Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel gegen inkorrekte Rechtsmittelentscheidung

 

Normenkette

ArbGG 1979 §§ 48, 65; GVG § 17a

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 30.01.1992; Aktenzeichen 7 Sa 43/91)

ArbG Hamburg (Urteil vom 12.04.1991; Aktenzeichen 22 Ca 340/88)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. Januar 1992 – 7 Sa 43/91 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der vom Beklagten an den Kläger zu zahlenden Gebühr.

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er erhob für den Beklagten unter dem 9. Juni 1988 eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Hamburg. Die Parteien haben dieses Verfahren noch vor der Güteverhandlung durch außergerichtlichen Vergleich beendet. Danach sollte der Beklagte von seinem Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 15.000,– DM erhalten. Der Kläger verlangte für seine Tätigkeit von der Rechtsschutzversicherung des Beklagten einen Betrag von insgesamt 3.259,26 DM. Er legte seiner Kostenrechnung vom 4. Juli 1988 einen Gegenstandswert von 12.000,– DM für die Kündigungsschutzklage und von 36.000,– DM für den außergerichtlichen Vergleich zugrunde. Für die Kündigungsschutzklage macht er eine Prozeßgebühr geltend, für den außergerichtlichen Vergleich verlangt er neben der Vergleichsgebühr auch die Zahlung einer Erörterungsgebühr. Die Rechtsschutzversicherung weigerte sich den geforderten Betrag in voller Höhe zu zahlen, sie überwies statt dessen nur 1.415,88 DM. Der Kläger hat den Differenzbetrag von 1.843,38 DM dem Beklagten unter dem 20. Juli 1988 in Rechnung gestellt und von dem auf sein Konto eingezahlten Abfindungsbetrag einbehalten.

Der – jetzige – Beklagte hat daraufhin den Restbetrag beim Amtsgericht Hamburg eingeklagt. Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 21. Dezember 1988 als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung des jetzigen Beklagten hob das Landgericht Hamburg das Urteil des Amtsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht zurück. Dieses gab dem Zahlungsantrag des Beklagten nunmehr durch Urteil vom 17. Januar 1990 statt. Das Landgericht wies die Berufung des Klägers durch Urteil vom 8. Januar 1991 zurück. Wegen der Rechtskraft dieses Urteils hat der Kläger zwischenzeitlich den eingeklagten Betrag an den Beklagten gezahlt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Amtsgericht und Landgericht seien nicht befugt gewesen, in der Sache zu entscheiden, vielmehr sei hierfür gemäß § 34 ZPO allein die Arbeitsgerichtsbarkeit sachlich zuständig. Er habe die Klage zum Arbeitsgericht erhoben noch bevor der Beklagte sich an das Amtsgericht gewandt habe. Amtsgericht und Landgericht hätte das bei ihnen anhängige Verfahren daher aussetzen oder den dortigen Kläger – den jetzigen Beklagten – veranlassen müssen, die Verweisung zu beantragen und seinen Anspruch etwa als Widerklage ebenfalls beim Arbeitsgericht zu verfolgen.

Im übrigen habe er bei der Gebührenberechnung den Gegenstandswert zutreffend mit 36.000,– DM festgesetzt. Die Gebührenberechnung müsse nach dem Wertmaßstab des § 17 Abs. 3 GKG erfolgen. § 12 Abs. 7 ArbGG sei hingegen nicht einschlägig, da sich diese Bestimmung lediglich auf das Urteilsverfahren beziehe.

Der Kläger hat zunächst beantragt festzustellen, daß er dem Beklagten nichts schuldet. Er hat sodann im Berufungsverfahren den Antrag angekündigt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. April 1991 – 22 Ca 340/88 – zu ändern und festzustellen, daß dem Beklagten aus der Gebührenabrechnung des Klägers vom 20. Juli 1988 keine Erstattungsansprüche zustanden oder zustehen.

In der Berufungsverhandlung hat der Kläger sodann beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. April 1991 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.843,38 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 4. August 1988 zu zahlen.

