Eine betriebliche Übung entsteht aus einem fortgesetzten, die Arbeitnehmer begünstigenden Verhalten des Arbeitgebers, das bei den begünstigten Arbeitnehmern unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) den verständlichen Eindruck vermittelt, der Arbeitgeber wolle sich durch diese günstigere und vorbehaltslose Verhaltensweise oder Leistung auch in Zukunft an ein derartiges Verhalten binden.[1]

Das BAG begründet einen Anspruch aus betrieblicher Übung in seiner Entscheidung vom 12.1.1994[2] wie folgt:

"Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), zu wertenden Verhaltens des Arbeitgebers erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen... Bei der Anspruchsentstehung entscheidend ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern nur die Frage, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nachTreu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen durften... Will der Arbeitgeber verhindern, das aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. In welcher Form dies geschieht... ist nicht entscheidend. Erforderlich ist nur, das der Vorbehalt klar und unmißverständlich kundgetan wird... Allerdings darf der Arbeitgeber, der sich den Widerruf oder die Kürzung freiwilliger Leistungen vorbehalten hat, diese Gestaltungsrechte nur nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB ausüben... Diesmuss entsprechend gelten, wenn die Leistung durch betriebliche Übung Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist ..."

Kurz zusammengefaßt wird man einen (arbeitsvertraglichen) Anspruch aus betrieblicher Übung annehmen können, wenn der Arbeitgeber aus der Sicht der Arbeitnehmer eine zusätzliche Zuwendung

  • freiwillig
  • vorbehaltslos
  • mehrmals hintereinander (wobei 3 normalerweise genügen) leistete und die Arbeitnehmer
  • deshalb darauf vertrauen konnten, diese Leistung auch künftig zu erhalten und
  • damit, wenn auch nur stillschweigend einverstanden waren, was man wegen der Entgegennahme der Leistungen unterstellt.

Sollten übertarifliche Zuwendungen nicht mehr freiwillig sein, weil man z.B. den ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt zu erklären vergessen hat und ist deshalb nach 3maliger vorbehaltloser Gewährung im Betrieb ein Anspruch aus betrieblicher Übung entstanden, müssen, um den bestehenden Anspruch zum Wegfall zu bringen, die Arbeitsverträge geändert werden (obwohl in bestehenden schriftlichen Verträgen u.U. gar nicht von den Zuwendungen gesprochen wird).

 
Praxis-Tipp

Das Problem ist behoben, wenn dies freiwillig im Einverständnis der Arbeitnehmer geschieht, etwa durch folgenden Zusatz zum Arbeitsvertrag:

Es besteht Einigkeit darüber, das zusätzliche, über die im Arbeitsvertrag vom ... vereinbarten hinausgehenden Leistungen des Arbeitgebers (z.B. die jährliche Weihnachtsgratifikation) künftig freiwillige Leistungen sind, auf die auch bei mehrfacher Gewährung kein Anspruch entsteht.

Unterschriften Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht diesbezüglich nicht, da ja durch diese Vereinbarung noch nicht in die betriebliche Gehaltsstruktur nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eingegriffen wird. Die Arbeitnehmer erhalten ja nach wie vor die ungeschmälerte Zuwendung. Erst bei dem Realisierungsakt, wenn also die Zuwendung tatsächlich gekürzt oder gestrichen werden soll, muss das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wie oben bei der freiwilligen Zulage berücksichtigt werden. Ist ein Einverständnis nicht zu erzielen, und kann der Arbeitgeber die Zuwendungen nicht mehr gewähren, muss über den Ausspruch von (in ganz dringenden Fällen auch fristlosen)Änderungskündigungen nachgedacht werden. Da diese jedoch Kündigungen der bestehenden Arbeitsverhältnisse beinhalten, muss für den Fall der Anwendung des KSchG (länger als 6 Monate Betriebszugehörigkeit und mindestens 6 Beschäftigte) ein dringendes betriebliches Bedürfnis den Ausspruch erforderlich machen (§ 1 KSchG). Es muss also dargetan werden können, das die bisher für die Zuwendungen benötigten finanziellen Mittel dem Betrieb auf Dauer nicht mehr zur Verfügung stehen (z.B. aufgrund Kreditreduzierung und entspr. Beschluß der Gläubigerbanken) bzw. dringend und unausweichlich für anderweitige notwendige betriebliche Maßnahmenverwandt werden müssen.

Will man der Belegschaft gegenüber Änderungskündigungen aussprechen, ist zumindest möglich, das bei einer größeren Anzahl der Arbeitnehmer eine Annahme unter Vorbehalt, wie sie § 2 KSchG vorsieht, nicht erfolgt. Das würde im Fall der Berechtigung der Änderungskündigungen dazu führen, das die entsprechenden Arbeitsverhältnisse tatsächlich beendet sind. Dann läge aber in aller ...

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