Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft (Geschäftsführer eines Wasserversorgungsverbandes)

 

Leitsatz (amtlich)

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts, durch das der Rechtsstreit – wenn auch nur auf den Hilfsantrag – an das nach Meinung des Landesarbeitsgerichts sachlich zuständige Landgericht verwiesen worden ist, ist unanfechtbar (§ 281 Abs. 2 ZPO), auch wenn das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen hat (Bestätigung von BAG Beschluß vom 11. Juni 1975 – 5 AZR 85/75 – AP Nr. 1 zu § 48 ArbGG 1953.

 

Normenkette

ArbGG §§ 48, 48a, 72; ZPO § 281 Abs. 2, §§ 159-160

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 26.01.1990; Aktenzeichen 12 Sa 1552/89)

ArbG Emden (Urteil vom 13.09.1989; Aktenzeichen 2 Ca 157/89)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 26. Januar 1990 – 12 Sa 1552/89 – wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 15. Juli 1968 beim Beklagten, damals einem sogenannten Wasserbeschaffungsverband – mit Wirkung vom 1. Juli 1968 – als Verbands-Geschäftsführer eingestellt. Nach Umgründung des Beklagten im Jahre 1972 in einen Zweckverband wurde der Kläger zum Geschäftsführer des Zweckverbandes bestellt und war damit Organ des Beklagten (§ 4 der Satzung vom 26. Juni 1981); nach § 12 dieser Satzung wird der Geschäftsführer von der Verbandsversammlung bestellt und vertritt den Verband in Rechts- und Verwaltungsgeschäften sowie im gerichtlichen Verfahren. Unter dem 29. Oktober 1981 schlossen die Parteien einen neuen schriftlichen Dienstvertrag, wobei u. a. die Geltung des BAT vereinbart und der Kläger in VergGr. III BAT eingruppiert wurde; daneben erhielt er eine Aufwandsentschädigung; der Vertrag sollte nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. des § 626 BGB nach vorheriger Anhörung des Klägers kündbar sein.

In den Jahren 1971 bis 1988 wurde an den Kläger ein Betrag in Höhe von 199.606,78 DM als Überstundenvergütung brutto gezahlt. Dieser Umstand wurde in einem Bericht des Leiters des Rechnungs- und Kommunalprüfungsamtes u. a. beanstandet. Aufgrund dessen kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien. Mit Schreiben vom 13. Januar 1989 boten die damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers eine einvernehmliche Aufhebung des Vertragsverhältnisses mit Wirkung zum 31. Dezember 1989 an. Am 19. Januar 1989 fand eine Verbandsversammlung statt, zu der der Kläger nicht eingeladen war; in einer Sitzungspause führte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten ein Telefonat mit dem Kläger, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 19. Januar 1989 berief sich der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten darauf, der Kläger habe bei dem Telefonat vom 19. Januar 1989 das Angebot einer einvernehmlichen Aufhebung des Vertragsverhältnisses zum 30. September 1989 angenommen. Hierüber ist unter den Parteien weitere Korrespondenz geführt worden.

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen eine wirksame Auflösungsvereinbarung geschlossen wurde, welcher Vertrag zwischen ihnen Anwendung findet, ob die Beklagte den Kläger vertragsgemäß zu beschäftigen hat und ob die an den Kläger gezahlte Überstundenvergütung rechtmäßig ist. Umstritten war insbesondere, ob für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist.

Der Kläger hat geltend gemacht, die von dem Beklagten behauptete einvernehmliche Aufhebung des Vertragsverhältnisses der Parteien sei nicht zustande gekommen, jedenfalls aber unwirksam. Demgemäß bestehe sein Arbeitsverhältnis fort und er sei auch zu beschäftigen; im übrigen seien die vom Beklagten gerügten Überstundenabrechnungen ordnungsgemäß. Für den Rechtsstreit seien die Arbeitsgerichte zuständig, zumal mit dem Vertrag vom 15. Juli 1968 ein Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt begründet worden sei, als er noch nicht zum Organ des beklagten Verbandes bestellt gewesen sei. Mit Beschluß der Verbandsversammlung vom 19. Januar 1989 sei er unter Freistellung von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch als Verbandsgeschäftsführer abberufen worden, so daß er zumindest seit diesem Zeitpunkt nicht mehr unter die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG falle.