Der Beklagte hat erklärt, er stimme der Klageänderung nicht zu und beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Arbeitsgerichtsbarkeit sei für den Rechtsstreit sachlich nicht zuständig. Im übrigen bestehe auch kein Rechtsschutzinteresse für den Feststellungsantrag, da das Landgericht Hamburg bereits rechtskräftig durch Leistungsurteil über den Streitgegenstand entschieden habe. Die Klage sei zudem unbegründet. Der Gegenstandswert für den außergerichtlichen Vergleich richte sich nach § 12 Abs. 7 ArbGG und betrage demnach nur 12.000,– DM. Der Kläger könne auch die in. Ansatz gebrachte Erörterungsgebühr nicht beanspruchen. Die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO setze eine Erörterung in einem gerichtlich anberaumten Termin voraus. Ein Gerichtstermin habe in dem Kündigungsschutzverfahren jedoch nicht stattgefunden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Arbeitsgericht hätte als allein zuständiges Gericht durch Verweisungsbeschluß gemäß § 17 a GVG entscheiden müssen, dies sei nachzuholen. Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Revision begehrt der Kläger die Zahlung von 1.843,38 DM, hilfsweise die Feststellung, daß dem Beklagten aus der Gebührenabrechnung vom 20. Juli 1988 keine Erstattungsansprüche zustanden oder zustehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg, Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Arbeitsgericht hätte die am 1. Januar 1991 in Kraft getretene Neuregelung der §§ 17 a ff. GVG, § 48 ArbGG berücksichtigen müssen. Nach § 17 a GVG n.F. hätte das Arbeitsgericht die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen. Statt dessen hätte es nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG n. F. oder aber nach § 37 a Abs. 3 Satz 2 GVG n.F. verfahren müssen. Hätte das Arbeitsgericht die Unzulässigkeit des Rechtsweges angenommen, hätte es dies gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG n.F. von Amts wegen aussprechen und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht verweisen müssen. Wäre das Arbeitsgericht hingegen von der Zulässigkeit des Rechtsweges ausgegangen, hätte es gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG n.F. über die Zulässigkeit des Rechtsweges vorab entscheiden müssen, weil der Beklagte die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt habe.

Dieser Verfahrensmangel zwinge entsprechend § 539 ZPO dazu, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen. § 68 ArbGG stehe dem nicht entgegen, da es sich um einen Verfahrensmangel handele, der in der Berufungsinstanz nicht geheilt werden könne. Das Verfahren der Rechtswegentscheidung bei Unzulässigkeit des Rechtsweges sowie das Verfahren nach § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG n.F. im Falle der Rüge einer Partei sei ein gesondertes, der Hauptsache vorangehendes Verfahren mit einem eigenen Instanzenzug. Die Entscheidung könne nur durch Beschluß des erstinstanzlichen Gerichts erfolgen. Das Gesetz sehe in § 17 a GVG n.F. keine Verweisung oder Vorabentscheidung durch das zweitinstanzliche Gericht vor.

Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden. Allerdings ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß das Arbeitsgericht versäumt hat, entweder gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG n.F. vorab durch Beschluß die Zulässigkeit des Rechtsweges oder aber gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG n.F. – ebenfalls durch Beschluß – die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges auszusprechen und zugleich den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen. Das Berufungsgericht hat aber verkannt, daß es in diesem Fall die Zulässigkeit des Rechtsweges nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung selbst hätte prüfen müssen.

II.1. Durch Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – 4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I, S. 2809 ff.) sind mit Wirkung vom 1. Januar 1991 (Art. 23 des 4. VwGOÄndG) in den §§ 17 bis 17 b GVG n. F. die Rechtswegentscheidung und -verweisung für alle Gerichtsbarkeiten neu geregelt worden. Für das arbeitsgerichtliche Verfahren folgt dies aus Art. 6 des 4. VwGOÄndG. Nach Nr. 2 dieser Bestimmung gelten nach § 48 Abs. 1 ArbGG n.F. für die Zulässigkeit des Rechtsweges und der Verfahrensart sowie für die sachliche und örtliche Zuständigkeit die §§ 17 bis 17 b GVG n. F. mit den Maßgaben nach Nr. 1 und 2 entsprechend; § 48 a ArbGG a.F. wurde aufgehoben.

Seit Inkrafttreten des 4. VwGOÄndG handelt es sich bei dem Verhältnis der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Arbeitsgerichtsbarkeit nicht mehr um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern um eine Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges.

