Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 18.02.1993; Aktenzeichen 14 Sa 223/92)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 07.11.1991; Aktenzeichen 5 Ca 3770/90)

 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Februar 1993 – 14 Sa 223/92 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte im Klagezeitraum einen Baubetrieb im Sinne der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und daher zur Beitragszahlung und Auskunftserteilung verpflichtet ist.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Regelung die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen im Baugewerbe. Sie nimmt den Beklagten nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge für den Zeitraum von Januar 1987 bis einschließlich Dezember 1990 auf Zahlung der Sozialkassenbeiträge und für den Zeitraum von Januar 1991 bis einschließlich Juni 1991 auf Auskunftserteilung über die Zahl der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten, deren Bruttolohn- bzw. Bruttogehaltssumme und die entsprechende Höhe der Sozialkassenbeiträge bzw. der Vorruhestands- und Zusatzversorgungskassenbeiträge, sowie für den Fall der Nichterteilung der begehrten Auskünfte auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch.

Der Beklagte unterhält einen Betrieb, der sich zu 80 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit mit Akustikbau beschäftigt; dabei werden zu Lärmschutzzwecken vorgefertigt bezogene Wand- und Dek,c- kenprofile (sog. Baffel) in Gebäuden mit Hilfe dünner Stahlseile an Befestigungselementen aufgehängt; die Befestigungselemente werden vorher mit den Wänden oder Decken verbunden. In der restlichen betrieblichen Gesamtarbeitszeit werden Wand- und Deckenverkleidungen angebracht.

Nach dem jeweils für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) in den den Klagezeitraum betreffenden Fassungen vom 12. November 1986, 6. Januar und 22. Dezember 1989, 30. Oktober und 18. Dezember 1990 sowie vom 11. Februar 1991 sind alle baugewerblichen Arbeitgeber zur Beitragszahlung (§ 24) und Auskunftserteilung (§ 27) verpflichtet. Zum betrieblichen Geltungsbereich enthält § 1 VTV – soweit hier von Bedeutung – folgende Regelungen:

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Geltungsbereich

(1) Räumlicher Geltungsbereich:

(2) Betrieblicher Geltungsbereich:

Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt I

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der berieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

8. Dämm-(Isolier-)Arbeiten (z.B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen;

12. Fertigbauarbeiten: Einbau oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; …

36. Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;

Abschnitt VI

Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. …

…”

Die ZVK ist der Ansicht, bei der zu 3/4 der betrieblichen Arbeitszeit ausgeführten betrieblichen Tätigkeit des Beklagten handele es sich um Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV.

Hinsichtlich der Berechnung der Beitragsforderungen ist die ZVK von den Beitragsmeldungen des Beklagten sowie von einer Fortschreibung der für das Vorjahr mitgeteilten Bruttolohnsummen unter Berücksichtigung einer Tariflohnerhöhung und für die Angestellten von den statistischen Daten zum durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt eines Angestellten der Baubranche ausgegangen.

Die ZVK hat beantragt,

I. an die ZVK

  1. 51.087,10 DM,
  2. weitere 22.746,12 DM,
  3. weitere 10.992,12 DM

zu zahlen.

II. der ZVK auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

1. wieviele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten

Januar, Februar, März, April, Mai, Juni 1991

in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind;

2. wieviele Angestellte insgesamt – mit Ausnahme der geringfügig beschäftigten Angestellten (§ 8 SGB IV) und mit Ausnahme der leitenden Angestellten (§ 5 Abs. 3 BetrVG) – in den Monaten

Januar, Februar, März, April, Mai, Juni 1991

in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssummen und in welcher Höhe Vorruhestands- sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind;

III. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die ZVK folgende Entschädigung zu zahlen:

zu Nr. II.1.:

14.400,– DM

zu Nr. II.2.:

1.022,94 DM.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, die betriebliche Tätigkeit sei zwar Montagenicht aber Montagebauarbeit. Es gehe darum, die Lärmgefährdung der in dem Gebäude beschäftigten Personen soweit als möglich zu verringern; dazu installiere er schallschluckende Fertigelemente zur Minderung des Lärmpegels. Die Konstruktionen würden nicht im Zusammenhang mit der Errichtung oder Nutzung der Gebäude eingebracht und seien auch nicht wesentliche Bestandteile der Gebäude.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe der Beitragsansprüche von 51.087,10 DM für den Zeitraum Januar 1987 bis einschließlich Januar 1990 und wegen der Auskunftsansprüche stattgegeben, sie im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und der Klage auf die Anschlußberufung der ZVK auch wegen der weitergehenden Beitragsforderungen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Betrieb des Beklagten unterfällt dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten daher zur Beitragszahlung und Erteilung der begehrten Auskünfte verurteilt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betrieb des Beklagten werde vom VTV erfaßt, weil er sich im Klagezeitraum überwiegend mit Dämmarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 8 VTV beschäftigt habe. Die Montagetätigkeit des Beklagten diene dazu, den in Werkshallen von Maschinen ausgehenden Lärmpegel zu senken; sie sei daher als Schallschluckarbeit anzusehen. Durch die Aufhängung der Elemente werde die Halle bzw. das Gebäude schallschluckend ausgestattet. Dabei seien die Elemente mit der Hallendecke durch Dübel und Seile baulich verbunden. Die Anbringung der Elemente sei auch eine bauliche Leistung im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV, da sie der Erstellung des Bauwerks diene; dazu gehöre auch das Anbringen der Elemente, da das Bauwerk erst dann baulich vollendet sei, wenn es bestimmungsgemäß genutzt werden könne. Durch die Anbringung der Schallschluckelemente werde die Werkshalle so verändert, daß der Nutzer des Gebäudes die Maschinen unter Einhaltung der Regeln des Arbeitsschutzes und unter Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften betreiben könne.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

