Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach dem Einigungsvertrag. mangelnder Bedarf

 

Leitsatz (amtlich)

  • Erfordert eine Kündigung nach dem Einigungsvertrag wegen mangelnden Bedarfs eine Auswahlentscheidung, so muß diese nach billigem Ermessen unter ausreichender Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte erfolgen (im Anschluß an BAG Urteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 814/93 – EzA Art. 20 Einigungsvertrag Nr. 43).
  • Zur ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung vor Ausspruch der Kündigung gehört die Mitteilung der Auswahlüberlegungen, die der Arbeitgeber angestellt hat.
  • Überläßt der Arbeitgeber die Auswahl einer Personalkommission, so sind dem Personalrat die von dieser Kommission angestellten Auswahlüberlegungen mitzuteilen, soweit sie dem Personalrat nicht bereits bekannt sind.
  • Welche Auswahlüberlegungen angestellt und welche dem Personalrat mitgeteilt wurden bzw. bekannt waren, hat der Arbeitgeber im Prozeß darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen.
 

Normenkette

Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4; SächsHEG § 126 ff.; SächsHStrG § 11; BGB §§ 242, 315 Abs. 1; BPersVG/PersVG-DDR § 79 Abs. 1, 4, § 72 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 20.09.1994; Aktenzeichen 12 (10) Sa 248/93)

ArbG Chemnitz (Urteil vom 18.05.1993; Aktenzeichen 9 Ca 9394/92)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 20. September 1994 – 12 (10) Sa 248/93 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Arbeitgeberkündigungen, die der Beklagte auf mangelnden Bedarf im Sinne des Einigungsvertrags Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 (künftig Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV) gestützt hat.

Die am 17. Januar 1950 geborene Klägerin ist seit 1. August 1972 als Diplom-Fachlehrerin für Russisch und Deutsch im Hochschuldienst an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt, inzwischen Technische Universität Chemnitz-Zwickau, beschäftigt. Mit Änderungsvertrag vom 1. Juli 1992 wurde sie nach VergGr. IIa der Anlage 1a zum BAT-O eingruppiert.

Mit Schreiben vom 28. September 1992, der Klägerin zugegangen am selben Tag, hat der Beklagte durch den Rektor der Technischen Universität das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1992 gekündigt. Eine weitere Kündigung erfolgte mit Schreiben vom 30. März zum 30. Juni 1993. Die Kündigungen hat die Klägerin mit ihrer am 16. Oktober 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage bzw. mit ihrer am 13. April 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung angegriffen.

Über eine vorsorglich mit Schreiben vom 1. November 1993 zum 31. März 1994 erklärte nochmalige Kündigung ist ein weiterer Rechtsstreit beim Arbeitsgericht anhängig.

Bei der Technischen Universität Chemnitz-Zwickau waren ursprünglich 3.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Im Rahmen der Hochschulerneuerung sollte eine Reduzierung auf ca. 1.600 Plansteller vorgenommen werden. Zur Reduzierung wurden die verbleibenden Stellen für die Mitarbeiter ausgeschrieben. Zur Besetzung wurden entsprechend dem Hochschulerneuerungsgesetz und dem Hochschulstrukturgesetz Auswahlkommissionen gebildet. An den Sitzungen der Auswahlkommissionen haben jeweils zwei Mitglieder des Personalrats teilgenommen.

Die Klägerin hat sich auf die Stellen WMPHIL 71.1 (Lektor, Deutsch als Fremdsprache), WMPHIL 71.7 (Lektor Fremdsprache Russisch unbefristet), WMPHIL 71.5 (wissenschaftlicher Assistent allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft) und WMPHIL 8.8 (wissenschaftlicher Mitarbeiter deutsche Literatur der Neuzeit) beworben. Die Bewerbungen der Klägerin blieben erfolglos. In allen vier Fällen hat die Auswahlkommission die fachliche Eignung der Klägerin verneint, und zwar bei den Stellen 71.1 und 71.7 mit der Begründung der fehlenden Promotion, bei der Stelle 71.5 mit der Begründung, die Klägerin habe nie in Literatur gearbeitet, und bei der Stelle 8.8 ohne Begründung. Streitig ist, ob bei den Stellen WMPHIL 71.1 und 71.5 die Promotion eine in den Ausschreibungen geforderte Voraussetzung war.

Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragen, ein Kündigungsgrund des mangelnden Bedarfs liege nicht vor. Der Beklagte habe nicht dargetan, daß gerade ihr Arbeitsplatz entfallen sei. Allgemeine Stellenreduzierungen würden nicht ausreichen. Auch habe der Beklagte die Kündigung mangels Bedarfs mit der Kündigung wegen mangelnder fachlicher Qualifikation vermengt. Der Beklagte habe auch nicht näher dargelegt, warum sie fachlich nicht geeignet gewesen sei. Im übrigen sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Die Klägerin hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 28. September 1992 aufgelöst worden ist, …

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, alle Stellen an der Technischen Universität Chemnitz-Zwickau seien mit ehemaligen Mitarbeitern besetzt worden. Da wegen des Stellenabbaus, auch im Bereich Russisch und Deutsch, keine weiteren Stellen vorhanden gewesen seien, habe für eine Weiterbeschäftigung der Klägerin kein Bedarf bestanden.

Der Personalrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Er habe dem Verfahren zugestimmt, daß über die Besetzung der Stellen entsprechend dem Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetz durch Auswahlkommissionen befunden werde und diejenigen, die nach Durchführung des Auswahlverfahrens keine Stelle erhalten konnten, die Kündigung erhalten würden. Bei dem Massenverfahren sei in Absprache mit dem Personalrat dem Informations- und Entscheidungsbedürfnis des Personalrats dadurch Rechnung getragen worden, daß zwei Mitglieder des Personalrats in der Auswahlkommission selbständig Protokoll geführt hätten. Dem Personalrat sei bekannt gewesen, daß hinsichtlich aller Stellen, für die die Klägerin sich beworben habe, diese als fachlich nicht geeignet angesehen worden sei. Dem Personalratsvorsitzenden sei nach Durchführung des Auswahlverfahrens fünf Tage vor Ausspruch der Kündigung mitgeteilt worden, daß der Klägerin gekündigt werden müsse. Einen Tag vor Ausspruch der Kündigung habe der Personalrat mitgeteilt, daß er sich abschließend mit der Kündigungsproblematik befaßt habe und keine Einwände erhebe.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil nach dem oben genannten Klageantrag erkannt; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

A. Berufung und Revision sind zulässig. Zwar hat das Arbeitsgericht entgegen § 61 Abs. 1 ArbGG keinen Streitwert festgesetzt und der Beklagte hat entgegen § 64 Abs. 5 ArbGG den Wert des Beschwerdegegenstandes nicht glaubhaft gemacht; für § 64 Abs. 5 ArbGG gilt jedoch dasselbe wie für § 511a Abs. 1 ZPO (vgl. Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 64 Rz 6). Ist der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht näher dargelegt und glaubhaft gemacht, so ist er zu schätzen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Aufl., § 511a Rz 26, m.w.N.). Ausgehend von §§ 12 Abs. 7 ArbGG, 3 ZPO und der Vergütung der Klägerin gemäß VergGr. IIa der Anlage 1a zum BAT-O ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht die Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes für statthaft angesehen hat.

B. In der Sache ist die Revision des Beklagten unbegründet. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert bereits an §§ 79 Abs. 1 und 4, 72 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Stellenbesetzungsverfahren sei im Ansatz nicht zu beanstanden, der Beklagte habe sich aber seiner Verantwortung für eine rechtmäßige Auswahl unter den Stellenbewerbern nicht durch ungeprüfte Übernahme der Besetzungsvorschläge der Auswahlkommission entziehen können. Die Auswahlentscheidung habe im Einklang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen müssen und auch soziale Belange nicht völlig außer acht lassen dürfen. Insoweit sei der Beklagte im Prozeß bezogen auf die Stellen, für die sich die Klägerin beworben habe, zunächst zur konkreten Darlegung der angelegten Auswahlkriterien verpflichtet gewesen. Für die Stelle WMPHIL 8.8 fehle es aber an der ausreichenden Darlegung des Beklagten, weshalb die Klägerin wegen fachlicher Nichteignung nicht habe berücksichtigt werden können. Auch daß er den Personalrat insoweit ordnungsgemäß informiert bzw. daß der Personalrat insoweit über seine bei der Beratung und Beschlußfassung der Auswahlkommission anwesenden Mitglieder ausreichende Informationen erhalten habe, habe der für die ordnungsgemäße Personalratsbeteiligung darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht näher dargelegt. Demnach sei von der Rechtsunwirksamkeit der streitigen Kündigung auszugehen.

