Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Hochschullehrers nach Einigungsvertrag

 

Normenkette

Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 09.11.1994; Aktenzeichen 5 Sa 234/93)

ArbG Leipzig (Urteil vom 25.06.1993; Aktenzeichen 3 Ca 564/93)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 9. November 1994 – 5 Sa 234/93 – aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 25. Juni 1993 – 3 Ca 564/93 – wird zurückgewiesen, soweit sich der Rechtsstreit nicht in der Berufungsinstanz erledigt hat.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.

Der 1945 geborene Kläger war seit 1980 als Dozent für Mathematik an der Technischen Hochschule L. beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. September 1988 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt.

Im Jahre 1969 trat der Kläger in die SED ein. Seit 1983 war er Mitglied der Grundorganisationsleitung der Sektion Mathematik. Von 1986 bis 1988 bekleidete der Kläger das Amt des ehrenamtlichen stellvertretenden Sekretärs der Grundorganisation. Ende 1988 wurde er in die Hochschulparteileitung berufen und blieb dort bis Dezember 1989.

Die nach Maßgabe des Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetzes vom 25. Juli 1991 (SächsGVBl S. 261) an der Technischen Hochschule L. gebildete Personalkommission überprüfte im Jahre 1992 die persönliche Eignung des Klägers für eine Weiterbeschäftigung an der Hochschule. Nach einer Anhörung des Klägers sprach die Kommission sich mehrheitlich gegen die Weiterbeschäftigung des Klägers aus.

Mit Schreiben des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst vom 21. Dezember 1992 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des 28. Februar 1993 wegen fehlender persönlicher Eignung unter Hinweis auf die Tätigkeiten des Klägers als Mitglied der Grundorganisationsleitung, als stellvertretender Sektionsparteisekretär und als Mitglied der Hochschulparteileitung. In der zuletzt genannten Funktion sei der Kläger im Jahre 1989 dafür mitverantwortlich gewesen, daß zwei Studenten, die eine Wandzeitung unter dem Titel „Perestroika” ausgehängt hätten, einem Parteiverfahren ausgesetzt worden seien.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Er hat vorgetragen, seine Tätigkeit in den vom Beklagten genannten Funktionen beeinträchtige seine persönliche Eignung als Hochschullehrer nicht. Seine berufliche Reputation habe er nicht seinen untergeordneten politischen Funktionen zu verdanken, sondern seinen wissenschaftlichen Leistungen mit zahlreichen Veröffentlichungen. Als stellvertretender Grundorganisationssekretär habe er keine politische Kontrolle ausgeübt, sondern lediglich die Mitgliedsbeiträge kassiert und das Parteilehrjahr organisiert. Die Hochschulparteileitung an der Technischen Hochschule L. habe nicht den Rang einer Kreisleitung gehabt, sondern habe der Stadtbezirksleitung der SED unterstanden. Mit dem Vorgang um die Wandzeitung „Perestroika” habe er nichts zu tun gehabt.

Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 21. Dezember 1992 aufgelöst worden sei, sondern über den 28. Februar 1993 hinaus fortbestehe.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die besondere Identifikation des Klägers mit den Zielen der SED ergebe sich aus den ausgeübten Parteifunktionen. Der Kläger sei daher für eine weitere Tätigkeit als Hochschullehrer ungeeignet. Die Grundorganisation der SED habe an den Hochschulen die Funktion gehabt, Einfluß auf die Kaderpolitik zu nehmen und den SED-Anteil durchzusetzen. Ihr habe die Einflußnahme auf die staatlichen Leitungsfunktionen oblegen sowie die Anleitung der Parteigruppen und der Parteisekretäre der unteren Ebenen. Als stellvertretender Sekretär der Grundorganisation sei der Kläger der zweite Mann in diesem Gremium gewesen mit vergleichbaren Aufgaben eines Schulparteisekretärs. Die Hochschulparteileitung sei das höchste Parteigremium der SED an der Hochschule gewesen und habe den Rang einer Kreisleitung gehabt. Da der Kläger noch kurz vor der Wende die Mitgliedschaft in diesem Gremium angetreten habe, habe er dokumentiert, daß er sich bis zum Schluß in besonderer Weise mit den Zielen der SED identifiziert habe. Hinzu komme, daß der Kläger in seiner Eigenschaft als Mitglied der Hochschulparteileitung im Jahr 1989 mit dafür verantwortlich gewesen sei, daß zumindest ein Student, der eine Wandzeitung unter dem Titel „Perestroika” ausgehängt habe, einem Parteiverfahren ausgesetzt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag und dem zunächst gestellten Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. In der Berufungsinstanz haben die Parteien wegen einer inzwischen vom Beklagten ausgesprochenen weiteren Kündigung den Weiterbeschäftigungsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten den Feststellungsantrag des Klägers mit der Maßgabe abgewiesen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten nicht zum 28. Februar 1993, sondern zum 30. Juni 1993 aufgelöst worden sei. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 21. Dezember 1992 nicht aufgelöst worden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 21. Dezember 1992 aufgelöst worden, allerdings nach der zugrunde zu legenden Kündigungsfrist des § 53 BAT-O erst zum 30. Juni 1993. Der Kläger sei aufgrund seiner in der Vergangenheit in der SED innegehabten Funktionen gemäß Abs. 4 Ziff. 1 EV persönlich für eine weitere Tätigkeit als Hochschullehrer nicht geeignet. Als Parteifunktionen seien allerdings nur die Mitgliedschaft in der Grundorganisationsleitung von 1983 bis 1988, die Mitgliedschaft in der Hochschulparteileitung von 1988 bis Dezember 1989 und die Funktion des stellvertretenden Grundorganisationssekretärs von 1986 bis 1988 berücksichtigungsfähig. Nur diese Funktionen sowie die behauptete Beteiligung des Klägers am Vorgehen gegen Studenten, die eine Wandzeitung mit der Aufschrift „Perestroika” angebracht hätten, seien dem Hauptpersonalrat mitgeteilt worden. Ob der Kläger an der Einleitung oder Durchführung eines Parteiverfahrens gegen einen oder zwei Studenten wegen der Wandzeitung beteiligt gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, weil bereits die Mitgliedschaft des Klägers in der Grundorganisationsleitung und Hochschulparteileitung von 1983 bis 1989 sowie seine Funktion als stellvertretender Grundorganisationssekretär von 1986 bis 1988 die mangelnde persönliche Eignung des Klägers im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV indizierten. Wenn auch die Hochschulparteileitung nach dem Vortrag des Klägers an der Technischen Hochschule L. nicht den Rang einer Kreisleitung gehabt habe, sondern der Stadtbezirksleitung unterstellt und deshalb noch der Grundorganisation zuzurechnen gewesen sei, sei sie doch das höchste Gremium der SED an der Hochschule gewesen. Die Grundorganisationen hätten nach den Statuten der SED die Aufgabe gehabt, „den politisch-ideologischen und organisatorischen Einfluß der Partei zu leiten, die Mitglieder und Kandidaten ideologisch zu stählen, eine systematische politische Schulung zu organisieren, alle Möglichkeiten der Aneignung der marxistisch-leninistischen Theorie sowie ihrer Anwendung in der Praxis zu nutzen und den unversöhnlichen Kampf gegen alle Einflüsse der imperialistischen und bürgerlichen Ideologie zu führen”. Dem Kläger habe als Mitglied der Grundorganisationsleitung und der Hochschulparteileitung die Mitwirkung an den vorgenannten Aufgaben zur Umsetzung der ideologischen Ziele der SED an der Hochschule oblegen. Er sei deshalb einer der Repräsentanten der staatstragenden Partei SED an der Hochschule gewesen.

Diese Indizwirkung habe der Kläger nicht durch Tatsachenvortrag entkräftet. In der vom Kläger vorgetragenen Tätigkeit in der Grundorganisationsleitung zeige sich gerade seine Einbindung in die anfallende Parteiarbeit. Auch der Vortrag des Klägers zu seiner Mitgliedschaft in der Hochschulparteileitung sei zur Entlastung nicht geeignet, weil er zumindest an der Beschlußfassung des höchsten Parteigremiums an der Hochschule und damit an der Umsetzung der SED-Ziele an dieser Institution mitgewirkt habe.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Kündigung ist unwirksam. Der Beklagte hat nicht dargetan, daß eine mangelnde persönliche Eignung des Klägers vorliege.

1. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).

Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ist ein Angestellter im Wissenschaftsbereich einer Hochschule beschäftigt und ist diese Tätigkeit mit einem Lehrauftrag verbunden, so sind an ihn ähnlich hohe Anforderungen wie an einen Lehrer zu stellen. Er muß den Studierenden glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes, so z.B. auch die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 356/92BAGE 72, 361, 364 f. = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, unter B III 1, 2 der Gründe). Diese Anforderungen können lediglich graduell dadurch gemindert werden, daß bei den von einem Hochschullehrer unterrichteten Studenten regelmäßig von einer höheren Kritikfähigkeit ausgegangen werden kann als bei den von einem Lehrer unterrichteten Schülern (vgl. Urteil des Senats vom 6. Juli 1995 – 8 AZR 827/93 – n.v., zu II 1 der Gründe; ebenso Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Mai 1995 – 2 AZR 683/94 – AP Nr. 50 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu II 1 der Gründe).

Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, a.a.O.). Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92BAGE 72, 176, 182 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe), denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.

Ein Hochschullehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist (vgl. Urteil des Senats vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93BAGE 76, 323 = AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX).

2. Eine solche Indizwirkung ist aus den vom Kläger ausgeübten Funktionen nicht herzuleiten.

a) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht aus der Tätigkeit des Klägers als Mitglied der Leitung der Grundorganisation der Sektion Mathematik zwischen 1983 und 1988 und seiner Stellung als stellvertretender Sekretär der Grundorganisation zwischen 1986 und 1988 eine besondere Identifikation mit den Zielen der SED angenommen. Dabei handelt es sich nicht um Funktionen, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der Beklagte hat nicht die Aufgaben dargelegt, die der Kläger in den genannten Funktionen hatte. Insbesondere hat der Beklagte nicht dargelegt, daß der Kläger als Mitglied der Sektionsparteileitung und stellvertretender Sektionsparteisekretär an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken oder politische Kontrolltätigkeiten auszuüben hatte.

Es liegt nahe, die Aufgaben eines Mitglieds der Leitung der Grundorganisation an der Sektion einer Hochschule mit der Mitgliedschaft in der Schulparteileitung und den stellvertretenden Sekretär der Grundorganisation an der Sektion mit dem stellvertretenden Parteisekretär an einer Schule zu vergleichen. Beide Funktionen im Schulbereich hat der Senat in ständiger Rechtsprechung für die Annahme einer Indizwirkung nicht ausreichen lassen (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 173/93 – n.v., zu B 2 c der Gründe).

b) Auch die Tätigkeit des Klägers in der Hochschulparteileitung von Ende 1988 bis Dezember 1989 begründet die Indizwirkung nicht.

Auch wenn die Hochschulparteileitung an der Technischen Hochschule L. nach dem Vortrag des Klägers nicht den Rang einer Kreisleitung hatte, war die Hochschulparteileitung jedenfalls das höchste Parteigremium an der Hochschule und der Grundorganisation der Sektion übergeordnet. Damit ist die Hochschulparteileitung, auch wenn sie den Grundorganisationen der SED zuzurechnen war, bereits etwas herausgehoben. Der langjährigen Mitgliedschaft in der Hochschulparteileitung käme jedenfalls dann Indizwirkung zu, wenn zu den Aufgaben der (einfachen) Mitglieder der Hochschulparteileitung die politische Überwachung und Kontrolle der Hochschulleitung und der Studenten gehörte. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Aus den zitierten Parteibeschlüssen lassen sich die Aufgaben der Hochschulparteileitung und ihrer Mitglieder nicht entnehmen, zumal diese Beschlüsse lediglich die allgemeinen Aufgaben der Grundorganisationen der SED beschreiben.

Im Streitfall kann allerdings dahingestellt bleiben, ob eine langjährige Mitgliedschaft in der Hochschulparteileitung Zweifel an der persönlichen Eignung eines Hochschullehrers begründet. Die Indizwirkung scheidet hier jedenfalls deshalb aus, weil der Kläger lediglich von Ende 1988 bis Dezember 1989 Mitglied der Hochschulparteileitung war, die fragliche Funktion somit nur kurzfristig ausübte.

c) Fehlt es damit bereits an der Indizwirkung der ausgeübten Funktion, kommt es auf den Entlastungsvortrag des Klägers nicht mehr an. Ob der Kläger als Mitglied der Hochschulparteileitung an einem Parteiverfahren gegen einen Studenten mitgewirkt hat, kann ebenfalls offen bleiben. Der Vorfall mit der Wandzeitung „Perestroika” ist auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht so schwerwiegend, daß er allein betrachtet eine mangelnde persönliche Eignung des Klägers für den Beruf des Hochschullehrers begründen könnte.

III. Der Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1, § 91 a Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Krause, E. Schmitzberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1086614

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