Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen Nichtübernahme als Hochschuldozent

 

Leitsatz (amtlich)

Der öffentliche Arbeitgeber darf die im Zuge der Hochschulerneuerung (Art. 38 Abs. 1 Einigungsvertrag in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz) ausgeschriebene Stelle eines Hochschullehrers unabhängig davon, ob es sich um eine neu geschaffene Stelle handelt, mit einem externen Bewerber besetzen. Er kann aber allein aus einer solchen Besetzung nicht die fehlende Verwendungsmöglichkeit (Abs. 4 Ziff. 2, 3 EV) für einen Bewerber aus der Hochschule (Beschäftigungsstelle) herleiten, der dem Anforderungsprofil der Stelle genügt (im Anschluß an das Senatsurteil vom 29. August 1996 – 8 AZR 505/95 – AP Nr. 63 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX).

 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4; Hochschulrahmengesetz §§ 75, 75a; KSchG § 1; BGB §§ 242, 315; GG Art. 5 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 18.07.1995; Aktenzeichen 10 Sa 655/94)

ArbG Dresden (Urteil vom 21.04.1994; Aktenzeichen 1 Ca 6935/93)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Juli 1995 – 10 Sa 655/94 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV) stützt.

Der im Jahre 1944 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. 1982 wurde er als Hochschuldozent für Analysis und 1987 zum außerordentlichen Professor an der Technischen Universität (TU) Dresden berufen. Sein Aufgabengebiet war Theorie und Anwendung positiver Operatoren in halbgeordneten Räumen. An der Universität bestand außerdem u.a. eine ordentliche Professur für Analysis. Deren Inhaber Prof. Dr. T… befaßte sich mit Theorie und Anwendung linearer Operatoralgebren.

Der Stellenplan der TU Dresden wies im Jahre 1993 für die Abteilung Mathematik wie im Vorjahr 81 Planstellen aus. Dem standen am 1. Januar 1993 103 Beschäftigte und am 31. Juli 1993 noch 102 Beschäftigte gegenüber. Um die Anzahl der Beschäftigten auf die Anzahl der Stellen zurückzuführen, schrieb der Beklagte sämtliche Stellen mit der Möglichkeit von Mehrfachbewerbungen neu aus. Dadurch sollten allen Mitarbeitern gleiche Chancen auf eine Weiterbeschäftigung eingeräumt werden. Der Kläger bewarb sich im Jahre 1992 u.a. auf zwei C 4 Professuren für Analysis und auf die Stelle mit der Kennzahl 010/W 12 “Hochschuldozentur für Funktionalanalysis C 2”. In der Ausschreibung zu dieser Stelle hieß es:

“Der Bewerber/die Bewerberin sollte ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Analysis sein.

Wünschenswert ist ein Forschungsprofil, das die Theorie und Anwendungen linearer Operatoralgebren bzw. nichtlinearer und positiver Operatoren, speziell Fixpunkt- und Eigenwerttheorie für Differential- und Integraloperatoren u.a. in halbgeordneten Räumen umfaßt.

Vom Bewerber/der Bewerberin wird eine hohe Selbständigkeit bei der eigenverantwortlichen Durchführung von Lehrveranstaltungen in den Fächern Analysis und Funktionalanalysis für Mathematiker im Grund- und Hauptstudium sowie im Grundlagenfach Mathematik für Physiker, Lehramtskandidaten sowie andere nichtzugeordnete Studiengänge erwartet.

Voraussetzung ist die Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen. Von den Bewerbern werden langjährige Lehrerfahrungen erwartet.”

Die Berufungskommission beschloß hierzu mit Zustimmung des Fakultätsrates folgende Besetzungsliste mit drei Bewerbern in der engeren Wahl:

  • Herr Prof. Dr. W. T…, TU Dresden,
  • Herr Dr. P. J…., Berlin,
  • Herr Dr. R. W…., Göttingen.

