Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsausschluß bei Arbeitsunfall - Beerdigungskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei Tod durch Arbeitsunfall unterliegt der Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten (§ 844 Abs 1 BGB) dem Haftungsausschluß nach § 636 Abs 1 RVO.

 

Normenkette

BGB § 844 Abs. 1; RVO § 589 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 539 Abs. 1 Nr. 1, § 638 Abs. 1 Nr. 1, § 636 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 26.02.1987; Aktenzeichen 6 (7) Sa 555/86)

ArbG Passau (Entscheidung vom 03.07.1986; Aktenzeichen 2 Ca 309/86 D)

 

Tatbestand

Der Beklagte betreibt eine Tankstelle mit Werkstatt. Der Sohn der Kläger war als Auszubildender für den Beruf des Kraftfahrzeugmechanikers im Betrieb des Beklagten beschäftigt. Am 5. August 1985 ließ der Beklagte auf dem Betriebsgelände mit einem Bagger eine Grube ausheben, in die ein Erdtank mit einem Fassungsvermögen von 20.000 Litern verlegt werden sollte. Als der Aushub die Breite von 2,75 m, die Länge von 7,75 m und die Tiefe von 3,10 m erreicht hatte, forderte der Beklagte seine beiden Auszubildenden, darunter den Sohn der Kläger, auf, in die Grube zu steigen und mit Schaufeln den Boden zu ebnen. Während dieser Arbeiten stürzte eine der Wände, die nicht gesichert waren, ein. Das herabfallende Erdreich verschüttete die Auszubildenden. Der Sohn der Kläger wurde dadurch getötet.

Den Klägern entstanden Beerdigungskosten in Höhe von 8.721,87 DM. Die allgemeine Ortskrankenkasse erstattete ein Sterbegeld in Höhe von 1.187,25 DM. Die zuständige Berufsgenossenschaft erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an. Sie leistete an die Kläger ein Sterbegeld in Höhe von 1.120,-- DM und Überführungskosten in Höhe von 115,-- DM. Die Kläger fordern von dem Beklagten den von den Versicherungsträgern nicht erstatteten Teil der Beerdigungskosten. Sie haben vorgetragen, der Beklagte habe den Unfall fahrlässig herbeigeführt.

Mit der am 3. Februar 1986 eingereichten Klage haben die Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamt-

gläubiger 6.299,62 DM nebst 4 % Zinsen seit dem

23. November 1985 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, seine Haftung sei nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ausgeschlossen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger den Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Haftung des Beklagten auf Ersatz der Beerdigungskosten (§ 844 Abs. 1 BGB) ist nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ausgeschlossen.

Nach dieser Bestimmung ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten, deren Angehörigen und Hinterbliebenen zum Ersatz eines Personenschadens, den ein Arbeitsunfall verursacht hat, nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.

1. Der Sohn der Kläger war als Auszubildender im Betrieb des Beklagten unfallversichert (§ 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Das Ereignis, durch das der Sohn der Kläger getötet wurde, war ein Arbeitsunfall; dies hat die Süddeutsche Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft durch Bescheid vom 18. März 1986 festgestellt; daran sind die Gerichte für Arbeitssachen nach § 638 Abs. 1 Nr. 1 RVO gebunden (BAG Urteil vom 6. November 1974 - 5 AZR 22/74 - AP Nr. 8 zu § 636 RVO).

2. Der Beklagte hat nicht vorsätzlich gehandelt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen. Ein hier allein in Betracht kommendes bedingt vorsätzliches Handeln würde voraussetzen, daß der Beklagte den Erfolg seines Handelns gekannt und für den Fall seines Eintritts billigend in Kauf genommen hat (BAG Urteil vom 8. Dezember 1970 - 1 AZR 81/70 - AP Nr. 4 zu § 636 RVO). Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Auch haben die Kläger insoweit keine Tatsachen behauptet.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Unfall auch nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten.

Unter allgemeinem Verkehr ist Verkehr auf allgemein zugänglichen öffentlichen Straßen und Plätzen und in öffentlichen Gebäuden zu verstehen (BAGE 3, 103 = AP Nr. 3 zu § 1 Ges.SchadErs Anspr.Dienst-u.ArbUnfall). Es kommt darauf an, daß der Arbeitnehmer den Unfall als normaler Verkehrsteilnehmer und nicht als Betriebsangehöriger erlitten hat (BGH Urteil vom 8. Mai 1973, - VI ZR 148/72 - AP Nr. 7 zu § 636 RVO, zu II 2 der Gründe).

