Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes

 

Leitsatz (redaktionell)

Trocken- und Montagebauarbeiten, Trennwandsystem Monorema

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 30.08.1994; Aktenzeichen 3 Sa 22/93)

ArbG Berlin (Urteil vom 23.11.1992; Aktenzeichen 15 Ca 204/92)

 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 30. August 1994 – 3 Sa 22/93 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte im Klagezeitraum einen Baubetrieb im Sinne der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und daher zur Auskunftserteilung an die Klägerin verpflichtet ist.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (im folgenden: ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt den Beklagten nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge auf Auskunftserteilung für den Zeitraum von Januar 1988 bis Dezember 1991 sowie für den Fall der Nichterteilung der Auskunft auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch.

Der Beklagte ist Inhaber eines Betriebes, der im Anspruchszeitraum arbeitszeitlich überwiegend den Einbau bzw. die Montage des Trennwandsystems „Monorema” durchführte. Der Beklagte wird dabei als Subunternehmer der Vertriebsgesellschaft, der H. GmbH, tätig. Im Anspruchs Zeitraum beschäftigte er zwei bis drei gewerbliche Arbeitnehmer. Die Fertigwände werden in der Weise aufgestellt, daß sie durch Verspannung am Boden und an der Decke befestigt werden. Werden in die Fertigwände Schrankelemente integriert, wird die Wand an der Decke und am Boden verschraubt bzw. verklebt. Soweit Wände aufgestellt werden, die nicht bis zur Decke reichen, z.B. als Sichtschutz, genügt ein Sockel. Unterkonstruktionen bzw. Putzträger werden zum Einbau oder zum Aufstellen der Trennwände nicht benötigt. Der Beklagte ist Mitglied der Bauberufsgenossenschaft Hannover. Bei der Handwerkskammer ist er mit einem Gewerbe des Maler- und Lackiererhandwerks eingetragen. Er firmiert als Meisterbetrieb für Malerarbeiten, Trockenbauarbeiten, Montagen von Trennwandsystemen und Montagen von abgehängten Akustikdecken.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Betrieb des Beklagten falle unter den betrieblichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe Berlin vom 28. Dezember 1979 in der jeweils gültigen Fassung (im folgenden: VTV Berlin). Sie meint, der Beklagte verrichte in seinem Betrieb überwiegend Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 36 VTV Berlin. Danach sind Baubetriebe solche, in denen „Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen) einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern”, verrichtet werden. Dazu gehört nach Auffassung der ZVK der Einbau von Decken- und Wandverkleidungen sowie von Trennwänden, wie er im Betrieb des Beklagten arbeitszeitlich überwiegend durchgeführt wird. Das Aufstellen dieser Fertigwandelemente diene dazu, den Raum, die Halle oder das Gebäude dem bestimmungsgemäßen Zweck zuzuführen, weil der ungegliederte Raum sonst ungeeignet für die dort auszuführenden Arbeiten der Kunden des Beklagten wäre.

Die ZVK hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

  1. ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

    1.1. wie viele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar 1988 bis Dezember 1991 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkasse der Bauwirtschaft in den (dem) genannten Monat(en) angefallen sind (ist).

  2. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an sie folgende Entschädigung zu zahlen:

    zu Nr. 1.1. von

    DM 81.600,–

    zu Nr. 1.2. von

    DM 0,–

    Gesamtbetrag

    DM 81.600,–

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Ansicht, er sei nicht Inhaber eines Betriebes des Trocken- oder Montagebaus; seine Arbeiten seien dem Innen- und Messebau zuzuordnen. Das Trennwandsystem „Monorema” beruhe auf fertigen Elementen, die ohne großen Aufwand umgestellt und verändert werden könnten. Soweit Fenster, Türen und Schrankelemente eingebaut würden, geschehe dies ohne feste Verbindung mit dem Baukörper, indem sie nur in das Wandsystem eingesteckt würden. Das Trennwandsystem werde vorwiegend für Meister- und Betriebsbüros verwandt, die in Fabrikhallen errichtet würden. Die Montage ohne feste Verbindung mit dem Bauwerk könne nicht als bauliche Leistung angesehen werden; Trocken- oder Montagebauarbeiten lägen nur vor, wenn bei der Aufstellung eine feste Verbindung der Trennwand mit dem Baukörper hergestellt werde. Die Verspannung der Trennwände zwischen dem Boden und der Decke oder deren Befestigung durch Verschraubung bzw. Verklebung sei keine solche feste Verbindung. Das Fertigwandsystem „Monorema” diene auch nicht der Fertigstellung eines Bauwerks, da bereits bestehende Gebäude so verändert würden, daß sie – bei Beibehaltung der bisherigen Nutzung – in ihrer Nutzbarkeit lediglich verbessert würden. Das Fertigwandsystem „Monorema” ersetze auch nicht eine herkömmliche Bauweise, sondern stelle eine eigenständige neue Form der Inneneinrichtung dar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat – nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob die Fertigwände des vom Beklagten verwandten Programms „Monorema” Leichtbauwände im Sinne des Berufsbilds des Trockenbaumonteurs sind und deren Montage damit unter den Begriff des Trockenbaus fällt – die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die ZVK bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Betrieb des Beklagten unterfällt dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe Berlin vom 28. Dezember 1979 (VTV Berlin). Zutreffend haben die Vorinstanzen den Beklagten daher zur Erteilung der von der ZVK begehrten Auskünfte verurteilt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, auf das Verhältnis der Parteien finde der VTV Berlin kraft seiner Allgemeinverbindlicherklärung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 2 TVG), weil der Betrieb des Beklagten in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV Berlin falle. Der Betrieb des Beklagten erfülle das Merkmal der Ziffer 36 „Trocken- und Montagebauarbeiten” des § 1 Abs. 2 Abschnitt V. Die im Betrieb des Beklagten arbeitszeitlich ganz überwiegend ausgeführten Tätigkeiten seien Trockenbauarbeiten im tariflichen Sinn, da hierunter auch die Montage von Wand- und Deckenverkleidungen sowie von Trennwänden falle. Das Fertigwandsystem „Monorema” bestehe aus Leichtbauwänden im Sinne des Berufsbildes des Trockenbaumonteurs. Der Einbau der Trennwände stelle auch ohne feste Verbindung mit dem Bauwerk eine Trockenbauarbeit im Tarifsinne dar. Das Erfordernis einer festen Verbindung der Trennwände mit dem Baukörper lasse sich der tariflichen Regelung nicht entnehmen. Zum Montieren der vorgefertigten Bauteile im Sinne des Berufsbildes des Trockenbaumonteurs gehöre lediglich das sachgerechte Verankern und Verbinden dieser Bauteile mit den tragenden Bauteilen. Dies geschehe im Betrieb des Beklagten durch das Verspannen bzw. Verschrauben der Trennwände mit der Decke und dem Boden des Bauwerks.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II.1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen, wonach ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird, wenn von den Arbeitnehmern arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführt sind; dies gilt auch für den VTV Berlin. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an. Wird arbeitszeitlich überwiegend eine der in den Beispielen des Abschnitts V des § 1 Abs. 2 VTV genannten Tätigkeiten ausgeführt, fällt der Betrieb unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne daß noch die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen (ständige Rechtsprechung; z.B. BAG Urteile vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; vom 24. Januar 1990 – 4 AZR 493/89BAGE 64, 81 = AP Nr. 125 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; vom 13. März 1991 – 4 AZR 436/90 – AP Nr. 139 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

2. Mit der zwischen den Parteien unstreitigen arbeitszeitlich überwiegenden Tätigkeit (90 bis 95 %) des Montierens des Fertigwandsystems „Monorema” erfüllt der Betrieb des Beklagten das Tätigkeitsbeispiel der Ziffer 36 in § 1 Abs. 2 Abschnitt V des VTV Berlin; es liegen Trockenbauarbeiten im Tarifsinne vor. Der Trockenbaumonteur montiert industriell hergestellte Fertigteile, die er nicht mehr wesentlich verändert (BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/89 – AP Nr. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau); hierzu gehört insbesondere auch die Montage plattenförmiger Bauteile aus verschiedenen Materialien zur Errichtung von Leichtbauwänden. Zu den Aufgaben des Trockenbaumonteurs zählt danach auch der Einbau besonderer Konstruktionen als Schutz gegen Wärme, Schall, Sicht und Feuer. Dementsprechend hat der Senat entschieden (Urteil vom 22. September 1993 – 10 AZR 207/92 – AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz), daß die Montage von Wand- und Deckenverkleidungen sowie Trennwänden dem Merkmal der Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen) in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV entspricht. Er ist dabei davon ausgegangen, daß dann, wenn die Tarifvertragsparteien ein allgemein gefaßtes Tätigkeitsmerkmal wie Trocken- und Montagebauarbeiten durch ein Tätigkeitsbeispiel, z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. – Verkleidungen, erläutern, sie damit zum Ausdruck bringen, daß die aufgeführten Beispielstätigkeiten das vorangestellte Tätigkeitsmerkmal erfüllen. Die im Betrieb des Beklagten durchgeführten Tätigkeiten entsprechen demnach den tariflichen Merkmalen der Ziffer 36 des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV Berlin. Darauf, ob eine feste Verbindung der eingebauten Fertigbauteile mit dem Bauwerk hergestellt wird, kommt es nicht an. Der Senat hat daher auch den Einbau von Wand- und Deckenprofilen (sog. Baffel) in Gebäuden mittels dünner Stahlseile an Befestigungselementen als bauliche Leistungen angesehen (Urteil vom 4. Mai 1994 – 10 AZR 475/93 – n.v.).

3. Die für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung begehrte Entschädigung kann die ZVK nach § 61 Abs. 2 ArbGG verlangen.

III. Die Kosten seiner erfolglosen Revision hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagte zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Hauck, Böck, Hromadka, Schlaefke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1089166

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