Früher war das Verhältnis der Arbeitsgerichtsbarkeit zu den sonstigen Rechtswegen in § 48 a ArbGG a. F. geregelt. Für das Verhältnis zwischen den Arbeitsgerichten und den ordentlichen Gerichten galt gemäß § 48 a Abs. 4 ArbGG a.F. und § 17 Abs. 5 GVG a.F. die Regelung des § 48 Abs. 1 ArbGG a.F. Danach fanden die Vorschriften des § 11 ZPO über die bindende Wirkung der rechtskräftigen Entscheidung, durch die ein Gericht sich für sachlich unzuständig erklärt hat, und des § 281 ZPO über die Verweisung des Rechtsstreites an das örtliche oder sachlich zuständige Gericht auf das Verhältnis der Arbeitsgerichte und der ordentlichen Gerichte zueinander entsprechende Anwendung. Dieser Regelung entnahm die herrschende Meinung, daß es sich bei dem Verhältnis der ordentlichen Gerichte zu den Gerichten für Arbeitssachen um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit handele (BAGE 6, 300, 302 = AP Nr. 12 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung, zu I der Gründe; BAG Beschluß vom 11. Juni 1975 – 5 AZR 85/75 – AP Nr. 1 zu § 48 ArbGG 1953, zu 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 20. Dezember 1990 – 2 AZR 300/90 – AP Nr. 3 zu § 48 ArbGG 1979, zu 1 der Gründe; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 1963, Bd. I § 97 II, S. 912; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 1990, § 48 Rz 2; a.A.: Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 48 Rz 2 m.w.N.).

Nach der Neuregelung durch das 4. VwGOÄndG sind die Grundlagen dieser Auffassung entfallen (vgl. BAG Urteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979, zu II 1 a bb der Gründe; Mayerhofer, NJW 1992, 1602, 1603; Kissel. NJW 1991, 945, 947; Künzl, BB 1991, 757 Fn 2; a.A.: Schwab, NZA 1991, 657, 663; Krasshöfer-Pidde/Molkenbur, NZA 1991, 623, 628 f.). § 48 Abs. 1 ArbGG n.F. wurde dergestalt gefaßt, daß nunmehr für die Zulässigkeit des Rechtsweges und der Verfahrensart sowie für die sachliche und örtliche Zuständigkeit die §§ 17 bis 17 b GVG n.F. nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ArbGG n.F. entsprechend gelten. Ferner wurde § 48 a ArbGG a.F. aufgehoben mit der Begründung, diese Bestimmung könne entfallen, weil künftig § 48 Abs. 1 i.V.m. § 17 a GVG gelte (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 11/7030, S. 39).

Schließlich wurde durch Art. 6 Nr. 1 des 4. VwGOÄndG in den Überschriften zu § 2 und § 2 a ArbGG jeweils das Wort „sachliche” (Zuständigkeit) gestrichen. Die Überschriften lauten nunmehr „Zuständigkeit im Urteilsverfahren” bzw. „Zuständigkeit im Beschlußverfahren”. Die Überschrift des § 48 ArbGG lautet nicht mehr „Sachliche und örtliche Zuständigkeit”, sondern „Rechtsweg und Zuständigkeit”.

Damit hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß im Verhältnis der Arbeitsgerichtsbarkeit zur ordentlichen Gerichtsbarkeit keine Besonderheiten mehr gelten. Die formale Erwähnung der sachlichen Zuständigkeit in § 48 Abs. 1 ArbGG n.F. ist gegenüber jenen sachlichen Änderungen als ein redaktionelles Versehen anzusehen (BAG Urteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979, zu II 1 a bb der Gründe; a.A.: Schwab, NZA 1991, 657, 663).

2. Gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG n.F. und § 17 a Abs. 2 bis 4 GVG n. F. ist die Entscheidung über den Rechtsweg wie folgt geregelt:

Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges (§ 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG n.F.). Bestehen Zweifel an der Zulässigkeit des Rechtsweges, kann das Gericht I. Instanz ebenfalls von Amts wegen vorab die Zulässigkeit des Rechtsweges aussprechen (§ 17 a Abs. 3 Satz 1 GVG n.F.). Es muß vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges befinden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt (§ 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG n.F.). In allen genannten Fällen ergeht die Entscheidung durch Beschluß (§ 17 a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 GVG n.F.). Daraus folgt, daß eine Klageabweisung wegen Fehlens der Prozeßvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges nicht mehr statthaft ist (vgl. BAG Urteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979, zu II 1 b aa der Gründe; Zöller/Gummer, ZPO, 17. Aufl., § 17 a GVG Rz 1).

III.1. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Beklagte im erstinstanzlichen Rechtszug die Zulässigkeit des Rechtsweges hinreichend deutlich gerügt. Dabei ist unschädlich, daß der Beklagte geltend gemacht hat, die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes sei nicht gegeben. Es kann mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden, daß es sich dabei um eine unrichtige Bezeichnung handelt. Entscheidend ist, daß der Beklagte zum Ausdruck gebracht hat, seiner Auffassung nach seien nicht die Arbeitsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über den vorliegenden Fall berufen. Das Arbeitsgericht hätte daher gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG n. F., § 17 a Abs. 4 Satz 1 GVG n. F. vorab durch Beschluß über die Zulässigkeit des Rechtsweges entscheiden müssen. Vorabentscheidung bedeutet, daß isoliert von den Fragen der Zulässigkeit im übrigen und den Fragen der Begründetheit und vor der Entscheidung in der Hauptsache entschieden wird (BAG Urteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979, zu II 1 b aa der Gründe, m.w.N.; Zöller/Gummer, ZPO, 17. Aufl., § 17 a GVG Rz 6).