Der Arbeitsunfall hat sich bereits nicht im öffentlichen Straßenverkehr ereignet. Der Sohn der Kläger wurde auf dem Betriebsgelände tödlich verletzt. Daran ändert nichts, daß dieses zu einer Tankstelle gehörte, die von allen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmenden Kraftfahrzeugen angefahren werden konnte. Der Unfall ereignete sich in einem Gefahrenbereich, in dem sich der Sohn der Kläger allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Betrieb des Beklagten befand. Der Arbeitseinsatz in der Baugrube hatte nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seinen Grund ausschließlich in dem Ausbildungsverhältnis und in der dieses konkretisierenden Weisung, die die Auszubildenden erhalten hatten. Dadurch entfiel ein für die Teilnahme am allgemeinen Verkehr wesentliches Merkmal. Denn von einer Teilnahme am allgemeinen Verkehr kann nur gesprochen werden, wenn der Versicherte sich aufgrund eigenen Entschlusses beliebig in den Verkehr einordnen, sich frei in ihm bewegen und sich nach seinem Belieben aus ihm ausgliedern kann, wie jeder andere Verkehrsteilnehmer auch (Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., § 636 Rz 36). Darauf, ob, was die Kläger offenbar anzweifeln, ihr Sohn aufgrund des Ausbildungsverhältnisses verpflichtet war, die Tätigkeit, die den Unfall zur Folge hatte, auszuführen, kommt es nicht an. Dies mag für den Grad des Verschuldens des Beklagten, der unterhalb der Ebene des Vorsatzes im Verhältnis der Parteien zueinander unerheblich ist, eine Rolle spielen. Für die rechtliche Beurteilung des Unfalls als Arbeitsunfall und dafür, ob eine Teilnahme am öffentlichen Verkehr vorliegt, ist dies ohne Bedeutung.

4. Bei den Beerdigungskosten handelt es sich um einen Personenschaden. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch wird daher auch gegenständlich von dem Haftungsausschluß nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO erfaßt.

Eine Vermögensbeeinträchtigung stellt einen Personenschaden dar, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird. Im Gegensatz zur Auffassung der Revision können Kosten, die für die Beerdigung des Verstorbenen aufgewendet werden müssen, somit nur als Personenschaden angesehen werden. Da der in § 636 Abs. 1 RVO geregelte Haftungsausschluß bezweckt, den Arbeitgeber von der Haftung bei einem Arbeitsunfall freizustellen, erfaßt er auch den Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten nach § 844 Abs. 1 BGB (vgl. Lauterbach, aaO, § 636 Rz 25, 26; MünchKomm-Mertens, BGB, 2. Aufl., § 844 Rz 4; Palandt/Thomas, BGB, 48. Aufl., § 844 Anm. 1; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 844 Rz 24; Wussow/Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 4. Aufl., Rz 413). Anhaltspunkte dafür, daß dieser Anspruch vom Haftungsausschluß bei Arbeitsunfällen ausgenommen sein soll, enthält das Gesetz nicht. Wäre dies gewollt, so hätte es dazu einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht dargelegt hat, folgt dies auch daraus, daß § 589 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 RVO Ansprüche auf ein pauschaliertes Sterbegeld und die Erstattung der Kosten für die Überführung des Verstorbenen an den Ort der Bestattung vorsieht. Die Reichsversicherungsordnung billigt somit den Angehörigen und Hinterbliebenen eigene Ansprüche auf Leistungen zu. Dies steht der Annahme entgegen, der seinem Wortlaut nach umfassende Haftungsausschluß für Personenschäden nach § 636 Abs. 1 RVO gelte für Beerdigungskosten nicht.

Soweit die Regelung des § 636 RVO zur Folge hat, daß Personenschäden aufgrund von Arbeitsunfällen nicht stets zum vollen Ersatz des Schadens führen, beruht dies auf dem das Unfallversicherungsrecht beherrschenden Haftungsersetzungsprinzip. Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt darauf hingewiesen, daß solchen Härten erhebliche Vorteile des Anspruchsberechtigten gegenüberstehen. Er wird bei jedem Arbeitsunfall entschädigt, ohne daß ein Verschulden des Arbeitgebers oder seiner Hilfspersonen vorzuliegen braucht, und auch dann, wenn den Verletzten selbst ein Verschulden trifft (BAGE 5, 1 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO und BAG Urteil vom 8. Dezember 1970 - 1 AZR 81/70 - AP Nr. 4 zu § 636 RVO). Außerdem tragen die Anspruchsberechtigten nicht das Insolvenzrisiko des Arbeitgebers, da die Leistungsansprüche sich gegen Sozialversicherungsträger richten.

Michels-Holl Dr. Wittek Dr. Peifer

Dr. Weiss H. Rheinberger

 

Fundstellen

Haufe-Index 441559

DB 1989, 2540-2541 (LT1)

NJW 1989, 2838 (LT1)

EBE/BAG 1989, 135-136 (LT1)

ARST 1990, 55-56 (LT1)

ASP 1990, 21 (K)

NZA 1989, 795-796 (LT1)

RdA 1989, 379

AP § 636 RVO (LT1), Nr 16

AR-Blattei, ES 860 Nr 61 (LT1)

AR-Blattei, Haftung des Arbeitgebers Entsch 61 (LT1)

EzA § 636 RVO, Nr 10 (LT1)

EzBAT § 8 BAT Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers, Nr 7 (LT1)

HV-INFO 1989, 2574-2575 (LT1)

VersR 1989, 50 (S)

ZfSch 1990, 7 (S)

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