Der Kläger hat beantragt,

  • festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis unverändert über den 30. September 1989 hinaus fortbesteht, es insbesondere nicht durch eine Auflösungsvereinbarung beendet wurde und für das Arbeitsverhältnis der Vertrag vom 15. Juli 1968 mit der Maßgabe Anwendung findet, daß der Beklagte dem Kläger Vergütung nach Vergütungsgruppe II BAT schuldet;
  • den Beklagten zu verurteilen, ihn vertragsgemäß entsprechend dem Antrag zu Ziffer 1. zu beschäftigen und für den Fall der Zuwiderhandlung dem Beklagten die Festsetzung eines Zwangsgeldes anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der aber nicht unter 1.000,-- DM für jeden Tag der Nichtbeschäftigung liegen sollte;
  • festzustellen, daß die dem Kläger in den Jahren 1971 bis 1988 gezahlte Übestundenvergütung rechtmäßig war.
  • Der Kläger hat in der Berufungsinstanz weiter beantragt,
  • hilfsweise den Rechtsstreit an das Landgericht in Aurich zu verweisen.

Der Beklagte hat mit dem Klageabweisungsantrag die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gerügt. Der Organvertreter einer juristischen Person sei kein Arbeitnehmer und das dieser Organstellung zugrundeliegende Anstellungsverhältnis sei kein Arbeitsverhältnis; das Anstellungsverhältnis könne nicht von der Organstellung getrennt werden. Im übrigen hat sich der Beklagte auf eine wirksame Auflösungsvereinbarung berufen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 13. September 1989 die Klage als unzulässig abgewiesen, da es an der sachlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fehle; der Kläger sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer anzusehen. Ob der Fall eines ruhenden Arbeitsverhältnisses vorliege, könne dahinstehen, da der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welche in diesem Fall die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bejahe, nicht gefolgt werden könne. Das Landesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 26. Januar 1990 das Urteil des Arbeitsgerichts Emden aufgehoben und auf den Hilfsantrag des Klägers den Rechtsstreit an das Landgericht Aurich verwiesen. Es hat sich im wesentlichen der Auffassung des Arbeitsgerichts angeschlossen; das angerufene Arbeitsgericht sei aber auch dann unzuständig, wenn man der Rechtsprechung des BAG bei Annahme einer Doppelstellung als Arbeitnehmer und Organvertreter folge, denn über die Stellung des Klägers als Organ und damit auch seiner Abberufung sei ein Beschluß der Verbandsversammlung bisher nicht herbeigeführt worden. Nach dem Protokoll über die Verbandsversammlung vom 19. Januar 1989 sei zwar ein Angebot des Klägers auf Beendigung des Vertragsverhältnisses einstimmig angenommen, jedoch kein ausdrücklicher Beschluß über die Abberufung des Klägers als Verbandsgeschäftsführer gefaßt worden.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält der Kläger an seinem Klageantrag zu 1. unter gleichzeitiger (wiederholter) Stellung seines Hilfsantrages auf Verweisung des Rechtsstreits fest, während der Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist trotz Zulassung durch das Landesarbeitsgericht unstatthaft und war daher gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG, § 554a Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die Bindungswirkung nach § 72 Abs. 3 ArbGG ist nicht eingetreten, weil die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach der vom Landesarbeitsgericht ausgesprochenen Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Aurich nicht vorliegen, § 281 Abs. 2 ZPO.

1. Das LAG hat die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte – ebenso wie die erste Instanz – verneint und deshalb auf den in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag den Rechtsstreit nach § 48 Abs. 1 ArbGG i. Verb. m. § 281 ZPO an das Landgericht Aurich verwiesen. Diese Entscheidung ist – worauf der Beklagte in der Revisionserwiderung zu Recht hinweisen läßt – nach § 281 Abs. 2 ZPO unanfechtbar. Sie bewirkt nach § 281 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO, daß der Rechtsstreit mit der Verkündung des Berufungsurteils bei dem Landgericht Aurich anhängig geworden ist.