2. Den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils ist im übrigen zu entnehmen, daß das Arbeitsgericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erachtet hat. Daher hätte es gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG n. F. schon von Amts wegen die Unzulässigkeit des Rechtsweges aussprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges verweisen müssen.

3. Neben der Entscheidung nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG n. F. bzw. nach § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG n. F. hätte das Arbeitsgericht das Hauptsacheverfahren entsprechend § 148 ZPO bis zur Unanfechtbarkeit der Vorabentscheidung aussetzen müssen. Das entspricht dem Sinn der Vorabentscheidung, Zweifel über die Zulässigkeit des Rechtsweges vor der Hauptsacheentscheidung zu klären. Ansonsten könnte es bei Feststellung der Unzulässigkeit des Rechtsweges im Beschwerderechtszug zu Unvereinbarkeiten mit der Hauptsachentscheidung kommen (vgl. BAG Urteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7 a.a.O., zu II 1 b bb der Gründe; Zöller/Gummer, ZPO, 17. Aufl., § 17 a GVG Rz 6 und 8; Kissel, NJW 1991, 945, 949).

4. Wäre das Arbeitsgericht nach den Vorschriften des § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG n.F. bzw. des § 17 a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 17 a Abs. 4 Satz 1 GVG n.F. verfahren und hätte es demgemäß vorab durch Beschluß über die Zulässigkeit des Rechtsweges entschieden, wäre hiergegen nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG n.F. die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung, im arbeitsgerichtlichen Verfahren somit nach § 78 Abs. 1 ArbGG, § 568 ff., 577 ZPO, möglich gewesen. Das Arbeitsgericht hat statt dessen über die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges in den Gründen des in der Hauptsache im Sinne des § 17 a GVG n.F. ergangenen Urteils befunden. Das war verfahrensfehlerhaft sowohl nach der Form (Urteil statt Beschluß) als auch nach dem Inhalt (abschließend in der Hauptsache statt vorab beschränkt auf die Rechtswegfrage).

IV. Fehlerhaft ist sodann aber auch das Landesarbeitsgericht verfahren, weil es sich gehindert sah, selbst über die Rechtswegfrage zu entscheiden. Das Berufungsgericht hätte nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung das zulässige Rechtsmittel der Berufung als Beschwerde im Sinne von § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG n.F. behandeln müssen. Danach hätte es das Verfahren auf den Weg bringen müssen, auf den es bei korrekter Entscheidung des Arbeitsgerichts gelangt wäre.

1. Nach allgemeinen prozessualen Rechtsgrundsätzen darf ein Verfahrens fehler des Gerichts nicht zu Lasten der Parteien gehen. Ergeht eine ihrer Art nach falsche Entscheidung, kann die Partei wahlweise das Rechtsmittel einlegen, das gegen die Entscheidung statthaft ist, die hätte ergehen müssen (BGHZ 98, 362, 364 f. m.w.N.), die Partei kann aber auch das Rechtsmittel einlegen, das gegen die tatsächlich erlassene Entscheidung statthaft ist (vgl. nur BAG Urteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7, a.a.O., zu II 2 b der Gründe; BGHZ 98, 362, 364).

Demgemäß durfte der Kläger gegen die fehlerhafte Entscheidung des Arbeitsgerichts, das über die Zulässigkeit des Rechtsweges und der Klage im übrigen einheitlich durch Urteil entschieden hat, sowohl die sofortige Beschwerde (§ 48 Abs. 1 ArbGG n.F.; § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG n.F., § 78 Abs. 1 ArbGG n.F.; §§ 568, 577 ZPO) als auch die Berufung (§ 64 ArbGG, § 511 ZPO) einlegen.

Der Grundsatz der Meistbegünstigung will den Parteien die Anfechtung mit dem richtigen Rechtsmittel ermöglichen. Dann kann das Rechtsmittelgericht das Verfahren in die Bahn lenken, in die es bei richtiger Entscheidung der Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel gelangt wäre. Das Rechtsmittelgericht braucht nicht auf dem vom unteren Gericht eingeschlagenen falschen Weg weiterzugehen. Das Rechtsmittel richtet sich nach dem materiellen Gehalt der angefochtenen Entscheidung (BAG Urteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BAGE 41, 67, 71 = AP Nr. 2 zu § 72 ArbGG 1979, zu II 2 der Gründe; BGH Beschluß vom 24. November 1965 – VIII ZR 168/65 – LM Nr. 23 zu § 91 a ZPO). Das Landesarbeitsgericht hätte daher selbst vorab nach der Vorschrift des § 17 a GVG n.F. über die Zulässigkeit des Rechtsweges entscheiden müssen.

