Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungszeit. Aufgabenübernahme. Übernahme des Fachgebiets “Sprecherziehung” der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig durch das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig; Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 472/95 –, zur Veröffentichung in der Fachpresse vorgesehen; vom 28. März 1996 – 6 AZR 561/95 – und 30. Mai 1996 – 6 AZR 638/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen)

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die Übernahme eines Aufgabenbereichs i.S. Nr. 2 Buchst. b der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O kommt auch dann in Betracht, wenn ein Aufgabenbereich einer Teileinrichtung, wie der Sektion einer Universität, übernommen worden ist.
  • Ein Aufgabenbereich erfordert eine im Rahmen der Aufgabe der Teileinrichtung liegende fachlich und organisatorisch eigenständige Aufgabenstellung.
 

Normenkette

BAT-O § 19; BAT-O Übergangsvorschriften Nr. 1; BAT-O Übergangsvorschriften Nr. 2 Buchst. b; BAT-O § 23a; BAT-O Anlage 1a VergGr. Ib Fallgruppe 2; Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 12. November 1991 § 2; Einigungsvertrag Art. 13

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 25.07.1995; Aktenzeichen 9 Sa 1416/94)

ArbG Leipzig (Urteil vom 09.09.1994; Aktenzeichen 15 Ca 1542/94)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin, die am 16. September 1945 geboren ist, ist Diplomsprechwissenschaftlerin. Seit dem 1. Juli 1970 ist sie an der Universität Leipzig (früher: Karl-Marx-Universität Leipzig) tätig. In der Zeit vom 1. Juli 1970 bis 31. Oktober 1971 arbeitete sie am Herder-Institut und vom 1. November 1971 bis 2. Oktober 1990 an der Sektion Journalistik als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Die Sektion Journalistik gehörte zur Fakultät für Kultur-, Sprach- und Erziehungswissenschaften der Karl-Marx-Universität. Sie war in fünf Wissenschaftsbereiche gegliedert. Die Sektion hatte nach dem am 1. September 1988 in Kraft getretenen Studienplan die Aufgabe, Journalisten für die Arbeit in staatlichen Organen, gesellschaftlichen Organisationen und in der Volkswirtschaft auszubilden. Der Journalist sollte sich dabei als politischer Funktionär des SED-Staates verstehen.

Zum Wissenschaftsbereich “Medienspezifik im Journalismus” und den dort zugeordneten Lehrgebieten “Rundfunkjournalismus” und “Fernsehjournalismus” gehörte das Fachgebiet Sprecherziehung, in dem die Klägerin tätig war. Die Sprecherziehung umfaßte die theoretische Einführung in die Themengebiete Anatomie und Physiologie des Atemapparates, Anatomie und Physiologie des Stimmapparates, Satzakzent und Intonation sowie Denk- und Sprechvorgang. Die Studenten sollten lernen, unterschiedliche Gestaltungsmittel gezielt in Nachrichten, Berichten, Kommentaren und Betrachtungen einzusetzen, um sich in der jeweiligen Kommunikationssituation sprecherisch angemessen artikulieren zu können. Das Fachgebiet Sprecherziehung war ein studienbegleitendes Unterrichtsfach. In ihm wurden drei bis vier wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt. Die Klägerin unterrichtete abwechselnd pro Semester zwei oder eine Semesterwochenstunde.

Die Klägerin wurde zum 3. Oktober 1990 nach den Vorschriften des Einigungsvertrages in den Wartestand versetzt. Am 11. Dezember 1990 beschloß die Landesregierung, die Sektion Journalistik abzuwickeln. Seit dem 1. Januar 1991 ist die Klägerin an dem neugegründeten Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften, das zur Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig gehört, tätig.

Das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften hat fünf Lehrstühle. Dem Lehrstuhl für allgemeine und spezielle Journalistik ist das Fachgebiet Sprecherziehung angegliedert, in dem zwei wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden. Der Inhalt der Ausbildung hat sich nicht verändert. Die Klägerin übte ihre Tätigkeit seit dem 1. November 1971 ohne Beanstandungen aus.

Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) Anwendung. Die Klägerin erhält Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe seit dem 1. Dezember 1991 ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Ib BAT-O in der Lebensaltersstufe 45 zu, da sie die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Ib Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT-O erfülle. Sie habe sich 15 Jahre in einer Tätigkeit der VergGr. IIa Fallgruppe 1a bewährt. Als Diplomsprechwissenschaftlerin wäre sie am 1. November 1971 nach VergGr. IIa Fallgruppe 1a in der Lebensaltersstufe 25 einzugruppieren gewesen. Da ihre Beschäftigungszeit seit dem 1. November 1971 als Bewährungszeit i.S.v. § 23a BAT-O gelte, wäre sie ab 1. November 1986 in VergGr. Ib in der Lebensaltersstufe 41 höherzugruppieren gewesen und hätte ab 1. Dezember 1991 die Lebensaltersstufe 45 erreicht.

