Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung zur nachträglichen Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitiger Reduzierung der Arbeitszeit (hier: Lektor an Universität im Beitrittsgebiet). soziale Auswahl. Personalratsbeteiligung

 

Leitsatz (redaktionell)

Teilweise Parallele zu 2 AZR 609/95

 

Normenkette

KSchG §§ 1-2; SGB VI § 41 Abs. 4; PersVG Bln § 89 Abs. 1; BPersVG § 108 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 22.06.1995; Aktenzeichen 7 Sa 147/94)

ArbG Berlin (Urteil vom 12.10.1994; Aktenzeichen 96 Ca 11700/94)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 22. Juni 1995 – 7 Sa 147/94 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der am 23. Mai 1936 geborene, verheiratete Kläger ist promovierter Mathematiker. Er wurde von der Beklagten ab 1. Mai 1960 als wissenschaftlicher Assistent am II. Mathematischen Institut eingestellt. Aufgrund von Änderungsverträgen war er vom 1. Mai 1967 an als wissenschaftlicher Oberassistent und vom 1. Mai 1974 an als Lektor tätig. Nach der Errichtung des Fachbereichs Mathematik der Beklagten nach 1990 wurde der Kläger dort im Bereich Angewandte Analysis beschäftigt.

Mit Schreiben vom 30. März 1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30. September 1994 aus dringenden betrieblichen Gründen kündige, weil eine unbefristete Dauerstelle des wissenschaftlichen Mittelbaus für ihn nicht zur Verfügung stehe. Gleichzeitig bot sie ihm den Abschluß eines bis 31. Dezember 1996 befristeten Arbeitsvertrages an, der eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Lektor mit 80 % der üblichen Arbeitszeit im Fachbereich Mathematik vorsah. Der Kläger hat das Vertragsangebot am 7. April 1994 unter einem Vorbehalt gemäß § 2 KSchG angenommen.

Mit seiner am 13. April 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Änderung des Arbeitsverhältnisses gewandt. Er hat geltend gemacht, die Beklagte habe schon nicht nachvollziehbar dargelegt, daß eine Weiterbeschäftigung auf unbestimmte Zeit nicht möglich sei. Für die Befristung fehle es an einem sachlichen Grund. Jedenfalls sei die soziale Auswahl fehlerhaft vorgenommen worden. Der Kläger hat ferner eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten und beantragt,

1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 30. März 1994 zum 30. September 1994 nicht aufgelöst worden sei, sondern unbefristet fortbestehe;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu den bisherigen Bedingungen als Lektor im Fachbereich Mathematik weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der vom Kuratorium zur Anpassung der Stellenstruktur nach der Wiedervereinigung an die heutigen Erfordernisse beschlossene Stellenplan sehe unter drastischer Verringerung unbefristeter Funktionsstellen des akademischen Mittelbaus für den Fachbereich Mathematik bei 14 Fachgebieten nurmehr acht derartige Stellen gegenüber 38,5 Qualifikationsstellen zur befristeten Beschäftigung vor. Darüber hinaus stünden nur noch gemäß Beschluß des Berliner Senats 852/91 auf fünf Jahre befristet sogenannte Überhangstellen zur sozialen Abfederung der notwendigen Struktur- und Personalanpassungen zur Verfügung. Auf dieser Basis sei von der Struktur- und Berufungskommission des Fachbereichs ein sorgfältig austariertes Konzept entwickelt worden, um nicht durch mangelnde Eignung bedingte Beendigungskündigungen zu vermeiden. Insoweit sei angestrebt worden, etwa doppelt so viele unbefristete Beschäftigungsverhältnisse beizubehalten, als Dauerstellen vorhanden seien, und im übrigen sei entsprechend einer Initiative der Arbeitnehmer des akademischen Mittelbaus im Fachbereich ein „Stellensplitting” vorgesehen worden, welches eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 80 % beinhalte, soweit dies rechtlich möglich sei. Dieses Konzept habe die Personalkommission auf ihrer Sitzung vom 16. September 1993 gebilligt und die notwendigen Einzelentscheidungen getroffen, d.h. im Fall des Klägers die streitige – trotz der angestrebten Befristung als solche rechtlich zulässige – Änderungskündigung beschlossen. Im Bereich Angewandte Analysis gebe es nur noch zwei Funktionsstellen, die mit gegenüber dem Kläger sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern besetzt seien. Zu Lasten des Klägers falle dabei ins Gewicht, daß er keine unterhaltsberechtigten Kinder habe und Ende 1996 in den Vorruhestand gehen könne. Dem Kläger habe deshalb lediglich eine befristete Weiterbeschäftigung auf einer Überhangsstelle angeboten werden können. Der Personalrat habe nur ein Mitwirkungsrecht und sei mit Schreiben vom 11. März 1994 ordnungsgemäß unterrichtet worden. Mit Schreiben vom 30. März 1994 sei zu dessen Widerspruch abschließend Stellung genommen worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.