Der Sächsische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst wies diesen Berufungsvorschlag mit Schreiben vom 15. Juli 1993 als “nicht nachvollziehbar” zurück. Zur Begründung führte er aus, der Erstplazierte Prof. Dr. T… sei bisher ordentlicher Professor an der TU Dresden gewesen; zwei der vorliegenden Gutachten bescheinigten ihm letztendlich die uneingeschränkte Eignung zur Berufung auf eine C 4 Professur. Da die Berufungskommission im August 1993 an ihrer Besetzungsliste festhielt, wurde ein Ruf bisher nicht erteilt und eine Entscheidung über die Stellenbesetzung nicht getroffen. Die Arbeitsaufgaben übt einstweilen Prof. Dr. T… aus.

Die beiden genannten C 4 Stellen wurden mit Prof. Dr. R. P…, Universität Milwaukee, und mit Prof. Dr. J. V…, Universität Oldenburg, besetzt. Der Kläger kam mit der Begründung “zu wenig ausgewiesen” bzw. “nicht genügend für das ausgeschriebene Arbeitsgebiet ausgewiesen” jeweils nicht in die engere Wahl. Hinsichtlich der Stelle 010/W 12 kam er nicht in die engere Wahl, da er nach den Feststellungen der Berufungskommission weniger ausgewiesen sei als die Spitzenkandidaten.

Mit Schreiben vom 6. September 1993 unterrichtete der Rektor der TU Dresden den Personalrat der Universität über seine Absicht, das Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger gem. Abs. 4 Ziff. 2 EV zu kündigen. Der Personalrat erklärte am 8. September 1993, er erhebe keine Einwendungen. Daraufhin kündigte der Rektor das Arbeitsverhältnis “namens und in Vollmacht des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst” mit Schreiben vom 9. September 1993, dem Kläger zugegangen am 21. September 1993, ordentlich zum 30. November 1993.

Mit der am 1. Oktober 1993 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Die Stelle 010/W 12 sei mit der von ihm besetzten Stelle identisch. Sie dürfe nicht durch einen anderen Bewerber besetzt werden, da ihm, dem Kläger, die fachliche und persönliche Eignung bestätigt worden sei. Es sei nicht richtig, daß seine bisherigen Aufgaben sowie die von Prof. Dr. T… in einer neuen Stelle 010/W 12 zusammengefaßt worden seien. Vielmehr sei die bisherige Stelle von Prof. Dr. T… ausgeschrieben und nicht nachvollziehbar anderweitig – mit Prof. Dr. P… – besetzt worden.

Der Kläger hat weiter geltend gemacht, der Personalrat sei fehlerhaft beteiligt worden. Der Beklagte habe weder die maßgeblichen Auswahlgesichtspunkte noch den beabsichtigten Kündigungstermin mitgeteilt. Zuständig sei nicht der Personalrat der Universität gewesen, sondern der Hauptpersonalrat. Die Kündigungsfrist habe nach § 53 BAT-O fünf Monate zum Vierteljahresende betragen.

Der Kläger hat beantragt

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 9. September 1993 aufgelöst worden sei,
  • den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits als Hochschuldozenten am Institut für Analysis des Fachbereiches Mathematik der TU Dresden weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die bisherige Stelle des Klägers sei zum 1. Januar 1993 weggefallen. Dessen Aufgaben sowie die von Prof. Dr. T… seien in der Stelle 010/W 12 zusammengefaßt worden. Selbst wenn Prof. Dr. T… diese Stelle nicht erhalte, sei sie nicht dem Kläger, sondern einem der nächstplazierten Bewerber zuzuweisen. Der Kläger sei nicht in dem Maße wie diese wissenschaftlich ausgewiesen gewesen; mangels eines vorderen Listenplatzes sei er für die Stelle nicht in Frage gekommen. Da keine seiner Bewerbungen Erfolg gehabt habe, sei die Möglichkeit der bisherigen ebenso wie die einer anderweitigen Verwendung entfallen. Der Rektor habe die Kündigung kraft eigenen Rechts erklärt. Deshalb sei auch der richtige Personalrat beteiligt worden. Diesem hätten alle Unterlagen der Auswahlkommission einschließlich Personalbogen vorgelegen, die kündigungserheblichen Tatsachen seien ihm in vollem Umfang bekannt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, eine fehlende Verwendbarkeit des Klägers im Sinne von Abs. 4 Ziff. 2, 3 EV habe nicht vorgelegen:

Es könne dahingestellt bleiben, ob die Ausschreibung von Stellen auch gegenüber den bisherigen Inhabern fortbestehender Stellen zulässig sei. Jedenfalls müsse der Arbeitgeber bei mehreren Bewerbern hinsichtlich jeder Stelle eine ordnungsgemäße und nachprüfbare Auswahlentscheidung treffen. Mit der Auswahlentscheidung erfolge einerseits die Zuweisung der Stelle, andererseits die Feststellung des Fehlens einer Verwendungsmöglichkeit für die erfolglos gebliebenen Bewerber in bezug auf die umworbene Stelle. Die Entscheidung des Arbeitgebers könne erst mit der Zuweisung der Stelle an einen Bewerber getroffen sein. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Ausspruch einer Kündigung möglich. Demgegenüber sei das Bewerbungsverfahren für die Stelle 010/W 12 zum Zeitpunkt der Kündigung nicht abgeschlossen gewesen. Das Fehlen einer Verwendungsmöglichkeit für den Kläger aufgrund einer zu seinen Ungunsten ausfallenden Auswahlentscheidung habe daher noch nicht festgestanden.

Nichts anderes ergebe sich aus dem Hinweis des Beklagten, statt Prof. Dr. T… wäre nicht der Kläger, sondern einer der beiden nächstplazierten Bewerber berufen worden. Diese seien aus Berlin und aus Göttingen und bislang nicht an der TU Dresden beschäftigt. Das Sonderkündigungsrecht des Einigungsvertrages ermögliche nicht, vorhandene Stellen mit externen Bewerbern zu besetzen, wenn geeignete Arbeitnehmer der Beschäftigungsstelle zur Verfügung stünden. In diesem Falle sei die sich durch Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle ergebende anderweitige Verwendungsmöglichkeit vorrangig dem bisherigen Personal zugänglich zu machen. Der Kläger sei auch für die Stelle 010/W 12 geeignet. Der Beklagte habe nicht näher begründet, weshalb der Kläger keinen vorderen Listenplatz erreicht habe. Er habe dessen fehlende Eignung nicht dargelegt, vielmehr die erforderlichen Voraussetzungen für eine Tätigkeit an einer sächsischen Hochschule ausdrücklich bestätigt. Für die Eignung des Klägers spreche auch, daß er – nach dem Sachvortrag des Beklagten – die entsprechenden Aufgaben bisher teilweise, und zwar ohne Beanstandungen, ausgeübt habe.

II. Diesen Ausführungen kann sich der Senat im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung anschließen.

1. Der Kläger ist aufgrund seiner durchgehenden Beschäftigung als Hochschuldozent und außerordentlicher Professor an der TU Dresden Angehöriger des öffentlichen Dienstes im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EV. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend unterstellt hat, findet auf das Arbeitsverhältnis Abs. 4 EV Anwendung. Dieses Sonderkündigungsrecht bleibt von der Überleitungsregelung des Hochschulrahmengesetzes und von darauf beruhendem Landesrecht unberührt (vgl. § 75a Satz 2 Halbs. 2 HRG). Zwar sollte es nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Wirksamwerden des Beitritts außer Kraft treten (Abs. 4 Satz 6 EV). Jedoch ist es durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I S. 1546) wirksam bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden (Senatsurteil vom 27. Juni 1996 – 8 AZR 1024/94 – AP Nr. 61 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe).