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält den Angriffen der Revision stand.

1. Die Klägerin ist aufgrund ihrer durchgehenden Beschäftigung als Hochschullehrerin in Chemnitz Angehörige des öffentlichen Dienstes im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EV. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend dargelegt hat, findet auf das Arbeitsverhältnis Abs. 4 EV Anwendung; diese Regelung verdrängt den allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG, soweit ihr Regelungsgehalt reicht (vgl. BAG Urteil vom 24. September 1992 – 8 AZR 557/91 – BAGE 71, 221 = AP Nr. 3 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX). Gemäß Abs. 4 EV ist eine ordentliche Kündigung auch zulässig, wenn

  • der Arbeitnehmer wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht

    oder

  • der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist

    oder

  • die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaus der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist.

Bei Vorliegen dieser Tatbestände ist eine darüber hinausgehende Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung gemäß § 1 KSchG entbehrlich. Der Arbeitgeber ist im Fall einer Bedarfskündigung nach den genannten Bestimmungen des Einigungsvertrages also auch nicht an die Grundsätze der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG gebunden; die gegebenenfalls zu treffende Auswahlentscheidung darf jedoch nicht willkürlich erfolgen, sondern ist gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen und muß, um nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen, ohne Vorrang der dienstlichen Interessen soziale Belange angemessen berücksichtigen (vgl. BAG Urteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – EzA Art. 20 Einigungsvertrag Nr. 43, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Anwendbar bleiben ferner sonstige Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes wie auch die Regelungen des Personalvertretungsrechts, die die Wirksamkeit einer Kündigung von einer ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung abhängig machen (vgl. BAG Urteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag, m.w.N.).

Gemäß §§ 79 Abs. 1, 72 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG ist eine beabsichtigte Kündigung vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend von dem Dienststellenleiter mit dem Personalrat zu erörtern. Zum Umfang der Unterrichtungspflicht im einzelnen gilt gleiches wie bei der Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG (vgl. BAGE 51, 246 = AP Nr. 23 zu Art. 33 Abs. 2 GG; KR-Etzel, 3. Aufl., §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz 14, m.w.N.; vgl. auch BAG Urteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag, m.w.N.). Der Personalrat ist deshalb substantiiert über alle Gesichtspunkte (Tatsachen und subjektive Vorstellungen) zu unterrichten, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen (vgl. BAG Urteile vom 18. Mai 1994 – 2 AZR 920/93 – und vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – AP Nr. 64 und 68 zu § 102 BetrVG 1972, beide auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; KR-Etzel, aaO, § 102 BetrVG Rz 62, m.w.N.). Die die Kündigung begründenden Umstände sind dem Personalrat so genau und umfassend darzulegen, daß er ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden (vgl. BAG Urteil vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – aaO; KR-Etzel, aaO, m.w.N.). Bei einer betriebsbedingten Kündigung genügt es nicht, daß der Arbeitgeber lediglich eine pauschale Begründung angibt. Bei sogenannten innerbetrieblichen Gründen (z. B. Produktionsumstellung, Rationalisierungsmaßnahmen, Umgestaltung der Arbeitsplätze) muß der Arbeitgeber diese Gründe und die deshalb beabsichtigten organisatorischen Maßnahmen mit ihren Auswirkungen auf die Arbeitsplätze näher erläutern (KR-Etzel, aaO, Rz 62b). Ist eine Auswahlentscheidung zu treffen, sind auch die Auswahlkriterien unaufgefordert mitzuteilen (vgl. BAGE 45, 277 = AP Nr. 31 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel, aaO, Rz 62d und e, m.w.N.). Für die Ordnungsmäßigkeit der Personalratsbeteiligung kann sich der Arbeitgeber allerdings auf die Mitteilung der Auswahlüberlegungen beschränken, die er subjektiv angestellt hat (vgl. im einzelnen BAGE 45, 277 = AP, aaO). Für die ordnungsgemäße Durchführung der Personalratsbeteiligung trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAGE 43, 129 = AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAGE 59, 32 = AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung; KR-Etzel, aaO, Rz 192, m.w.N.). War die Unterrichtung des Personalrats nicht ausreichend, so macht dies die Kündigung unwirksam, gleichgültig, ob der Personalrat ihr zugestimmt hat oder nicht (vgl. BAG Urteil vom 5. Februar 1981 – 2 AZR 1135/78 – AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW; BAGE 51, 246 = AP Nr. 23 zu Art. 33 Abs. 2 GG; KR-Etzel, aaO, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz 47, m.w.N.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die streitige Kündigung, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, als unwirksam.

