Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung des Probeheuerverhältnisses

 

Normenkette

SeemG § 63 Abs. 2, § 23; BGB §§ 625, 139-140

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 28.03.1989; Aktenzeichen 2 Sa 681/88)

ArbG Lübeck (Urteil vom 10.11.1988; Aktenzeichen 1 c Ca 1829/88)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 28. März 1989 – 2 Sa 681/88 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger wurde mit schriftlichem Anstellungsvertrag vom 29. März 1988 mit Wirkung von Anfang April 1988 bei der Beklagten, einer Reederei, als 1. Maschinist eingestellt; er war in der Folgezeit auf dem Motorschrift „D.” tätig. In dem Vertrag heißt es u.a.:

„…

Dieser Angestelltenzeitvertrag läuft zunächst 24 Monate, ist also befristet bis zum 29. März 1990.

Wie bei allen unseren Angestellten werden die ersten sechs Monate Ihrer Tätigkeit als Probezeit angesehen, welche es beiden Parteien ermöglicht, in dieser Zeit das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von einer Woche aufzuheben.

…”

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 16. August 1988 auf der Reise von Limassol nach Ashdod (Israel) auf See „fristgerecht während der Probezeit” mit der Mitteilung, die Ablösung des Klägers werde in Nordeuropa erfolgen. Nachdem das Schiff Anfang September 1988 in Hamburg angekommen war, hat die Beklagte den Kläger gebeten, die nächste Reise mitzumachen, womit der Kläger einverstanden war. Diese Reise dauerte bis Anfang Oktober; nach Ankunft des Schiffes am 12. Oktober 1988 in Bremen wurde der Kläger abgelöst.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die ausgesprochene Kündigung habe das Arbeitsverhältnis nicht beenden können. Die Kündigungsklausel sei nach dem Seemannsgesetz wegen zu kurz bemessener Frist unwirksam. Das führe zur Nichtigkeit der gesamten Probezeitvereinbarung mit der Folge, daß das befristete Arbeitsverhältnis zwei Jahre lang fortbestehe. Auf die Aufforderung der Beklagten sei er seinerzeit schlicht weitergefahren.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Kündigung vom 15. August 1988 unwirksam sei und das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 29. März 1990 zu unveränderten Bedingungen fortbestehe.

Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag sich darauf berufen, an die Stelle der gemäß § 63 Abs. 2 SeemG mit Ablauf des dritten Monats des Heuerverhältnisses unwirksamen Kündigungsfrist von einer Woche trete die gesetzliche Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartal, so daß das Arbeitsverhältnis jedenfalls mit der Beendigung der Reise am 12. Oktober 1988 sein Ende gefunden habe. Dazu hat sie behauptet, Anfang September 1988 habe der Kläger von sich aus angeboten, die nächste Reise mitzumachen, womit sie einverstanden gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Zeugen K. die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, es sei unerheblich, ob man in der Vereinbarung der Parteien von Anfang September 1988 eine Rücknahme der Kündigung erblicke oder nicht: jedenfalls sei § 625 BGB nicht anzuwenden, weil das Heuerverhältnis mit der Beendigung der Reise auch bei Unwirksamkeit der vereinbarten Kündigungsfrist sein Ende gefunden habe. Die vom Kläger gegen dieses Urteil eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Arbeitsverhältnis aufgrund Kündigung der Beklagten vom 15. August 1988 innerhalb der Probezeit mit dem 12. Oktober 1988 beendet worden. Die dafür vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Parteien hätten auch in dem befristeten Heuerverhältnis sich die Möglichkeit einer vorseitigen Auflösung durch fristgerechte Kündigung offenhalten können. Dies sei ausdrücklich mit der Probezeitvereinbarung für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses geschehen: Zwecksetzung sei gewesen, während dieser Probezeit sich erleichtert voneinander trennen zu können. Dabei führe die nach § 63 Abs. 2 SeemG zu kurz bemessene Frist im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB dazu, daß die gesetzliche Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartal, also zum 30. September 1988, gelte. Mit der Beendigung der Reise am 12. Oktober 1988 sei auch das Heuerverhältnis zu Ende gegangen, weil die Wirkungen des § 625 BGB nicht eingetreten seien: Nach dem eigenen Vortrag des Klägers habe die Beklagte sich lediglich bereit gefunden, ihn auf der nächsten Reise weiterzubeschäftigen; eine widerspruchslose Weiterarbeit sei mithin nicht erfolgt.

II. Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, die Parteien hätten im Anstellungsvertrag vom 29. März 1988 für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses eine Probezeitvereinbarung mit einer Kündigungsmöglichkeit, und zwar unter Einhaltung einer Frist von einer Woche, getroffen. Diese Annahme ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht Wortlaut und Sinn der von den Parteien vereinbarten Regelung. Der Kläger sollte ab Anfang April 1988 als 1. Maschinist neu auf dem Motorschiff „D.”, das zwischen dem Kontinent und Israel eingesetzt wurde, tätig werden; die ersten sechs Monate seiner Tätigkeit wurden als Probezeit angesehen. Sinn einer solchen vorgeschalteten Probezeit im Arbeitsverhältnis ist sowohl das wechselseitige Kennenlernen, als auch eine Zeit der Erprobung vorzusehen, innerhalb derer festgestellt werden soll, ob der Arbeitsplatz dem Arbeitnehmer zusagt und ob der Arbeitnehmer sich für die Arbeit eignet (so KR-Wolf, 3. Aufl., Grunds. Rz 357). Im Probeheuerverhältnis gibt diese Vereinbarung dem Reeder die Gelegenheit, die Leistungsfähigkeit und Eignung des Besatzungsmitglieds kennen zu lernen und umgekehrt hat dieses die Möglichkeit, sich davon zu überzeugen, wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord des Schiffes sind und ob ihm die zugedachte Tätigkeit zusagt (so Schwedes/Franz, SeemG, 2. Aufl., § 23 Rz 22). Eine Zeit von sechs Monaten wird dabei als zulässig, aber auch ausreichend angesehen (vgl. KR-Wolf, aaO, Grunds. Rz 359 a; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 620 BGB Rz 162; Schwedes/Franz, aaO, § 23 Rz. 23). Wesentlich ist nur, daß – wie hier – die Probezeit deutlich Vertragsinhalt geworden ist (BAGE 36, 229 = AP Nr. 61 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; KR-Hillebrecht, aaO, § 620 BGB Rz 152).

1. Die grundsätzliche Wirksamkeit dieser Probezeitvereinbarung wird nicht dadurch berührt, daß die Parteien die kurze Kündigungsfrist von einer Woche gewählt haben. Denn diese ist in § 63 Abs. 2 SeemG während der ersten drei Monate eines Angestellten-Heuerverhältnisses ausdrücklich vorgesehen und kann sogar bei Fortdauer der Reise noch bis zu deren Beendigung gelten (§ 63 Abs. 2 Satz 2 SeemG). Es ist ferner nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (vgl. dazu KR-Hillebrecht, § 620 Rz 43, 44) nicht zu beanstanden, wenn die Parteien auch im befristeten Heuerverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit eine Kündigungsmöglichkeit vorsehen (so schon BAGE 2, 245 = AP Nr. 1 zu § 67 HGB mit zust. Anm. von A. Hueck; KR-Wolf, aaO, Grunds. Rz 360). Es bestehen deshalb auch keine Bedenken, wenn die Parteien die an sich für das unbefristete Heuerverhältnis geltenden Kündigungsfristen (§§ 62 Abs. 1, 63 SeemG) vertraglich vorgesehen haben. Die vertragliche Wahl der kurzen Kündigungsfrist wäre erst dann problematisch, wenn trotz einer eingetretenen zwischenzeitigen Beendigung der Reise die Vertragsdauer von drei Monaten überschritten wird. Dann nämlich beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist sechs Wochen zum Ende des Kalendervierteljahres (§ 63 Abs. 2 Satz 3 SeemG). Die Vertragsklausel der Parteien erweist sich daher insoweit als unwirksam, als sie innerhalb der festgelegten Probezeit ab dem vierten Monat des bestehenden Heuerverhältnisses mit der gesetzlichen Regelung kollidiert. Sie ist daher wegen Verstoßes gegen ein Gesetz nach § 134 BGB insoweit teilweise unwirksam.

2. Unter Berücksichtigung der §§ 139, 140 BGB hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, bei Nichtigkeit eines Teils der vertraglichen Abmachungen habe das zu gelten, was von den Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit gewollt sein würde.