Die Zeit ihrer Tätigkeit an der Sektion Journalistik der früheren Karl-Marx-Universität sei als Beschäftigungszeit nach Nr. 2b der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O anzurechnen, da der Beklagte mit dem Fachgebiet Sprecherziehung einen Aufgabenbereich der früheren Sektion Journalistik übernommen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, sie ab 1. Dezember 1991 nach der VergGr. Ib der Vergütungsordnung Bund/Länder der Anlage 1a zum BAT-O in der Lebensaltersstufe 45 zu vergüten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er vertritt die Auffassung, die Zeit der Tätigkeit der Klägerin an der Sektion Journalistik sei nicht als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O und deshalb auch nicht als Bewährungszeit i.S.v. § 23a BAT-O anzuerkennen.

Die Sektion Journalistik sei nicht überführt worden. Auch seien vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften keine Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche übernommen worden. Dies sei nur der Fall, wenn organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheiten mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung fortgeführt worden seien. Diese Voraussetzungen hätten beim Fachgebiet Sprecherziehung nicht vorgelegen, da es sich nur um ein eng begrenztes Lehrgebiet ohne eigene Oranisationsstruktur gehandelt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht ab 1. Dezember 1991 ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Ib BAT-O zu. Die Zeit ihrer Beschäftigung bei der Karl-Marx-Universität Leipzig in der Sektion Journalistik seit dem 1. November 1971 ist als Bewährungszeit i.S.v. § 23a BAT-O anzuerkennen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ab 1. Dezember 1991 ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Ib BAT-O in der Lebensaltersstufe 45 zu. Die Klägerin habe sich 15 Jahre in einer Tätigkeit der VergGr. IIa Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT-O bewährt. Die Zeit der Tätigkeit der Klägerin an der Sektion Journalistik bei der Karl-Marx-Universität Leipzig ab 1. November 1971 sei als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O anzusehen und gelte deshalb auch als Bewährungszeit i.S.v. § 23a BAT-O. Die Anrechnung als Beschäftigungszeit beruhe auf Nr. 2b der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O. Das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig des Beklagten habe mit dem Fachgebiet Sprecherziehung einen Aufgabenbereich der ehemaligen Sektion Journalistik übernommen, da die Ausbildung in diesem Fachgebiet unverändert fortgeführt worden sei.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Die Klägerin erfüllt die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Ib Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT-O seit dem 1. Dezember 1991 in der Lebensaltersstufe 45.

1. Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Ib haben Angestellte, die nach mit dem Hinweiszeichen * gekennzeichneten Tätigkeitsmerkmalen in der VergGr. IIa eingruppiert sind, u.a. nach fünfzehnjähriger Bewährung in einer Tätigkeit der VergGr. IIa (VergGr. Ib Fallgruppe 2).

Die Berücksichtigung von Bewährungszeiten ist in § 2 Nr. 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vom 8. Mai 1991 zum BAT-O in der durch den 2. Änderungstarifvertrag vom 12. November 1991 geänderten und ab 1. Dezember 1991 in Kraft getretenen Fassung geregelt. Dort heißt es:

§ 2

Übernahme der Vergütungsordnung des BAT

Die Anlage 1a – für die Bereiche des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder … sind mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

1. Sofern in Tätigkeitsmerkmalen Bewährungszeiten, Tätigkeitszeiten, Zeiten einer Berufsausübung usw. gefordert werden, werden diejenigen vor dem 1. Juli 1991 zurückgelegten und nach § 19 Abs. 1 u. 2 BAT-O und den Übergangsvorschriften hierzu als Beschäftigungszeit anerkannten Zeiten berücksichtigt, die zu berücksichtigen gewesen wären, wenn Abschnitt VI und die Vergütungsordnung des BAT-O bereits vor dem 1. Juli 1991 gegolten hätten.

Wenn die Eingruppierungsvorschriften (Abschnitt VI) und die Vergütungsordnung zum BAT-O bereits vor dem 1. Juli 1991 gegolten hätten, hätte die Klägerin ab 1. November 1971 das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IIa Fallgruppe 1a, das mit dem Hinweiszeichen * versehen ist, erfüllt. In diese Vergütungsgruppe sind Angestellte mit wissenschaftlicher Hochschulausbildung und entsprechender Tätigkeit einzugruppieren. Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin vor, da sie als Diplomsprechwissenschaftlerin über ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium verfügte und seit dem 1. November 1971 eine entsprechende Tätigkeit ausübte.