Der Kläger begehrt mit seiner Revision die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, im Streit sei allein eine Beendigungskündigung. Diese sei durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt, weil es für eine unbefristete Weiterbeschäftigung des Klägers an einer Haushalts- oder Planstelle fehle. Stünden wie hier Mittel nur noch aus einer befristeten, nicht aber aus einer unbefristeten Planstelle zur Verfügung, so entfalle der Bedarf für eine unbefristete Beschäftigung und der Mitarbeiter könne nur noch befristet beschäftigt werden. Die Auswahl des Klägers für die Kündigung sei aus den von der Beklagten genannten Gründen unter sozialen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die gebotene Interessenabwägung führe auch unter Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer und des Alters des Klägers zu keinem anderen Ergebnis. Zugunsten der Beklagten sei zu berücksichtigen, daß sie dem Kläger den bis 31. Dezember 1996 befristeten Arbeitsvertrag angeboten habe, womit die Beklagte zu Recht in Rechnung gestellt habe, dem Kläger sei es möglich, bis zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung in einem Arbeitsverhältnis zu bleiben.

Einer Zustimmung des Personalrats zur Kündigung habe es nicht bedurft, weil der Kläger als Lektor vorwiegend wissenschaftlich tätig gewesen sei.

II. Dem folgt der Senat nicht. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen nicht den Schluß, die streitige Kündigung sei eine Beendigungskündigung und als solche gemäß § 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Auch eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats als Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung (§ 108 Abs. 2 BPersVG) steht nicht fest. Insoweit bedarf es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung.

1. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 109/83 – (BAGE 46, 191 = AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) handelt es sich nicht um eine Änderungskündigung, die gemäß § 2 KSchG unter Vorbehalt angenommen und gemäß § 4 Satz 2 KSchG mit einer Änderungsschutzklage bekämpft werden kann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Kündigung nur noch eine befristete Weiterbeschäftigung anbietet. Eine Änderungskündigung setze voraus, daß das Arbeitsverhältnis, wenn auch zu geänderten Bedingungen, so doch auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden solle. Dies folge daraus, daß die Änderung nach den kündigungsrechtlichen Maßstäben des § 1 KSchG oder des § 626 BGB darauf zu prüfen sei, ob sie sozial gerechtfertigt bzw. unabweisbar notwendig sei und ob die neuen Bedingungen für den Arbeitnehmer zumutbar bzw. von ihm billigerweise hinzunehmen seien, während eine Befristung bereits dem Grunde nach nur auf ihre sachliche Rechtfertigung, nicht aber auf die soziale Rechtfertigung nach § 1 KSchG geprüft werden könne.

Diese Rechtsprechung ist in der Literatur, wenn auch ohne eigene Begründung, auf Zustimmung gestoßen (vgl. KR-Rost, 3. Aufl., § 2 KSchG Rz 10 a; Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., § 2 KSchG Rz 6, 101; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 467; Löwisch, NZA 1988, 633; Schulin, SAE 1986, 279). Überwiegend wird sie allerdings abgelehnt (vgl. v. Hoyningen-Huene, Anm. zu AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 2 Rz 8 f.; Schaub in Hromadka, Änderung von Arbeitsbedingungen, S. 73 f.; Linck, AR-Blattei SD 1020.1.1 Rz 12 ff.; Plander, NZA 1993, 1057, 1060 ff.; jetzt auch KR-Rost, 4. Aufl., § 2 KSchG Rz 10 a). Die vom Bundesarbeitsgericht gemachte Einschränkung finde im Wortlaut des § 2 KSchG keine Stütze. Sei die Befristung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt, sei sie für den Arbeitnehmer nicht annehmbar, was die Änderungskündigung sozialwidrig mache. Das bedeute aber nicht, daß die Befristung als solche auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen sei. Den betroffenen Arbeitnehmern müsse auch in diesen Fällen die zusätzliche Wahlmöglichkeit des § 2 KSchG eröffnet werden.