2. Die Bestimmung des § 65 ArbGG n.F. steht der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges durch das Rechtsmittelgericht nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung prüft das Berufungsgericht zwar nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist und ob das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. In § 65 ArbGG n.F. sind aber die §§ 65 und 67 a ArbGG a. F. zusammengezogen und an die neue Systematik der §§ 17 bis 17 b GVG n.F. angepaßt (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/7030, S. 39). Wie der Zweite Senat in seinem mehrfach erwähnten Urteil vom 26. März 1992 bereits zutreffend ausgeführt hat, ist daher § 65 ArbGG n.F. im Zusammenhang mit § 17 a Abs. 5 GVG n.F. zu sehen (AP Nr. 7, a.a.O., zu II 3 b aa der Gründe). Nach § 17 a Abs. 5 GVG n.F. prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

Die Anwendung beider Vorschriften setzt jedoch voraus, daß die Vorinstanz, hier das Arbeitsgericht, das in § 17 a Abs. 2 und 3 GVG n.F. vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 17. Aufl., § 17 a GVG Rz 18). § 17 a Abs. 5 GVG n.F. und § 65 ArbGG n.F. stehen in engem Zusammenhang mit der Regelung des § 17 a Abs. 1 bis Abs. 4 GVG n.F., die für die Rechtswegfrage eine für alle Gerichtszweige und Instanzen bindende, beschwerdefähige Vorabentscheidung vorsieht. Ziel der Vorschrift ist es, die Rechtswegzuständigkeit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Verfahrens in der ersten Instanz abschließend zu klären und das weitere Verfahren nicht mehr mit dem Risiko eines später erkannten Mangels des gewählten Rechtsweges zu belasten (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/7030, S. 36 f.). Nimmt das Gericht des ersten Rechtszuges ausdrücklich oder unausgesprochen die Zulässigkeit des Rechtsweges an, so muß das mit der Hauptsache befaßte Rechtsmittelgericht das hinnehmen. Die Beschränkung der Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts durch § 17 a Abs. 5 GVG n.F. bzw. § 65 ArbGG n.F. rechtfertigt sich, weil die Rechtswegfrage vorab im Beschwerdeverfahren zu prüfen ist (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/7030, S. 38). Die Rechtfertigung fehlt, wenn das Gericht erster Instanz das durch § 17 a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 GVG n.F. vorgesehene Verfahren nicht eingehalten hat mit der Folge, daß es an einer beschwerdefähigen Entscheidung fehlt. In einem solchen Fall greift § 17 a Abs. 5 GVG n.F. bzw. § 65 ArbGG n.F. nicht ein. Anderenfalls würde die vom Gesetz gewollte Möglichkeit, die Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges durch das Gericht erster Instanz von dem Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, aufgrund eines Verfahrensfehlers abgeschnitten (vgl. BAG Urteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7, a.a.O., zu II 3 b aa der Gründe; vgl. auch BGH Beschluß vom 23. September 1992 – I ZB 3/92 – NJW 1993, 470, 471).

3. Der Verfahrens fehler des Arbeitsgerichts war daher vorliegend entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts in der Berufungsinstanz zu beheben. Eine Zurückverweisung entgegen dem Verbot des § 68 ArbGG durch das Landesarbeitsgericht an das Arbeitsgericht war dagegen nicht geboten. Das Landesarbeitsgericht muß selbst über die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges entscheiden und nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung das Verfahren auf den Weg bringen, auf den es bei fehlerfreier Entscheidung des Arbeitsgerichts gelangt wäre. Dem Revisionsgericht ist diese Möglichkeit hingegen verschlossen, da das Berufungsgericht zunächst gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG n.F. selbst darüber zu befinden hat, ob gegen die Vorabentscheidung die weitere Beschwerde an den obersten Gerichtshof des Bundes zuzulassen ist.

V. Der Rechtsstreit war daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, damit dieses über die Zulässigkeit des Rechtsweges entscheiden kann. Für das weitere Verfahren erscheinen besondere Hinweise nicht geboten. Insoweit kann auf das Urteil des Zweiten Senats vom 26. März 1992 verwiesen werden (AP, a.a.O., zu III der Gründe).

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Dr. Kukies, Hecker

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1080753

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