19. Dezember 1986 (BGBl I S 2593) zum 1. Januar 1987 durch die Neufassung des § 368t Reichsversicherungsordnung weiter ausgebaut worden. Diese Vorschrift hat nichts an dem Rechtsanspruch jedes Arztes geändert, eine Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit zu erhalten, jedoch die freie Wahl des Ortes der Niederlassung im Interesse einer gleichmäßigen Versorgung eingeschränkt (vgl Wigge, SGb 1993, S 158, 160). An diese Regelung haben die §§ 101 bis 104 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) angeknüpft und den Landesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen das Recht gegeben festzustellen, ob in einzelnen Planungsbereichen Übersorgung vorliegt und dadurch eine zweckmäßige und wirtschaftliche kassenärztliche Versorgung gefährdet ist. In diesen Fällen war der Landesausschuß berechtigt, Zulassungsbeschränkungen anzuordnen (§ 103 Abs 1 SGB V idF des GRG). In § 102 Abs 2 Satz 5 SGB V idF des GRG war bestimmt, daß eine Überversorgung in höchstens 50 % der Planungsbereiche angenommen werden durfte und entsprechend mindestens 50 % der Planungsbereiche aller Fachgebiete für die Niederlassung von Kassenärzten offengehalten werden mußten (vgl Schnath, Bedarfsplanung und Konkurrenzschutz im Kassenarztrecht, 1992, S 48 f). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelungen der Berufsausübung iS des Art 12 Abs 1 Satz 2 GG, die mit dem Ziel einer gleichmäßigen vertragsärztlichen Versorgung zulassungswillige Ärzte von überversorgten in relativ schlechter versorgte Gebiete "umleiten" sollten, sind nicht gerechtfertigt (vgl Schnath, aaO, S 148 f; Wigge, aaO, S 160; Hencke, aaO, S 136, 137; Zeihe, ZSR 1987, S 167, 171; Kasseler Komm-Hess, § 103 SGB V RdNr 3).

Diese Rechtslage hat sich durch die Neufassung der §§ 101 ff SGB V durch das GSG zum 1. Januar 1993 erheblich geändert. Die in § 102 Abs 2 Satz 5 SGB V idF des GRG enthaltene Regelung, wonach 50 % der Planungsbereiche in der Bundesrepublik stets für eine Niederlassung als Kassen- bzw Vertragsarzt offenbleiben müssen, ist weggefallen (vgl Zipperer, NZS 1993, S 53, 55; Peters/Hencke, aaO, § 103 RdNr 8; Wigge, SGb 1993, S 158, 160). Die Anwendung der §§ 101 und 103 SGB V idF des GSG kann zur Folge haben, daß schon vor der zum 1. Januar 1999 vorgesehenen Einführung der Bedarfszulassung (vgl § 102 SGB V) in zahlreichen ärztlichen Fachgebieten keine für die Niederlassung von Vertragsärzten offenen Planungsbereiche mehr vorhanden sind (vgl Zipperer, aaO, S 55; Hänlein, VSSR 1993, S 169, 177 f). Ob der Eintritt dieser Rechtsfolge vom Willen des Gesetzgebers gedeckt wäre (verneinend: Zipperer, aaO, S 55), kann ebenso offenbleiben wie die Frage nach der Vereinbarkeit einer mit den geschilderten Auswirkungen verbundenen gesetzlichen Regelung mit dem Grundrecht der zulassungswilligen Ärzte aus Art 12 Abs 1 GG. Darüber wäre erst zu entscheiden, wenn feststeht, daß der Kläger seinen Zulassungswunsch weder in Köln noch in einem anderen, für ihn unter Würdigung aller Umstände seiner Lebenssituation zumutbaren Planungsbereich verwirklichen kann.