Zwischen den Parteien ist nicht streitig, daß die Klägerin sich in dieser Tätigkeit i.S.v. § 23a BAT-O bewährt hat und zum 1. Dezember 1991 die Lebensaltersstufe 45 erreichte.

2. Damit hängt der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Ib BAT-O davon ab, ob die Zeit ihrer Tätigkeit bei der Karl-Marx-Universität Leipzig in der Sektion Journalistik als Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 1 u. 2 BAT-O und den Übergangsvorschriften anzuerkennen und deshalb als Bewährungszeit zu berücksichtigen ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit Recht bejaht.

a) Die für die Anerkennung als Beschäftigungszeit maßgebenden tariflichen Bestimmungen haben, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

“§ 19

Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

(2) Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag erfaßt wird oder diesen oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Absatzes 1 als Beschäftigungszeit angerechnet.

Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:

1. Als Übernahme im Sinne des Absatzes 2 gilt auch die Überführung von Einrichtungen nach Artikel 13 des Einigungsvertrages.

2. Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeit nach Maßgabe des Absatzes 1

b) für Angestellte der Länder

Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit das Land deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat,

…”

b) Die Zeit der Tätigkeit der Klägerin vor dem 1. Januar 1991 ist nicht nach § 19 Abs. 1 BAT-O als Beschäftigungszeit anzuerkennen, da der Beklagte, der Freistaat Sachsen, nicht mit der früheren Arbeitgeberin der Klägerin, der Karl-Marx-Universität Leipzig als einer nachgeordneten Einrichtung des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen der ehemaligen DDR identisch ist. Damit ist die Zeit der Tätigkeit bei der Karl-Marx-Universität keine Beschäftigungszeit bei “demselben Arbeitgeber” i.S.v. § 19 Abs. 1 BAT-O. Eine Anerkennung der Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 2 BAT-O kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die frühere Arbeitgeberin nicht den BAT-O oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts angewendet hat.

c) Die Zeit der Tätigkeit der Klägerin bei der Karl-Marx-Universität Leipzig in der Sektion Journalistik ist jedoch nach Nr. 2b der Übergangsvorschriften als Beschäftigungszeit anzuerkennen.

Durch den Beitritt der DDR ist diese und damit auch die Karl-Marx-Universität Leipzig als frühere Arbeitgeberin der Klägerin weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Art. 13 EV erfolgt ist.

In Art. 13 EV ist der Übergang von Einrichtungen und Teileinrichtungen geregelt. Deswegen kann sich die Überführung i.S.v. Nr. 2b der Übergangsvorschriften nicht nur auf Einrichtungen, sondern auch auf Teileinrichtungen beziehen. Zur Überführung von Einrichtungen oder Teileinrichtungen nach Art. 13 EV bedurfte es einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle (BAGE 71, 147 = AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275). Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde i.S.v. Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung sie unverändert fortführte oder unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAGE 72, 176 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag).

Der Beklagte hat die Karl-Marx-Universität Leipzig als nachgeordnete Einrichtung des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen der ehemaligen DDR nicht überführt (vgl. BAG Urteil vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 472/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

Auch eine Überführung der Sektion Journalistik als einer Teileinrichtung der Universität ist nicht erfolgt. Der Achte Senat hat im Urteil vom 15. Dezember 1994 (– 8 AZR 23/93 – AP Nr. 11 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) im einzelnen ausgeführt, daß der Beklagte für die Sektion Journalistik eine ausdrückliche Abwicklungsentscheidung getroffen hat und die wesentliche Aufgabenstellung, die darauf gerichtet war, Absolventen heranzubilden, die bereit und in der Lage waren, die Politik der Partei der Arbeiterklasse und des sozialistischen Staates jederzeit und unter allen Bedingungen offensiv zu vertreten, vollständig weggefallen ist. Dieser Beurteilung schließt sich der erkennende Senat an.

d) Der Beklagte hat jedoch mit dem Fachgebiet Sprecherziehung einen Aufgabenbereich der Sektion Journalistik übernommen, so daß die Zeit der Tätigkeit der Klägerin in diesem Aufgabenbereich nach Nr. 2b der Übergangsvorschriften als Beschäftigungszeit anzuerkennen ist.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Anerkennung von Beschäftigungszeiten nach Nr. 2b der Übergangsvorschriften darauf an, ob eine Aufgabe bzw. ein Aufgabenbereich der Einrichtung ganz oder überwiegend übernommen worden ist. Dabei beurteilt sich die Aufgabe der Einrichtung nach den für ihre Tätigkeit maßgebenden Rechtsgrundlagen (vgl. BAG Urteil vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 472/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt und Urteil vom 28. März 1996 – 6 AZR 561/95 –, zur Veröffentlichung bestimmt) und den tatsächlichen Umständen (Urteil vom 30. Mai 1996 – 6 AZR 638/95 –, zur Veröffentlichung bestimmt).