Anders als bei der Verweisung von einem Gericht für Arbeitssachen an ein Gericht der Sozial-, Finanz- oder der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 48a ArbGG hat der Gesetzgeber den Streit über den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen im Verhältnis zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit – auch aus historischen Gründen – als einen Streit über die sachliche Zuständigkeit innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit behandelt, wie der Vergleich der Vorschrift des § 48 ArbGG mit der des § 48a ArbGG zeigt. Deshalb wird bei einer Verweisung von einem Gericht der Arbeitsgerichtsbarkeit an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Gegensatz zu der Sonderregelung in § 48a ArbGG nicht vorausgesetzt, daß die Zuständigkeit der verweisenden Gerichtsbarkeit zuvor rechtskräftig verneint worden ist; vielmehr ist bei der Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit diese Entscheidung endgültig. Denn im Verhältnis zwischen Arbeitsgerichtsbarkeit und Zivilgerichtsbarkeit sollen – ebenso wie bei Verweisungen innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit – durch ein vereinfachtes Verfahren unfruchtbare und zeitraubende Streitereien über die Zuständigkeitsfrage eingeschränkt werden (so BAG Beschluß vom 11. Juni 1975 – 5 AZR 85/75 – AP Nr. 1 zu § 48 ArbGG 1953 mit zust. Anm. von Leipold; RAG Beschluß vom 25. September 1939 – RAG 198/39 – RAGE 22, 1 ff.; BGHZ 2, 278 ff.; BGH Urteil vom 15. Mai 1953 – V ZR 111/52 – LM Nr. 6 zu § 3 LVO; RGZ 108, 263, 264). Schon das Reichsarbeitsgericht hat in der angegebenen Entscheidung ausgeführt, ein Berufungsurteil sei trotz Zulassung überhaupt nicht einer Revision zugänglich, wenn es eine Verweisung des Rechtsstreits an das nach seiner Ansicht zuständige Landgericht ausgesprochen habe; nach § 276 Abs. 2 ZPO – diese Vorschrift ist nunmehr durch die gleichlautende Vorschrift des § 281 Abs. 2 ZPO abgelöst worden – gelte der Rechtsstreit mit der Verkündung der im Urteil enthaltenen Verweisung als bei dem in der Entscheidung bezeichneten Gericht anhängig, so daß eine Anfechtung der Verweisungsentscheidung nach dem Gesetz schlechthin ausgeschlossen sei; diese sei auch für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden sei, ohne weiteres bindend. Diese Auffassung entspreche allein den Grundgedanken des § 276 Abs. 2 ZPO (jetzt § 281 Abs. 2 ZPO), der zeitraubende Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage möglichst vermeiden wolle; dieser Gedanke fordere in einer Zeit, die allgemein auf möglichst schleunige Streiterledigung bedacht sei, wie heute der Sondervorschrift des § 9 ArbGG zusätzlich zu entnehmen ist, besondere Beachtung und müsse erst recht im Arbeitsgerichtsverfahren gelten.

2. An dieser Rechtsprechung (ebenso übrigens BAG Urteil vom 9. Juli 1959 – 1 AZR 419/57 – AP Nr. 11 zu § 276 ZPO, mit insoweit zust. Anm. von Pohle; a. A. LAG Hamm Urteil vom 20. Dezember 1974 – 3 Sa 753/74 – BB 1975, 331, aufgehoben durch Urteil des BAG vom 11. Juni 1975 – 5 AZR 85/75 – AP, aaO) ist festzuhalten, zumal sie in der Literatur weitgehend Zustimmung erfahren hat (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 39 Anm. II e, S. 207 f.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 281 Rz 38; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 276 Anm. C I).