II.1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß der Beklagte nach §§ 24, 27 VTV zur Beitragszahlung und Auskunftserteilung verpflichtet ist, wenn sein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird. Das ist dann der Fall, wenn im Betrieb des Beklagten im Klagezeitraum Tätigkeiten ausgeführt werden, die von § 1 Abs. 2 VTV erfaßt werden. Dabei fällt der Betrieb als Ganzes (§ 1 Abs. 2 Abschnitt VI VTV) unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, wenn im Klagezeitraum mit der überwiegenden Arbeitszeit der Arbeitnehmer Arbeiten ausgeführt werden, die gemäß § 1 Abs. 2 VTV als baugewerblich anzusehen sind. Handelt es sich dabei um Arbeiten, die im Beispielskatalog des § 1 Abs. 2 Abschnitt V genannt sind, bedarf es nicht der zusätzlichen Feststellung, ob auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abchnitte I bis III erfüllt sind (ständige Rechtsprechung z.B. BAG Urteil vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Urteil vom 24. Januar 1990 – 4 AZR 493/89BAGE 64, 81 = AP Nr. 125 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Urteil vom 13. März 1991 – 4 AZR 436/90 – AP Nr. 139 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Da der Beklagte in seinem Betrieb zu 80 % der betrieblichen Arbeitszeit zu Lärmschutzzwecken Wand- und Deckenprofile (sog. Baffel) in Gebäuden mittels dünner Stahlseile an Befestigungselementen aufhängt und in der restlichen Arbeitszeit Wand- und Dek,c- kenverkleidungen anbringt, liegen bauliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 VTV vor. Der Betrieb des Beklagten unterfällt damit dem Geltungsbereich des VTV in den für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassungen. Der jeweils für allgemeinverbindlich erklärte VTV gilt daher mit unmittelbarer und zwingender Wirkung (§ 5 Abs. 4 in Verb. mit § 4 Abs. 2 TVG).

a) Soweit die betriebliche Tätigkeit des Beklagten in der Anbringung von Wand- und Deckenverkleidungen besteht, liegen Trok,c- ken- und Montagebauarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV vor; in den Beispielen dieser Tarifvorschrift sind solche Arbeiten ausdrücklich genannt.

b) Das zu 80 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit anfallende Anbringen der sog. Baffel fällt – wie das Landesarbeitsgericht mit Recht erkannt hat – unter Nr. 8 des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV. Diese Tarifvorschrift erfaßt ausdrücklich als Beispielstätigkeiten Schallschutz- und Schallschluckarbeiten. Damit haben die Tarifvertragsparteien den sog. Akustikbau, wie er vom Beklagten betrieben wird, in den VTV einbezogen. Auch nach Auffassung des Beklagten dient die Montage der sog. Baffel dazu, den Raumschall abzuschwächen, also schallschluckend zu wirken.

c) Darauf, ob die betriebliche Tätigkeit des Beklagten auch der Erstellung von Bauwerken im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV dient, kommt es somit nicht mehr an, da der Betrieb des Beklagten bereits von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 8 und 36 VTV erfaßt wird.

2. Die von der ZVK vorgenommene und vom Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Berechnung der Beiträge begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit die Beitragsforderung anhand der von dem Beklagten mitgeteilten Daten unter Berücksichtigung von Tariflohnerhöhungen und unter Heranziehung statistischer Angaben über die Monatsverdienste von Angestellten der Baubranche errechnet worden sind, ist dem der Beklagte nicht entgegengetreten; sie kann dem Urteilsspruch daher zugrunde gelegt werden.

3. Die für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung begehrte Entschädigung kann die ZVK nach § 61 Abs. 2 ArbGG verlangen.

Die Revision des Beklagten bleibt somit ohne Erfolg, da ihn das Landesarbeitsgericht mit Recht zur Beitragszahlung und Auskunftserteilung in dem von der ZVK begehrten Umfang verurteilt hat.

III. Die Kosten seiner erfolglosen Revision hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagte zu tragen.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Harnack, Schlaefke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916122

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