Der Senat hält diese Kritik für berechtigt. Es geht überhaupt nicht darum, allgemein Befristungsabreden auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen. Auch die unter dem Druck der Kündigung vorbehaltlos zustandegekommene Befristungsvereinbarung ist nur darauf zu untersuchen, ob sie durch sachliche Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gedeckt ist. Begrifflich liegt aber bei einer mit dem Angebot befristeter Weiterbeschäftigung verbundenen Kündigung eine Änderungskündigung vor. Es ist nicht einzusehen, weshalb dem Arbeitnehmer die zusätzliche Wahlmöglichkeit des § 2 KSchG verwehrt werden sollte. Mit der Ablehnung der angebotenen Vertragsänderung oder deren Annahme unter Vorbehalt wird die Überprüfungsmöglichkeit der Kündigung bzw. der Änderung auf ihre soziale Rechtfertigung gemäß § 1 KSchG eröffnet. Auch bei der Überprüfung der Änderung geht es aber nicht um eine Inhaltskontrolle der geänderten Bedingungen am Maßstab des § 1 KSchG, sondern – punktueller Streitgegenstand – um die Sozialwidrigkeit der Änderung, d.h. des Abgehens von der bisherigen Bedingung eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit. Quasi als Vortrage fließt dann allerdings in die Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Änderung ein, ob die Befristung als solche durch sachliche Gründe gedeckt ist (vgl. dazu BAG Urteil vom 24. Januar 1996 – 7 AZR 496/95 –, zur Veröffentlichung bestimmt). Andernfalls müßte der Arbeitnehmer die Änderung, also die Umstellung auf eine solche Befristung, billigerweise nicht hinnehmen, was die Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne von §§ 1, 2 KSchG sozialwidrig machen würde. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, daß der Arbeitnehmer die Wirksamkeit der Befristung nur und erst dann überprüfen lassen können soll, wenn er sich vorbehaltlos auf sie eingelassen hat. Die Änderung kann aber auch dann, wenn die Befristung als solche sachlich gerechtfertigt ist, aus anderen Gründen sozialwidrig sein, z.B. wenn die soziale Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG fehlerhaft erfolgt ist. Der Senat hat deshalb seine eingangs dargestellte Rechtsprechung mit dem am selben Tag zuvor ergangenen, zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil – 2 AZR 609/95 – aufgegeben.

Gegen die Zulässigkeit des zugleich auf die Feststellung eines unbefristet fortbestehenden Arbeitsverhältnisses gerichteten Antrags des Klägers bestehen keine Bedenken. Er ist unter Berücksichtigung der vorgetragenen Begründung als Änderungsschutzantrag im Sinne von § 2 KSchG auszulegen.

2. Die Beklagte konnte durch eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Organisationsentscheidung die für eine Dauerbeschäftigung vorgesehenen Stellen verringern und auf die einzelnen Fach- und Arbeitsbereiche verteilen. Die Auswahl der auf diesen Stellen zu beschäftigenden Arbeitnehmer hatte im Rahmen der Vergleichbarkeit nach sozialen Gesichtspunkten zu erfolgen (§ 1 Abs. 3 KSchG). Für diejenigen Arbeitnehmer, die danach nicht zum Zuge kamen, war eine Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse jedenfalls dann bedingt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), wenn auch für eine befristete Weiterbeschäftigung keine geeignete Stelle zur Verfügung stand. Dem Landesarbeitsgericht ist darüber hinaus darin zuzustimmen, daß das Vorhandensein einer solch geeigneten Stelle zur befristeten Weiterbeschäftigung einer Kündigung nicht schlechthin entgegenstand. Allerdings war dem Arbeitnehmer diese Stelle aus Gründen der Verhältnismäßigkeit anzubieten (vgl. das schon erwähnte Senatsurteil vom 25. April 1996 – 2 AZR 609/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vorliegend hat der Kläger das Angebot zu einer bis 31. Dezember 1996 befristeten Weiterbeschäftigung unter Vorbehalt angenommen.

Personalrats behauptet, im Rechtsstreit hat die Beklagte aber bislang nicht vorgetragen, welche Vorkenntnisse der Personalrat im einzelnen gehabt haben soll.

Die Beklagte hat nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die sich wiederum auf das Schreiben vom 11. März 1994 beziehen, dem Personalrat fälschlich mitgeteilt, daß für Dr. M. ebenfalls nur eine befristete Weiterbeschäftigung (bis 30. September 1998) vorgesehen sei, was bei einer bewußt falschen Information zur Unwirksamkeit der Kündigung führen würde. Es ist nicht auszuschließen, daß der Personalrat darauf hingewirkt hätte, statt Dr. M. den Kläger unbefristet weiterzubeschäftigen, wenn er insoweit zutreffend unterrichtet worden wäre. Andererseits steht nicht fest, daß beim Personalrat trotz der von der Beklagten behaupteten weiteren Kenntnisse Unklarheiten über die unbefristete Weiterbeschäftigung von Dr. M. bestanden, schon gar nicht, daß die Beklagte den Personalrat insoweit bewußt falsch informiert hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch hierzu wird das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt ggf. weiter aufklären und sodann die Ordnungsmäßigkeit der Personalratsbeteiligung beurteilen müssen.

 

Unterschriften

Etzel, Richter am BAG Bröhl hat Urlaub. Etzel, Fischermeier, Timpe, Bensinger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093148

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