a) Es ist zunächst nicht zu beanstanden, daß im Zuge der Erneuerung des Hochschulwesens gemäß §§ 126 ff. SächsHEG, § 11 SächsHStrG keine Stellen fortgeführt, sondern alle nach dem Haushalt vorgesehenen Stellen aus dem Kreis der bisherigen Beschäftigten neu besetzt wurden. Verlief das im Zuge der Besetzung der vorhandenen Stellen erforderliche Auswahlverfahren rechtmäßig, so bestand für die weitere Verwendung der nicht zum Zuge gekommenen Arbeitnehmer in der Tat kein Bedarf mehr, d.h. der Beklagte konnte diesen Arbeitnehmern gemäß Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV wirksam kündigen.

Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, daß sich der Beklagte seiner Verantwortung für eine willkürfreie, mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbare Auswahlentscheidung im Besetzungsverfahren nicht dadurch entziehen konnte, daß er Besetzungsvorschläge der Auswahlkommissionen ungeprüft übernahm. Wurden die Besetzungsvorschläge der Kommissionen ungeprüft übernommen, so ist die jeweilige Auswahlentscheidung gleichwohl daraufhin gerichtlich überprüfbar, ob objektiv die Grenzen der §§ 315 Abs. 1, 242 BGB gewahrt wurden. Überprüfbar bleibt ferner, ob die angestellten Auswahlüberlegungen dem Personalrat vor dem Ausspruch der dann folgenden Bedarfskündigungen ausreichend mitgeteilt worden waren.

b) Hätte der für die Auswahl der weiterzubeschäftigenden Arbeitnehmer letztlich verantwortliche Beklagte nach der Beschlußfassung der Auswahlkommissionen noch eigene Auswahlüberlegungen angestellt, so wäre von einer fehlerhaften Personalratsbeteiligung bereits deshalb auszugehen, weil der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht ausreichend dargetan hätte, daß er seine Überlegungen dem Personalrat im Beteiligungsverfahren mitgeteilt hat. Selbst wenn aber zugunsten des Beklagten unterstellt wird, dem Personalrat sei mitgeteilt oder bekannt gewesen, daß sich der Beklagte ausschließlich die Überlegungen der Auswahlkommission zu eigen gemacht hat, läßt sich eine ordnungsgemäße Personalratsbeteiligung nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten nicht feststellen.

Entgegen der Ansicht der Revision geben weder die Besonderheiten des Einigungsvertrags noch die besonderen Umstände des Einzelfalles Anlaß dazu, von dem “ausgefeilten Formalismus” der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Betriebsrats- bzw. Personalratsbeteiligung vor Kündigungen Abstand zu nehmen. Den oben dargelegten Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an die Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Personalrat im Beteiligungsverfahren zu genügen, war vielmehr dem Beklagten auch unter Berücksichtigung der “besonderen Umstände” ohne weiteres möglich. Der Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen darauf geschlossen werden könnte, ihm sei die Erfüllung dieser Informationspflichten unmöglich oder unzumutbar gewesen. Nach Beschlußfassung der Auswahlkommissionen angestellte abweichende Überlegungen konnte er dem Personalrat ebenso problemlos mitteilen wie ggf. die Tatsache einer uneingeschränkten Übernahme der Überlegungen der Auswahlkommissionen.