Ist eine Aufgabe nicht in vollem Umfang übernommen worden, so kommt die Übernahme eines Aufgabenbereichs als einer kleineren organisatorischen Einheit in Betracht. Ein Aufgabenbereich erfordert damit einen im Rahmen der Aufgabe der Einrichtung organisatorisch eigenständigen Teilbereich.

Eine solche organisatorische Eigenständigkeit bedingt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Fähigkeit zur aufgabenbezogenen Eigensteuerung, wie sie für eine Teileinrichtung kennzeichnend ist. Nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang, der neben dem Tarifwortlaut für die Tarifauslegung maßgebend ist (vgl. BAGE 46, 308, 310 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) kommt eine Anerkennung als Beschäftigungszeit nach Nr. 2b der Übergangsvorschriften einerseits auch dann in Betracht, wenn Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche einer Teileinrichtung übernommen worden sind. Die Tarifvertragsparteien gehen, wie der Bezug auf Art. 13 EV ausweist, davon aus, daß nicht nur eine Einrichtung als Ganzes, sondern auch eine Teileinrichtung überführt werden kann. Für den Fall, daß eine Überführung nicht erfolgt ist, ist deshalb sowohl bei einer Einrichtung als auch bei einer Teileinrichtung die Übernahme von Aufgaben bzw. Aufgabenbereichen für die Anerkennung der Beschäftigungszeit maßgebend.

Aus dem Tarifwortlaut ergibt sich andererseits, daß es auf die Übernahme von Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche der Einrichtung bzw. der Teileinrichtung nicht aber darauf ankommt, ob die vom Angestellten arbeitsplatzbezogen ausgeübte Tätigkeit fortgeführt wird (vgl. BAG Urteil vom 28. März 1996 – 6 AZR 561/95 – zur Veröffentlichung bestimmt). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist für die Beurteilung der Übernahme von Aufgaben bzw. Aufgabenbereichen deshalb nicht maßgeblich, ob der Angestellte bei seiner jetzigen Tätigkeit die von ihm früher erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen einsetzen kann. Zwar setzt die Anerkennung als Beschäftigungszeit voraus, daß der Angestellte in dem übernommenen Bereich tätig war. Nicht entscheidend ist aber, ob der Angestellte weiterhin diese Tätigkeit ausübt. Der Einsatz erworbener Fähigkeiten und Erfahrungen rechtfertigt deshalb noch nicht den Schluß auf die Übernahme einer Aufgabe bzw. eines Aufgabenbereiches.

bb) Mit Recht nimmt das Landesarbeitsgericht jedoch an, daß das Fachgebiet “Sprecherziehung” als Aufgabenbereich anzusehen ist, den der Beklagte übernommen hat.

Die Sprecherziehung war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ein studienbegleitendes Unterrichtsfach im Wissenschaftsbereich “Medienspezifik im Journalismus” und dort den Lehrgebieten “Rundfunkjournalismus” und “Fernsehjournalismus” zugeordnet. Es handelte sich damit um ein Fachgebiet im Rahmen der Journalistenausbildung, die Aufgabe der Sektion Journalistik als einer Teileinrichtung der Karl-Marx-Universität Leipzig war. Das Fachgebiet hatte eine Aufgabenstellung, die von den übrigen Fächern inhaltlich abgrenzbar war und durch organisatorisch eigenständige Vorlesungen mit einem Personalbestand von drei bis vier Wissenschaftlern verfolgt wurde. Es handelt sich deshalb nicht nur um eine arbeitsplatzbezogen von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit, sondern um einen Aufgabenbereich i.S.v. Nr. 2b der übergangsvorschriften.

Die in dieser Form fachlich und organisatorisch ausgestaltete Ausbildung im Fachgebiet Sprecherziehung wurde vom Beklagten im Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig übernommen und dem Lehrstuhl für allgemeine und spezielle Journalistik zugeordnet. Ausbildungsinhalte und -ziele blieben, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, dabei unverändert.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Lenßen, Kapitza

 

Fundstellen

Haufe-Index 884835

NZA 1997, 502

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