a) Dabei ist zunächst davon auszugehen, daß die Parteien den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als solches gewollt hätten (so auch BAG Urteil vom 10. Juli 1973 – 2 AZR 209/73 – AP Nr. 13 zu § 622 BGB). Entgegen der Rüge der Revision muß jedoch auch angenommen werden, daß die Probezeitvereinbarung als solche weitergelten sollte. Denn es ist nicht ersichtlich, daß der oben beschriebene Probezweck in Abweichung von dem von den Parteien festgelegten Zeitraum von sechs Monaten schon vorzeitig als erfüllt angesehen werden sollte. Anhaltspunkte dafür sind von den Parteien hierfür nicht vorgetragen. Demnach hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, die Parteien hätten in Kenntnis der Nichtigkeit der Fristvereinbarung von einer Woche die gesetzliche Frist (sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres) gewollt. Eine derartige Annahme entspricht auch der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung bei unwirksamer Vereinbarung einer zu kurz bemessenen Kündigungsfrist (so BAGE 23, 393 = AP Nr. 11 zu § 620 BGB Probearbeitsverhältnis, m. zust. Anm. von A. Hueck; BAG Urteil vom 10. Juli 1973 – 2 AZR 209/73 – AP, aaO; KR-Hillebrecht, aaO, § 622 BGB Rz 75, m.w.N.). Denn es ist naheliegend, daß die Parteien in Kenntnis der Nichtigkeit einer vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist die gesetzliche und zwar kürzeste Möglichkeit gewählt hätten (vgl. KR-Hillebrecht, aaO, § 622 BGB Rz 92).

b) Diese Annahme verstößt auch nicht gegen Billigkeitsgrundsätze, wie die Revision – unzutreffenderweise – unter Hinweis auf entsprechende Bestimmungen des AGB-Gesetzes argumentiert. Denn dessen Rechtsgrundsätze sind im Arbeitsrecht nicht anzuwenden, wie § 23 Abs. 1 AGBG besagt. Eine richterliche Billigkeitskontrolle hat sich im Arbeitsrecht bereits unabhängig vom Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgebildet. Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, etwa unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Vertragsparität (vgl. dazu KR-Hillebrecht, aaO, § 620 BGB Rz 72) eine zusätzliche Korrektur dahin vorzunehmen, daß über die verlängerte Kündigungsfrist hinaus auch die Probezeit als solche entfallen müßte. Wie bereits ausgeführt wurde, bewegt sich die Vereinbarung einer sechsmonatigen vorgeschalteten Probezeit im befristeten Heuerverhältnis mit gesetzlicher Kündigungsmöglichkeit in zulässigen Grenzen, wie auch die Regelung des erst nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit geltenden Kündigungsschutzes (§ 1 Abs. 1 KSchG) zeigt. Der Kläger hat auch nicht aufgezeigt, daß eine derartig lange Probezeit für einen 1. Maschinisten branchenunüblich sei (vgl. auch Schwedes/Franz, aaO, § 23 Rz 23) oder gar gegen einen Tarifvertrag verstoße. Unter diesen Umständen ist das Landesarbeitsgericht zu Recht von einer Aufkündigung des Heuerverhältnisses zum 30. September 1988 ausgegangen.

3. Dieses mithin wirksam aufgekündigte Heuerverhältnis – das KSchG fand unbestritten noch keine Anwendung – ist auch nicht ohne Widerspruch der Beklagten (§ 625 BGB) stillschweigend fortgesetzt worden. Nach dem vom Landesarbeitsgericht für den Senat nach § 561 ZPO bindend festgestellten Sachverhalt hat die Beklagte sich nach eigenem Vortrag des Klägers bereitgefunden, ihn ab Anfang September auf der nächsten Reise weiterzubeschäftigen. Der Kläger kann also nicht mit seinem neuen Sachvortrag gehört werden, er sei ausdrücklich gebeten worden, weiterhin die Fahrt vorzunehmen. Dabei übergeht die Revision im übrigen, daß nach dem erstinstanzlichen Tatbestand der Kläger mit der Bitte der Beklagten, die nächste Reise mitzumachen, sich ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Dies entsprach auch dem Beweisergebnis erster Instanz. Hatten aber die Parteien eine Vereinbarung für die nächste Reise getroffen – gleichgültig von wem die Initiative hierfür ausging –, so war eine solche Vertragsabsprache nach der ausdrücklichen Regelung in § 23 Abs. 1 SeemG als zulässig und wirksam anzusehen. Von einer stillschweigenden widerspruchslosen Fortsetzung des Heuerverhältnisses kann deshalb nicht die Rede sein, weil auch die Vereinbarung einer zeit- oder zweckbefristeten Weiterbeschäftigung die Anwendung des § 625 BGB ausschließt (BAG Urteil vom 15. März 1960 – 1 AZR 464/67 – AP Nr. 9 zu § 15 AZO; KR-Hillebrecht, aaO, § 625 BGB Rz. 13), so daß die auf Fortbestand dieses Vertragsverhältnisses gerichtete Klage zu Recht abgewiesen worden ist.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Nipperdey, Dr. Bobke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176378

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