Der Hilfsantrag des Klägers, den Beklagten zu verpflichteten, ihn in Köln zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Arzt für Chirurgie zuzulassen, ist unzulässig. Richtige Klageart in Zulassungsstreitigkeiten ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs 1 SGG, mit der der an der Zulassung interessierte Arzt die seinen Antrag ablehnende Entscheidung des Berufungsausschusses angreift und dessen Verpflichtung begehrt, die gewünschte Zulassung zu erteilen. Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer entsprechenden Klage gehört, daß die Zulassungsgremien sich mit dem Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit befaßt und darüber in einer den zulassungswilligen Arzt beschwerenden Weise entschieden haben. Diese Voraussetzung ist hier hinsichtlich des auf die Zulassung im Zulassungsbezirk Köln gerichteten Antrags des Klägers von Januar 1993 nicht erfüllt, weil darüber der Zulassungsausschuß für Ärzte Köln noch keine Entscheidung getroffen hat und dementsprechend der beklagte Berufungsausschuß nicht iS des § 96 Abs 4 Satz 1 SGB V hat angerufen werden können. Der Hilfsantrag kann entsprechend von vornherein nur als Untätigkeitsklage iS des § 88 Abs 1 SGG statthaft sein, wenn nämlich über den Zulassungsantrag des Klägers ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Der Senat läßt offen, ob der beklagte Berufungsausschuß für eine Untätigkeitsklage passiv legitimiert wäre oder ob diese Klage gegen den Zulassungsausschuß gerichtet werden müßte. Ebenso bleibt offen, ob Gegenstand einer Untätigkeitsklage nur der Anspruch auf Tätigwerden des Zulassungsausschusses sein könnte (vgl BSGE 75, 56, 58 = SozR 3-1500 § 88 Nr 2 mwN) oder ob das Klageziel unmittelbar die Verpflichtung zum Erlaß des begehrten Verwaltungsaktes sein kann (vgl BSGE 75, 262, 267 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2). Dem Kläger fehlt für den iS einer Untätigkeitsklage gestellten Hilfsantrag jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis, weil er zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Zulassungsausschuß für Ärzte Köln um eine Entscheidung über seinen Antrag gebeten bzw an eine noch ausstehende Entscheidung erinnert hat. Zwar mag, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, ein Bürger nicht in jeder Situation gehalten sein, vor Erhebung einer Untätigkeitsklage bei der zuständigen Verwaltungsbehörde nachdrücklich um eine Entscheidung zu bitten, doch gilt das in der hier zu beurteilenden Situation nicht. Der Kläger hat nämlich nicht nur zu keinem Zeitpunkt nach Beantragung der Zulassung im Januar 1993 eine Entscheidung angemahnt, sondern darüber hinaus durch seinen Antrag vom Mai 1993 auf Zulassung in Düsseldorf zumindest den Eindruck erweckt, an der ursprünglich im Zulassungsbezirk Köln beabsichtigten Zulassung nicht (mehr) interessiert zu sein. In seinem in den Akten des SG enthaltenen Zulassungsantrag vom 12. Mai 1993 hat er ausdrücklich auf seinen Zulassungsantrag gegenüber dem Zulassungsausschuß für Ärzte Köln Bezug genommen und formuliert, nunmehr "möchte ich die Zulassung in Düsseldorf betreiben". Im Hinblick auf die Tatsache, daß der Kläger nicht gleichzeitig in Köln und in Düsseldorf zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden kann, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, daß er nach der negativen Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag auf Zulassung in Düsseldorf die Zulassung in Köln gegenüber dem dortigen Zulassungsausschuß auch nicht hilfsweise weiter betrieben hat, besitzt der Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis für eine klageweise Inanspruchnahme der Zulassungsgremien im Hinblick auf eine Zulassung in Köln. Im übrigen dürften die geschilderten Umstände einen "zureichenden Grund" iS des § 88 Abs 1 SGG für die bislang nicht erfolgte ausdrückliche Bescheidung des auf eine Zulassung in Köln gerichteten Antrags des Klägers vom Januar 1993 darstellen. Falls dieser noch an einer Zulassung in Köln interessiert ist, obliegt es ihm nunmehr, dies gegenüber dem Zulassungsausschuß für Ärzte Köln zum Ausdruck zu bringen, der dann seinerseits gehalten wäre, so zügig wie möglich darüber zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

SozSi 1997, 238

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