a) Entgegen der Meinung des Klägers ist die Grundlage für die bisherige Rechtsprechung nicht deswegen entfallen, weil die frühere Streitwertrevision aufgrund der Arbeitsgerichtsnovelle vom 23. Mai 1979 durch die Zulassungsrevision abgelöst worden ist. Eher ist diesem Umstand die gegenteilige Schlußfolgerung zu entnehmen, daß es Sinn dieser Novellierung des Revisionsrechts war, die Möglichkeit der Revision einzugrenzen. Tatsächlich hat aber die Gesetzesänderung mit der in § 72 Abs. 3 ArbGG verankerten Bindungswirkung keinen neuen, anders zu beurteilenden Rechtszustand geschaffen. Denn die Zulassungsrevision gab es schon aufgrund des ArbGG vom 3. September 1953 (BGBl. I, S. 1267, 1278). Der Rechtszustand vor der Novelle vom 23. Mai 1979 war dadurch gekennzeichnet, daß die Revision im arbeitsgerichtlichen Verfahren als Zulassungs-, Divergenz- oder Streitwertrevision statthaft war (vgl. Grunsky, ArbGG, 2. Aufl., § 72 Rz 8). Demgegenüber ist lediglich die Streitwertrevision aus den bereits genannten Gründen entfallen. Hinsichtlich der Zulassungsrevision hat der Gesetzgeber – was die Zulassung durch das Landesarbeitsgericht angeht – aus der ursprünglichen Kann-Vorschrift (§ 69 Abs. 3 Satz 1 ArbGG a. F.) lediglich eine Mußvorschrift (§ 72 Abs. 2 ArbGG n. F.) gemacht (vgl. Grunsky, ArbGG, 3. Aufl., § 72 Rz 8, 10), ohne daß damit etwas für die Frage zu gewinnen ist, ob eine gesetzwidrige, d. h. eine gegen allgemeine Vorschriften verstoßende Zulassung (vgl. dazu unten II 2d) verbindlich ist. Die Bindungswirkung der neuen Vorschrift des § 72 Abs. 3 ArbGG kann sich insofern nur darauf beziehen, ob das Landesarbeitsgericht die Bedeutung des Begriffs der grundsätzlichen Bedeutung verkannt hat (vgl. Grunsky, ArbGG, 3. Aufl., § 72 Rz 13). Die Grundsätze der Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung vom 11. Juni 1975 (– 5 AZR 85/75 – AP Nr. 1 zu § 48 ArbGG 1953) verdienen daher nach wie vor Geltung.

b) Wenn in einem Teil der Literatur unter eingeschränkter Zustimmung zu dieser Rechtsprechung (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 48 Rz 16; Grunsky, ArbGG, 5. Aufl., § 48 Rz 8; Schaub, Formularsammlung, 4. Aufl., S. 465) die Auffassung – teilweise unter Hinweis auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm – vertreten wird, bei Verweisung auf den Hilfsantrag könne wegen des Hauptantrages Rechtsmittel eingelegt werden und die Sache sei erst mit endgültiger Abweisung des Hauptantrages beim Empfängergericht anhängig, so wird dabei übersehen, daß das Landesarbeitsgericht Hamm in der erwähnten Entscheidung – auch hier war in der Berufungsinstanz der Hilfsantrag auf Verweisung an das ordentliche Gericht gestellt – hinsichtlich seines irreführenden Leitsatzes durch die anders lautende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Juni 1975 (– 5 AZR 85/75 – AP Nr. 1 zu § 48 ArbGG 1953) in der hier in Rede stehenden Frage korrigiert worden ist. Nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung muß vielmehr der Kläger, der den Zuständigkeitsstreit dem Bundesarbeitsgericht bzw. BGH zur Überprüfung vorlegen will, sich den Verweisungsantrag bis zur Revisionsinstanz vorbehalten. Wird der Verweisungsantrag jedoch in der Berufungsinstanz – wenn auch nur hilfsweise – gestellt, so führt das endgültig zu der gemäß § 281 Abs. 2 ZPO bindenden Verweisung.

c) Soweit der Kläger nunmehr geltend macht, er habe den Hilfsantrag nur unter der Bedingung der Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gestellt, diese Bedingung sei aber nicht eingetreten, so daß auch der Verweisungsausspruch des Landesarbeitsgerichts fehlerhaft sei, stehen dem die für den Senat bindende Wirkung des zweitinstanzlich festgestellten Tatbestandes (§ 561 ZPO) ebenso entgegen wie die Feststellung im Sitzunsprotokoll des Berufungsgerichts (§ 160 Abs. 3 Nr. 2, §§ 162, 165 ZPO). Einen entsprechenden Berichtigungsantrag (§§ 320, 321, 164 ZPO) hat der Kläger nicht gestellt. Wenn er nunmehr vortragen läßt, der in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag sei im Hinblick auf seine vorhergehenden Ausführungen im Schriftsatz vom 26. Januar 1990 in diesem Sinne auszulegen, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 ZPO waren die Anträge – wie auch geschehen – zu Protokoll festzustellen. Der Protokollinhalt erbringt insoweit Beweis für die Einhaltung der Förmlichkeiten, u. a. auch daß die Anträge so und nicht anders gestellt worden sind (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 165 Anm. 1 B). Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 26. Januar 1990 und des zweitinstanzlichen Tatbestandes ist von einem unter einer Bedingung gestellten Hilfsantrag nicht die Rede. Gerade wenn der Kläger in dem Schriftsatz vom 26. Januar 1990 ausführte, er gehe von einer Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht aus und brauche alsdann keinen Hilfsantrag zu stellen, sondern dies könne noch in der Revisionsinstanz geschehen, dann aber nach Erörterungen mit dem Gericht, das eine verbindliche Zusage auf Revisionszulassung nach eigener Darstellung nicht geben wollte, den Hilfsantrag in der festgestellten Form stellte, so spricht alles dafür, daß er einer endgültigen Abweisung der Klage aus prozessualen Gründen vorbeugen wollte und deshalb (hilfsweise) eine Verweisung an das sachlich zuständige Landgericht erstrebte. Möglicherweise sind dabei sowohl der Prozeßbevollmächtigte des Klägers wie auch das Gericht davon ausgegangen, daß trotz Ausspruchs der Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht bei Zulassung der Revision eine Überprüfung der Zuständigkeitsfrage durch das Rechtsmittelgericht in Betracht komme.