2. Gemäß Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV ist eine ordentliche Kündigung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist.

a) Diese Regelung verdrängt den allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG, soweit ihr Regelungsgehalt reicht (vgl. BAGE 71, 221 = AP Nr. 3 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX). Bei Vorliegen der angeführten gesetzlichen Tatbestände ist eine darüber hinausgehende Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung gem. § 1 KSchG entbehrlich. Anwendbar bleiben sonstige Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes wie auch die Regelungen des Personalvertretungsrechts, die die Wirksamkeit einer Kündigung von der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung abhängig machen (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag, m.w.N.).

b) Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV stellt auf die weitere “Verwendbarkeit” des Arbeitnehmers ab. Bei einem wegen Personalüberhang mangelnden Bedarf ist zur Beantwortung der Frage, welcher von mehreren an sich geeigneten Arbeitnehmern nicht mehr verwendbar ist, eine Auswahlentscheidung zu treffen (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B III 1 der Gründe). Entsprechendes gilt bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle, solange ein Arbeitsplatz für eine mögliche Verwendung der an sich geeigneten Arbeitnehmer zur Verfügung steht.

c) Der Arbeitgeber ist im Falle einer Bedarfskündigung nach dem Einigungsvertrag nicht an die Grundsätze der sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG gebunden. Die Auswahlentscheidung darf jedoch nicht willkürlich erfolgen, sondern ist gem. § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen und muß, um nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen, ohne Vorrang der dienstlichen Interessen soziale Belange angemessen berücksichtigen (Senatsurteil vom 19. Januar 1995, aaO, zu B III 2 der Gründe; dem folgend BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 1026/94 – AP Nr. 35 zu Art. 20 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

3.a) Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn im Zuge der Erneuerung des Hochschulwesens keine Stellen fortgeführt, sondern alle nach dem Haushalt vorgesehenen Stellen aus dem Kreis der bisherigen Beschäftigten neu besetzt werden (BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – aaO; dem folgend Senatsurteil vom 13. Juni 1996 – 8 AZR 392/94 – n.v.). Waren die nach der Organisationsentscheidung des Landes vorgesehenen Stellen besetzt und verlief das im Zuge der Besetzung der vorhandenen Stellen erforderliche Auswahlverfahren rechtmäßig, so bestand für die weitere Verwendung der nicht zum Zuge gekommenen Arbeitnehmer kein Bedarf mehr. Seiner Verantwortung für eine willkürfreie, mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbare Auswahlentscheidung im Besetzungsverfahren kann sich das Land nicht etwa dadurch entziehen, daß es Besetzungsvorschläge der zuständigen Kommissionen ungeprüft übernimmt. Die jeweilige Auswahlentscheidung ist gleichwohl daraufhin gerichtlich überprüfbar, ob objektiv die Grenzen der §§ 315 Abs. 1, 242 BGB gewahrt wurden (Senatsurteil vom 29. August 1996 – 8 AZR 505/95 – AP Nr. 63 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II der Gründe).

b) § 75a in Verbindung mit § 75 Abs. 3 Satz 2 HRG, wonach das Hochschulpersonal, das nicht in ein Amt der neuen Personalstruktur übernommen wird, in seinem bisherigen Dienstverhältnis verbleibt, schafft keinen arbeitsrechtlichen Bestandsschutz zugunsten des vorhandenen Personals. Durch die §§ 75, 75a HRG und die darauf beruhenden Gesetze der Länder ist eine Änderung der nach dem Einigungsvertrag bestehenden kündigungsrechtlichen Situation nicht eingetreten. Die Überleitungsvorschriften stellen insofern lediglich klar, daß bei den weiterbeschäftigten Professoren eine dienstrechtliche Alternative besteht: zum einen Übernahme in die Personalstruktur nach dem Hochschulrahmengesetz und damit verbunden die Einstufung in die Besoldungsgruppe C, zum anderen Verbleiben im bisherigen Dienstverhältnis eines Angestellten. Ob dagegen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden muß oder wegen fehlender Verwendungsmöglichkeit gekündigt werden kann, richtet sich allein nach den kündigungsrechtlichen Bestimmungen, die durch die Überleitungsregelungen nicht eingeschränkt worden sind (Senatsurteil vom 29. August 1996, aaO).

c) Der Landesgesetzgeber und die Hochschulen im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsautonomie sind vor dem Hintergrund der erforderlichen und verfassungsrechtlich gerechtfertigten Erneuerung der Hochschulen (Art. 5 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 EV) frei, Fächer und Fachbereiche neu zu strukturieren und zu organisieren und in diesem Zusammenhang auch festzulegen, welche fachlichen Anforderungen an die Besetzung der neu strukturierten Stellen zu knüpfen sind. Welches konkrete Anforderungsprofil eine zu besetzende Stelle kennzeichnet und welche Anforderungen hierfür entsprechend an einen Bewerber hinsichtlich fachlicher Qualifikation und Eignung zu stellen sind, ist arbeitsgerichtlich allenfalls im Rahmen einer Mißbrauchskontrolle überprüfbar (Senatsurteil vom 29. August 1996, aaO, zu B III 3 der Gründe).