Letzteres wäre im Grundsatz personalvertretungsrechtlich unbedenklich. Der Arbeitgeber braucht nämlich dem Personalrat solche für die Kündigung maßgeblichen Umstände nicht nochmals gesondert mitzuteilen, von denen der Personalrat bereits Kenntnis hat; auch müssen die notwendigen Informationen nicht unbedingt dem Personalratsvorsitzenden erteilt werden, vielmehr kann der Personalrat auch andere Personalratsmitglieder als empfangsberechtigt bestimmen (vgl. zur Anhörung des Betriebsrats BAGE 49, 136 = AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel, aaO, § 102 BetrVG Rz 69 und 83). Personalvertretungsrechtlich war es deshalb ggf. ausreichend, wenn der Personalrat die im Beteiligungsverfahren notwendigen Informationen gemäß einer mit der Hochschulleitung getroffenen Vereinbarung in der Weise erhielt, daß zwei Personalratsmitglieder als “Ohr des Personalrats” die Erarbeitung der Besetzungsvorschläge durch die Gründungskommissionen und die dabei angestellten Auswahlüberlegungen mitverfolgten. Ausreichend war dies freilich nur dann, wenn diese Auswahlüberlegungen in der Kommission offengelegt wurden. Dies hatte der Beklagte zur Vermeidung einer unzureichenden Personalratsbeteiligung zu überprüfen und gegebenenfalls in einer für das Arbeitsgericht nachprüfbaren Weise im Prozeß darzulegen. Letzteres hat er – wie das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen hat – jedenfalls hinsichtlich der Besetzung der Stelle WMPHIL 8.8 unterlassen, denn die kommentarlose Verneinung der fachlichen Eignung der Klägerin im vorgelegten Protokoll über die Personalauswahl ist lediglich eine für die ordnungsgemäße Information des Personalrats unzureichende schlagwortartige Wertung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die der Kommissionsentscheidung und damit letztlich der streitigen Kündigung zugrunde liegenden konkreten Auswahlüberlegungen in der Kommission unausgesprochen blieben, etwa weil die konkreten Auswahlkriterien bei der Kommissionsentscheidung aufgrund entsprechender Vorkenntnisse der Kommissionsmitglieder als nicht mehr erörterungsbedürftig angesehen wurden.

Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht hätte insoweit durch prozeßleitende Verfügungen den Beklagten zum Vortrag weiterer Einzelheiten veranlassen müssen, ist demgegenüber unzulässig. Der Beklagte hat nämlich nicht dargelegt, was er auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO hin vorgetragen hätte, weshalb nicht beurteilt werden kann, ob ein solcher Vortrag die Annahme einer ordnungsgemäßen Personalratsbeteiligung mit der eventuellen Folge der Wirksamkeit der Kündigung gerechtfertigt hätte (vgl. BAGE 32, 56 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen, m.w.N.).

c) Im übrigen hätte der Beklagte auch die materiellrechtliche Wirksamkeit der Kündigung mit der Darstellung von Auswahlgesichtspunkten belegen müssen, die einer Überprüfung anhand von § 242 BGB standhalten könnten. Obgleich § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG 2. Halbs. keine unmittelbare Anwendung findet, sind die grundsätzlichen Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts, mit denen bei der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. BAGE 62, 116 = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl) und in ähnlichen Fällen mangelnder Kenntnis der an sich beweisbelasteten Partei (vgl. BAG Urteile vom 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – AP Nr. 112 zu § 626 BGB und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP Nr. 35 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, beide auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) eine Abstufung der Darlegungslast angenommen wurde, auch vorliegend einschlägig (vgl. BAG Urteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – EzA, aaO). Die Klägerin hatte keine Kenntnis, aus welchen Erwägungen der Beklagte Mitbewerbern bei der Weiterbeschäftigung den Vorzug gegeben hat. Sie hat den Beklagten bereits in der Klageschrift zu einer entsprechenden Auskunft aufgefordert. Der Beklagte war aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht gemäß § 138 Abs. 2 ZPO gehalten, die angestellten Auswahlüberlegungen vorzutragen. Ohne eine solche Vorgabe kann von der an sich beweispflichtigen Klägerin nicht verlangt werden, eine eventuelle Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung gemäß § 242 BGB aufzuzeigen und im Bestreitensfall nachzuweisen.

 

Unterschriften

Etzel, Bröhl, Fischermeier, Rupprecht, Dr. Roeckl

 

Fundstellen

Haufe-Index 871610

BB 1996, 224

JR 1996, 308

NZA 1996, 644

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