Eine solche irrtümliche Vorstellung – sollte sie überhaupt bei allen Beteiligten vorgelegen haben (der Beklagte hat dies ausdrücklich bestritten) – könnte aber eine gesetzlich nicht vorgesehene Revisionsmöglichkeit nicht eröffnen. Der Gedanke des Vertrauensschutzes (vgl. Leipold in Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 48 ArbGG 1953) kann schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil das Vertrauen auf eine gesetzwidrige Handhabung (entgegen § 281 Abs. 2 ZPO) zumindest deswegen nicht schützenswert ist, weil der Beklagte seinerseits auf die Beachtung des Gesetzes vertraute und nicht entgegen der gesetzlichen Intention zur beschleunigten und prozeßwirtschaftlichen Abwicklung (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 281 Anm. 1 A) auch noch eine Revisionsinstanz hinnehmen muß. Können aber beide Parteien einen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, so muß es bei der gesetzeskonformen Handhabung verbleiben.

d) Dem steht auch nicht entgegen, daß das Landesarbeitsgericht die Revision ausdrücklich zugelassen hat. Denn diese Zulassung führt – wie oben bereits angedeutet – nur dazu, daß die besonderen Voraussetzungen des ArbGG für die Revision im arbeitsgerichtlichen Verfahren erfüllt sind, ob z. B. dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukommt oder ob Divergenz vorliegt. Die allgemeinen Vorschriften der ZPO über die Anfechtbarkeit und die Anfechtung von Urteilen, insbesondere die Frage der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels gegen ein Urteil bestimmten Inhalts, bleiben jedoch unberührt. Ist aus solchen allgemeinen Gründen die Revision gegen ein Urteil bestimmten Inhalts – wie hier das Urteil, durch das der Rechtsstreit an das Landgericht Aurich verwiesen wurde – als Rechtsmittel nicht gegeben, so macht die Zulassung gemäß § 72 ArbGG diese unstatthafte Revision nicht zulässig (ebenso BAG Urteil vom 9. Juli 1959 – 1 AZR 419/57 – AP, aaO; RAG 22, 1, 2; Wieczorek, aaO, § 276 Anm. C I).

e) Die Unanfechtbarkeit der verweisenden Entscheidung nach § 48 ArbGG, § 281 ZPO gilt nach ganz herrschender Meinung auch unabhängig davon, ob die Verweisung im ersten Rechtszug durch Beschluß ausgesprochen wird oder ob in der Rechtsmittelinstanz ein Urteil ergeht, das außer der Verweisung auch über das Urteil der Vorinstanz befindet (so BAG Beschluß vom 11. Juni 1975 – 5 AZR 85/75 – AP, aaO, m. w. N.). Das entspricht auch der heute zu § 281 ZPO vertretenen Auffassung (vgl. Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 281 Rz 38, m. w. N.).

f) Die Revision war daher gemäß § 554a ZPO als unzulässig zu verwerfen, ohne daß noch auf ihre materielle Begründetheit einzugehen ist (BGHZ 2, 278, 280; Rosenberg/Schwab, aaO, § 39 II e, S. 207 f.).

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Schulze, Dr. Kirchner

 

Fundstellen

Haufe-Index 839165

NJW 1991, 1630

JR 1991, 396

RdA 1991, 128

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