4.a) Eine fehlende Verwendungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ist nicht stets erst dann anzunehmen, wenn die Stelle eines Hochschullehrers, für die er sich beworben hat, anderweitig besetzt ist. Für die Annahme einer fehlenden Verwendungsmöglichkeit genügt vielmehr, daß mit hinreichender Sicherheit feststeht, der Arbeitnehmer werde mit seiner Bewerbung nicht zum Zuge kommen können. Dies kann etwa auf seiner bereits feststehenden nicht ausreichenden Eignung im Hinblick auf das Anforderungsprofil der Stelle beruhen oder darauf, daß für die Stelle besser qualifizierte Bewerber zur Verfügung stehen, die den Vorrang verdienen (vgl. Senatsurteil vom 29. August 1996, aaO, zu B V der Gründe). Im letzteren Falle muß freilich mit hinreichender Sicherheit feststehen, die betreffende Stelle werde auch mit einem solchen Bewerber besetzt werden; das kann z.B. bei Mehrfachbewerbungen fraglich sein.

b) Der öffentliche Arbeitgeber darf ausgeschriebene Stellen auch mit externen Bewerbern besetzen. Er kann aber gerade hieraus allein eine fehlende Verwendungsmöglichkeit für einen Bewerber aus der Hochschule (Beschäftigungsstelle), der dem Anforderungsprofil der Stelle genügt, nicht herleiten. Werden bei einer Verringerung der Zahl der Arbeitsplätze und/oder Änderung der Anforderungen auf Arbeitsstellen Kündigungen notwendig, so erlaubt Abs. 4 Ziff. 2, 3 EV eine Auswahl der zu Kündigenden ohne den strengen Maßstab des § 1 Abs. 3 KSchG. Er ermöglicht dem Arbeitgeber jedoch nicht, über den mangelnden Bedarf hinaus oder ohne Rücksicht auf die Strukturänderung zusätzliche Kündigungen auszusprechen, die allein auf Neueinstellungen beruhen. Das liefe auf eine unzulässige Austauschkündigung hinaus, die einzig dem Zweck diente, vorhandene geeignete Arbeitnehmer durch etwa noch besser Geeignete zu ersetzen. Die Grundsätze der Wissenschaftsfreiheit und der Hochschulautonomie fordern einen derart weitgehenden Eingriff in bestehende Arbeitsverhältnisse nicht. Überdies würde hierdurch Art. 37 Abs. 1 EV unzulässig ausgehöhlt, wonach in der DDR erworbene oder staatlich anerkannte Abschlüsse oder Befähigungsnachweise im Beitrittsgebiet weiter gelten. Ist dagegen für eine Stelle kein Bewerber aus der Beschäftigungsstelle vorhanden, der dem Anforderungsprofil genügt, so vergrößert die Einstellung eines externen Bewerbers den Bedarfsmangel nicht, führt also nicht zu einer zusätzlichen Kündigung.

c) Die aufgezeigten Maßstäbe für die Stellenbesetzung bestehen unabhängig davon, ob die ausgeschriebene Stelle mit einer bisherigen Stelle identisch ist oder ob es sich um eine “neue” Stelle mit einem bisher nicht vorhandenen Anforderungsprofil handelt. Allerdings wird die grundsätzliche Eignung anzunehmen sein, wenn sich der Inhaber einer Stelle wieder auf diese bewirbt. Bei der neu strukturierten Stelle eines Wissenschaftlers hat die für die Besetzung zuständige Person oder Kommission einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil entspricht (Senatsurteil vom 29. August 1996, aaO, zu B III 3 der Gründe).

5. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Kündigung des Beklagten vom 9. September 1993 als rechtsunwirksam. Eine fehlende Verwendbarkeit des Klägers ist nicht feststellbar.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, das Bewerbungsverfahren für die allein umstrittene Stelle 010/W 12 sei zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht abgeschlossen gewesen. Ein Ruf war unstreitig nicht erfolgt, Prof. Dr. T… verwaltete die Stelle kommissarisch.

b) Allein hieraus war, wie der Revision einzuräumen ist, eine Verwendungsmöglichkeit für den Kläger nicht zwingend abzuleiten. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Kläger noch eine “reelle Chance” im Bewerbungsverfahren hatte oder ob schon mit hinreichender Sicherheit feststand, er werde für eine Berufung nicht in Frage kommen.

c) Der Kläger kam für die Besetzung der Stelle 010/W 12 auch zum Kündigungszeitpunkt noch in Frage.

aa) Der Kläger war für diese Stelle nach ihrem Anforderungsprofil geeignet. Das hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen. Die Revision bringt hiergegen nichts Erhebliches vor; sie räumt sogar ausdrücklich ein, der Kläger könne die Stelle letztlich zur Zufriedenheit des Beklagten ausfüllen. Die grundsätzliche Eignung besteht unabhängig von der Streitfrage, ob es sich um die bisherige Stelle des Klägers oder um eine neu strukturierte Stelle handelt. Der Beklagte hat die angeblich fehlende Berufungsfähigkeit des Klägers allein damit begründet, der Kläger sei nicht unter die drei Erstplazierten der Berufungsliste gekommen, er sei “weniger” ausgewiesen als diese. Damit hat er nicht nur dessen abstrakte Qualifikation, sich zukünftig an dem Wettbewerb um Professorenstellen zu beteiligen, bestätigt. Vielmehr hat er, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, die grundsätzliche Eignung des Klägers für die Stelle 010/W 12 nicht bestritten. Auf die bessere Eignung anderer Bewerber kommt es hierfür nicht an.

bb) Zum Kündigungszeitpunkt stand nicht mit hinreichender Sicherheit fest, daß die Stelle mit einem besser qualifizierten Bewerber besetzt werden würde und die Bewerbung des Klägers deswegen nicht berücksichtigt werden könne.

Auf die bessere Qualifikation der externen Bewerber Dr. J… und Dr. W… kann sich der Beklagte nicht berufen. Die Kündigung eines an sich geeigneten Bewerbers im Hinblick auf die bessere Qualifikation eines anderen Bewerbers kommt, wie dargelegt, nur in Betracht, wenn beide Bewerber bereits an der Hochschule tätig sind und deswegen eine Auswahl unter ihnen zur Besetzung der Stelle erforderlich wird. Die Auswahl unter Einbeziehung externer Bewerber ist keine Auswahl im Rahmen einer Bedarfskündigung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 2, 3 EV.

Zwar war auch Prof. Dr. T… besser qualifiziert als der Kläger. Gleichwohl war seine Berufung auf die Stelle 010/W 12 ungewiß, da der zuständige Minister die Berufung nicht befürwortete. Dabei ist unerheblich, ob sich Prof. Dr. T… für eine C 4-Stelle beworben hatte. Jedenfalls erschien nach der Stellungnahme des Ministers eine anderweitige Verwendung von Prof. Dr. T… durchaus möglich.

III. Ist die Kündigung demnach mangels eines rechtfertigenden Grundes rechtsunwirksam, so hat sie das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst. Auf die vom Kläger geltend gemachten weiteren Unwirksamkeitsgründe kommt es nicht an. Ebenso kann die maßgebliche Kündigungsfrist dahingestellt bleiben.

IV. Da der Kündigungsrechtsstreit durch das vorliegende Urteil rechtskräftig abgeschlossen wird, ist über den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung nicht mehr zu entscheiden.

V. Der Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Hickler, Scholz

 

Fundstellen

Haufe-Index 884921

NZA 1998, 201

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